Religion und Staat in Kuba: Vermittlung und Versöhnung
Wie entwickelt sich
die katholische Kirche in einem sozialistischen Land? Wie kann sie sich mit dem Staat
arrangieren, wie zu dessen Wandel beitragen? Seit Jahren beschäftigt sich Bernd Klaschka
mit Kuba. Als Geschäftsführer des Hilfswerkes Adveniat der deutschen Bischöfe war
er mehrfach auf der Insel. Pater Bernd Hagenkord hat ihn gefragt, ob er Kuba für ein
katholisches Land hält, obwohl es durch über 40 Jahre offiziellen Atheismus gegangen
ist.
„Ich glaube, dass Kuba ein katholisch geprägtes Land ist, schon allein
durch die Geschichte. Das sieht man insbesondere jetzt anlässlich des Papstbesuches.
Er kommt ja, weil das Gnadenbild der Virgen del Cobre vor 400 Jahren aufgefunden worden
ist. Das zeigt, wie marianisch-katholisch Kuba ist, wie auch ganz Lateinamerika. Insofern
ist Kuba ein katholisches Land. Was die Zahl der Getauften angeht, gehen wir davon
aus, dass 60 Prozent der Menschen auf Kuba katholisch getauft sind.“
Aber
das mit synkretistischen Anteilen, mit nicht 100 Prozent Messbesuchen, und alles in
allem mit einer sehr kubanisch geprägten Kirche.
„Es ist eine sehr kubanisch
geprägte Kirche. Ich würde sagen, dass der Kubaner religiös ist. Ob er dann schon
katholisch nach unserem Verständnis ist, dass ist eine andere Frage. Aber dass er
mit einem transzendenten Wesen rechnet, das sieht man an seinem Verhalten, das sieht
man, wenn er an einer Kirche vorbei geht und sich bekreuzigt. Er ist tief religiös
und versucht dann auch, sein religiöses Leben in der katholischen Kirche oder auch
in einer der ganz wenigen evangelischen Bewegungen zu führen. Aber er gibt auch hier
durch afrikanische Religionen geprägte afrikanische Traditionen, die tief in der Seele
des Kubaners verankert sind.“
Bis Anfang der 90er Jahre war das Land offiziell
atheistisch, jetzt ist es laizistisch, was schon ein Schritt in die Öffnung hinein
ist. Es dürfen aber nach wie vor keine Kirchen gebaut werden. Der Papst hat davon
gesprochen, dass er am Wandel Kubas mitarbeiten möchte. Wie kann man bei solch einem
Staat ‚mitarbeiten’?
„Ein Beispiel dafür hat uns Johannes Paul II. gegeben;
bevor er gekommen ist, war Kuba ein atheistischer Staat. Durch diesen Besuch des Papstes
1998 hat sich Kuba in einen laizistischen Staat verwandelt, so dass es auch für Chisten
möglich ist, Mitglied der kommunistischen Partei zu sein. Die Mitgliedschaft in der
katholischen Kirche ist nicht verboten. Ich finde, das zeigt, dass der Besuch des
Papstes und damit des Oberhauptes der katholischen Christenheit etwas öffnen kann
und Impulse setzen kann. Ich glaube auch, dass dieser Besuch von Benedikt XVI. Impulse
geben wird, in dem er die Dinge anspricht, wie er sie ansprechen möchte, und ich glaube,
dass die Leute ihn hören werden.“
Das Stichwort ist Wandel, die katholische
Kirche möchte einen Wandel durch Annäherung, also in der Nähe zum Staat die Schritte
zum Wandel mit tun. Man will weniger die starke Opposition. Kann die Kirche in die
politische Öffentlichkeit hinein wirken, oder ist sie dafür zu schwach oder zu klein?
