Erzbischof Bruno Musaró
ist der apostolische Nuntius auf Kuba. Im Interview mit Radio Vatikan hat er erklärt,
was für eine starke Wirkung der Papstbesuch und die damit einhergehende Pilgerreise
der Heiligen Jungfrau von Cobre auf das kubanische Volk hatten und noch haben. Auf
die Frage, ob man denn so weit gehen könnte, von einem „Frühling des Glaubens“ zu
sprechen, antwortete der Nuntius:
„Das ist genau das Gefühl, das die Bischöfe
und Priester während dieser marianischen Pilgerfahrt hatten. Man hat gesehen, wie
lebendig die Anbetung der Maria im Glauben der einfachen Leute ist. Und all das dank
eines Marienabbildes, das die letzten 50 Jahre über praktisch von Staub bedeckt war,
denn so lange ist die letzte Wallfahrt der Schutzheiligen Kubas bereits her. Wir denken,
dass die aktuelle Generation sich eigentlich an nichts erinnert, sondern von den eigenen
Eltern und Großeltern darüber hat sprechen hören. Deshalb hat der Umzug der Maria,
die immerhin alle Städte und Dörfer der elf kubanischen Diözesen besucht hat, einen
Enthusiasmus und eine Energie hervorgerufen, die sich eigentlich keiner so recht erwartet
hatte.“
Der Nuntius geht anschließend auf die historische Pilgerreise Johannes
Pauls II. ein, die, so Papst Benedikt XVI., eine „unauslöschliche Spur“ im kubanischen
Volk hinterlassen hat. Musaró selbst bezeichnet die Pilgerfahrt von Johannes Paul
II. als ein historisches, vielleicht sogar epochales Ereignis, das zu einer größeren
Annäherung zwischen Kirche und Staat geführt hat und den Diözesen, die in Folge des
Besuches weniger Repressalien zu fürchten hatten, neues Leben eingehaucht hat. Das
kubanische Volk verspricht sich auch vom Besuch des aktuellen Papstes viel.
„Mit
dem neuen Präsidenten gab es in den letzten Jahren hier auf Kuba vor allem in ökonomischer
Hinsicht eine Öffnung, und das hat viele Hoffnungen in den Menschen geweckt. Es gibt
die Hoffnung, dass die Öffnung weiter geht und man ein angenehmeres Leben führen können
wird, durch das die Menschen auch ermutigt werden, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen.
Und die Leute erwarten sich vom Besuch des Papstes, den er auf den Spuren seines Vorgängers
Johannes Paul II. durchführt, dass er diese Öffnung Kubas weiter vorantreiben kann.
Hier vergisst niemand den Slogan, den Johannes Paul II. auf seiner Reise geprägt hat
und über den sich sogar die Regierung freut: “Möge sich Kuba der Welt öffnen, und
möge sich die Welt Kuba öffnen“. Ich denke, dass das der geheime Wunsch ist, der den
Kubanern aus tiefstem Herzen spricht. Aber vor allen Dingen erwartet man sich vom
Besuch Benedikts einen Prozess der Versöhnung zwischen allen Kubanern. Das ist der
Punkt, den die Bischöfe während der Pilgerreise der Madonna betont haben, und das
ist auch der Punkt, den sie für den Besuch Benedikts XVI betonen.“
Auf
die Frage, welche Beziehung aktuell in der kubanischen Gesellschaft zwischen Atheisten
und Gläubigen besteht, antwortet der Nuntius, dass ihm nicht so sehr dieser Aspekt
Sorgen bereite, sondern vor allem das zunehmende Phänomen der Sekten, das in Lateinamerika
immer mehr Einzug hält und dem durch die Armut in Kuba sicherlich Vorschub geleistet
wird.
„Wir wissen, dass Kuba einige Jahre nach Fidels Revolution als “atheistisches
Land” proklamiert wurde. Allerdings wurde dieser Aspekt des Atheismus kurz vor Johannes
Pauls Besuch aus der Verfassung entfernt, da er praktisch auch gar keine Bedeutung
hatte. Wie kann man in Lateinamerika überhaupt von einem atheistischen Land sprechen?
Vor allem Dingen muss man aber leider beobachten, dass in Lateinamerika auch immer
mehr religiöse und protestantische Sekten Einzug halten, deren Lehren vor allem in
armen Gegenden auf fruchtbaren Boden fallen. Sie präsentieren sich der armen Bevölkerung
mit konkreter Soforthilfe, die aber keine Nachhaltigkeit gewährt, sondern darauf abzielt,
die Menschen in ihrer Not an sich zu ziehen. Deshalb würde ich gar nicht so sehr von
einem Unterschied zwischen gläubigen Katholiken und Atheisten sprechen, sondern die
Bischöfe sagen vielmehr, dass die Gläubigen, die beginnen, wieder in die Gottesdienste
zu kommen, sich nicht von Menschen, die sich aus historischen Gründen von der Kirche
entfernt haben, unterscheiden. Der Atheismus ist meiner Ansicht nach ein sehr oberflächliches
Phänomen gewesen.“
Im Hinblick auf die neue Evangelisierung, die dem Papst
bei seiner Reise sehr am Herzen liegt, sind laut Musaró durch die Pilgerfahrt der
Maria große Fortschritte gemacht wurden:
„Das Interessante dabei ist, dass
die Pilgerfahrt der Jungfrau der Barmherzigkeit von Cobre auf der gesamten Insel gerade
als Ausdruck der neuen Evangelisierung angesehen wurde. Die Bischöfe bereiten unter
der Leitung des Erzbischofs von Havanna ein Dokument vor, in dem alle Erscheinungsformen
dieser Devotion an die Madonna gesammelt werden und als Ausdruck der Neuevangelisierung
dem Päpstlichen Rat für Neuevangelisierung und der Bischofskongregation vorgestellt
werden sollen. Die Bischofskonferenz hat sich sehr interessiert gegenüber dem kubanischen
Phänomen der Marienverehrung als Motor für die Neuevangelisierung gezeigt. Wie wir
wissen, ist Maria bereits zu Johannes Pauls Zeiten „der Stern der Evangelisierung“
genannt worden, schließlich ist sie die erste, die Jesus Christus ankündigt. Nicht
umsonst war der Slogan für die marianische Pilgerfahrt auch: „Zu Jesus durch Maria.
Die Nächstenliebe eint uns“. Das ist die wahrhaftige Neuevangelisierung, im historischen
und sozialen Kontext von Kuba.“