Kubas Kirche ist im
Aufwind: Das zeigt sich am Gespräch zwischen katholischer Kirche und der Regierung,
zum Beispiel über politische Gefangene, und auch im Glaubensleben der Ortskirchen.
Öffentlich pilgerte im vergangenen Jahr das Gnadenbild der Jungfrau der Barmherzigkeit
von Cobre durch das ganze Land, 2010 wurde in Havanna nach 50 Jahren wieder ein Priesterseminar
eröffnet. Auch Klostergründungen sind Anzeichen für die kleinen Schritte der Kirche
hin zu mehr Wirkungsraum und Autonomie: So konnte in Folge von Papst Johannes Pauls
Besuch auf Kuba in Havanna ein Benediktinerkloster gegründet werden. Unser Redaktionsleiter
Pater Bernd Hagenkord hat mit Erzabt Jeremias Schröder von Sankt Ottilien gesprochen,
der für dieses Kloster verantwortlich ist. Unabhängig davon, was der Papst auf Kuba
sagt - allein sein Besuch sei eine großartige Chance, so Erzabt Jeremias.
„Der
Papstbesuch wird sicher noch einmal zu einer ganz großen Sichtbarkeit der katholischen
Kirche in Kuba führen. Man sieht deutlich, dass die Regierung sich auch freut, dass
der Papst kommt und ihn willkommen heißt. Das sind wichtige Schritte hin zu einer
Normalisierung der Beziehungen zwischen kubanischer Kirche und dem Staat. Es ist auch
eine Form der Öffnung. Da kommt ja jemand ins Land, dem man nicht vorschreiben kann,
was er sagen soll. Der Papst sagt vielleicht auch unbequeme Wahrheiten. Kuba stellt
sich darauf ein, und das allein ist schon eine ganz großartige Sache.“
Und
die Kubaner, was erhoffen sich die?
„Die Kubaner selber hoffen, dass es
wieder einen neuen Feiertag gibt. Als Johannes Paul II. kam, wurde nachher Weihnachten
eingeführt. Davor war der 25. Dezember ein ganz normaler Arbeitstag. Die Kubaner spekulieren
jetzt darauf, dass vielleicht der Karfreitag ein Feiertag werden könnte. Die Kirche
in Kuba ist gar nicht so versessen darauf, dass der Karfreitag Feiertag wird, denn
Feiern heißt in Kuba Tanzen und Trinken und das passt ja gar nicht zum Karfreitag…
Der Kardinal hat mir schon gesagt, dass es ihm ein großes Anliegen wäre, dass das
Fest der Jungfrau von Cobre vielleicht eine Art Nationalfeiertag werden könnte, weil
sie eine so große Bedeutung für das ganze Land hat.“
Der Papst besucht
Kuba anlässlich des 400. Jahrestages der Wiederauffindung des Bildes der „Virgen del
Cobre“, was für eine Bedeutung hat diese Form der Frömmigkeit für Kuba?
„Das
kann man kaum übertreiben. Die Virgen del Cobre hat eine Art Tournee durch das Land
gemacht und ist überall grandios empfangen worden. Es gab in Havanna an den öffentlichen
Plätzen und Parks Stationen mit dieser Madonnenfigur mit Predigten und Ansprachen.
Viele haben teilgenommen, auch Nichtkatholiken. Die Jungfrau von Cobre wird nicht
nur bei Christen verehrt, sondern auch bei den Anhängern der afrikanischen Religionen,
die sich in Kuba weiterentwickelt haben. Bei den alten Sklavenreligionen spielt die
Virgen del Cobre als Figur einer afrikanischen Gottheit eine große Rolle. Das vermischen
sich die Dinge; das ist für die Kirche eine echte Herausforderung, dort immer wieder
für Klarheit zu sorgen, was die Jungfrau Maria bedeutet, was die Sakramente bedeuten,
die in den afrikanischen Kulten dann auch verwendet und umgedeutet werden. Die Virgen
del Cobre ist da auf eine sehr eigenartige Weise eine echte Integrationsfigur für
das ganze Land.“
Mit den alten Sklavenreligionen sprechen Sie die Santería
an, also eine Mischform von verschiedensten Religionen, die vor allem in Kuba praktiziert
wird.
„Es ist eine afrikanische Religion, die aus Nigeria stammt und
die sich dann in Lateinamerika und vor allem in Kuba durch die Übernahme vieler katholischer
Bilder und Heiligenfiguren weiterentwickelt hat. Es gibt daneben noch eine zweite
afrikanische Religion, die in Kuba verbreitet ist: Palomonte. Die stammt aus dem Kongo
und ist noch viel stärker magisch orientiert und für unser Verständnis noch befremdlicher
und eigenartiger.“
Erzabt Jeremias, kommen wir zu dem Kloster, für das
Sie verantwortlich sind. Wie sind Sie darauf gekommen, ausgerechnet in einem sozialistischen
Staat ein Kloster zu gründen?