„Ich
glaube, dass die Kirche in ihrer Vermittlerrolle anerkannt ist, zum Beispiel zwischen
einzelnen Gruppierungen, die in der Opposition sind, wie den Damas blancas und dem
Staat. Insbesondere auch die Person des Erzbischofs von Havanna, Kardinal Ortega,
ist als Vermittler anerkannt. Die Kirche hat sich viele Verdienste und Anerkennung
in der kubanischen Gesellschaft erworben. Wandel durch Annäherung ist das eine, aber
die katholische Kirche sagt auch, wo sie anders denkt und wo sie anders empfindet,
wenn sie etwa das Thema Menschenrechte zwar nicht in der Öffentlichkeit verbalisiert,
aber in Gespächen immer wieder auf die Tagesordnung setzt. Ich weiß auch, dass das
in den Gesprächen zwischen der kubanischen Bischofskonferenz und der Regierung ein
Thema ist. Auch die Unterstützung der Damas blancas durch die katholische Kirche hat
ihnen in der Öffentlichkeit die Stärke gegeben, damit sie gesehen und wahrgenommen
werden.“
Ist das ein Balanceakt für die Kirche? Es kann ja gefährlich sein,
in einem solchen Staat die Protestbewegungen oder Oppositionsbewegungen zu unterstützen.
„Ich
habe einmal in einem Gespräch den Vorsitzenden der kubanischen Bischofskonferenz gefragt,
als das Bild der Virgen del Cobre durch die Pfarreien ging, ob das nicht auch eine
politische Dimension hätte. Er hat darauf nichts geantwortet und diese Nichtantwort
war glaube ich bezeichnend dafür, dass er sich bewusst ist, dass dies eine politische
Dimension haben kann und dafür, wie sie eventuell umgehen würden mit Äußerungen, die
in die politische Richtung wie Systemänderung oder Zulassung der Opposition gehen
könnten. Ich glaube, die Kirche ist sich dessen bewusst, sie ist aber nicht eine aktive
Förderin oder eine Institution, die diesen Wandel organisiert.“
Was würden
Sie als die wichtigste Aufgabe der katholischen Kirche in Kuba für die nächsten Jahre
bezeichnen?
„Ich glaube, die wichtigste Aufgabe der katholischen Kirche
besteht darin, die Freiheit des Menschen und die Würde des Menschen immer wieder zu
reklamieren, denn die Würde des Menschen ist mit seiner Freiheit verbunden, für Gerechtigkeit
einzutreten. Ich persönlich glaube auch, dass eine Veränderung in Kuba in einigen
Jahren eintreten wird, wie auch immer sie aussehen wird. Darauf muss die katholische
Kirche die Menschen vorbereiten, dass diese Veränderungen menschlich und menschenwürdig
vollzogen werden.“
Ein Stichwort, das immer wieder fällt, ist das der Versöhnung,
Kuba brauche Versöhnung. Was für eine Dimension hat das in der kubanischen Gesellschaft,
dass die Kirche damit immer wieder in Verbindung gebracht wird?
„Wenn die
Kirche das Wort Versöhnung predigt oder immer wieder in die Reflexion einbringt, meint
sie nicht nur, dass die kubanische Gesellschaft versöhnt lebt, sondern die Kirche
hat auch einen Blick auf die Kubaner, die in den USA leben. Hier gibt es auch unterschwellig
Gespräche darüber, wie sich die Menschen verhalten werden, die in den USA leben, und
die dann vielleicht zurück kommen. Das kann Ängste auslösen, das kann auf der anderen
Seite aber auch Zurückhaltung auslösen. Dieser Dimension ist sich die Kirche bewusst
und deswegen spricht sie sehr bewusst von der Versöhnung der Kubaner.“
Hilft
der Papstbesuch dabei?
„Ich glaube wohl. Der Papstbesuch hat ja wie man
sagt pastoralen Charakter, aber ein Hirte muss sich um alle Belange kümmern, die ein
Volk angehen. Dazu zählen auch die politische und die wirtschaftliche Dimension, und
er muss sie ansprechen. Ich glaube, der Papst ist hier anerkannt und als Integratinosfigur
respektiert.“