„Der Sozialismus schreckt uns nicht ab. Wir
versuchen ja auch, in China wieder Fuß zu fassen und wir haben sogar Beziehungen nach
Nordkorea. Aber der Grund, weswegen wir nach Kuba gegangen sind, war eine ganz dringende
Bitte des Kardinals von Havanna. Der wollte Benediktiner im Land haben, die diese
Grundform des Ordenslebens dort verwirklichen. Das war ein Anliegen, das er schon
lange mit sich herum trug. 1998 – nach dem Besuch von Johannes Paul II. in Kuba –
hat er mit Fidel Castro über diese Frage gesprochen und von Castro selber die Erlaubnis
bekommen, Benediktiner ins Land holen zu dürfen. Kardinal Ortega hat dann 2006 begonnen,
nach Benediktinern zu suchen, die nach Kuba kommen könnten. Erst suchte er in Lateinamerika,
wo es zwar große Begeisterung gab, aber keine Möglichkeit, Mönche frei zu stellen,
die dafür in Frage gekommen wären. Er kam dann zu uns, zu den Missionsbenediktinern,
weil er erfahren hatte, dass es einen Zweig der Benediktiner gibt, der sozusagen darauf
spezialisiert ist, Gründungen in anderen Kontinenten zu machen.“
Wie haben
wir uns dieses Kloster vorzustellen?
„Momentan ist das ein kleines Provisorium,
wir – das heißt die Benediktiner dort – leben dort in einem Klösterchen, das die Karmeliter
ursprünglich in einem Vorort von Havanna gebaut haben. Von dort aus bereiten wir die
eigentliche Klostergründung vor, die auf dem Land sein wird, etwa 30 Kilometer von
Havanna entfernt. Die Mitbrüder leben da und beten und arbeiten, sie versuchen, das
Land besser zu verstehen, sie bilden die ersten einheimischen Mitbrüder aus und arbeiten
an dem Prozess der Verlagerung des Klosters. Das ist sehr mühsam, denn es geht in
Kuba schon alles sehr gemächlich vor sich. Wir rechnen damit, dass wir noch einige
Jahre in dem vorläufigen Domizil untergebracht sein werden.“
Wenn man die
kurze Geschichte des Klosters Ihrer Gemeinschaft nachliest, dann findet man Berichte
von fehlenden Wasseranschlüssen, etc. Wie gründet man unter diesen Umständen ein Kloster?
„Der
Kern sind immer die Mönche, die Mitbrüder, die bereit und verfügbar sind, sich darauf
einzulassen. Wir hatten Glück, dass die Karmeliter zu diesem Zeitpunkt gerade ihr
Kloster geräumt hatten, weil sie kein Personal mehr hatten und der Kardinal uns dann
dieses Kloster zur Verfügung gestellt hat. Wir bekamen dann auch die Aufgabe der Betreuung
einer Kirche, zu der viele Gläubige zu den Gottesdiensten kommen. Dann ging es darum,
das Alltagsleben zu bewerkstelligen. In Kuba ist der Alltag schwierig. Die Versorgungslage
ist sehr schlecht. Man muss sich schon ziemlich bemühen, um die Nahrungsmittel für
den täglichen Gebrauch zu bekommen; alles, was etwas außergewöhnlich ist – und das
beginnt manchmal schon mit Seife und anderen Alltagsgegenständen – ist nur sehr schwer
zu bekommen. Man muss Beziehungen pflegen, oft die ganze Stadt durchkämmen, um so
etwas zu suchen. Das macht das ganz normale Alltagsleben recht schwierig und für unsere
Mitbrüder auch zu einer Herausforderung.“
Nun ist Kuba eine Ausnahmeerscheinung,
weil es das einzige lateinamerikanische Land ist, in dem der Katholizismus nicht die
Mehrheit stellt, wo es andere Religionen, Konfessionen oder den Atheismus gibt, die
mehr Anhänger haben. Wie würden Sie die Kirche in Kuba beschreiben?
„Die
Kirche, die wir in Kuba erleben, ist erstaunlich lebendig. Kardinal Ortega war sehr
wichtig dabei, der Kirche Freiräume zu gewinnen, die die Regierung auch zugestanden
hat. Kirche kann funktionieren und arbeiten, sie wird überwacht – der Geheimdienst
ist stark präsent – es gibt Regierungsbehörden, deren Aufgabe es ist, alle Religionen
und besonders auch die katholische Kirche im Auge zu behalten. Aber die Kirche kann
das Evangelium verkünden.
Und die Kubaner selbst?
Es gibt bei
den Kubanern großes Interesse an der Religion. Man erlebt das, wenn man durch die
Stadt geht und als Priester erkennbar ist, wird man immer wieder angehalten und um
einen Segen gebeten. Und das nicht nur von Christen, sondern auch von anderen. Das
Land ist religiös wach, die Menschen sind sehr neugierig auf das, was von außen kommt.
Das liegt natürlich auch daran, dass der Zugang zu Informationen von außen so stark
kontrolliert wird. Es besteht eine Freude daran, dass Leute aus fernen Ländern kommen,
die jetzt in Kuba leben wollen.“
In Kuba finden wir – so hört sich das
an – also eine ganz andere Kirche mit ganz anderen Herausforderungen vor …
„…
ja, Kuba ist auch für uns Missionsbenediktiner sehr spannend. Wir haben afrikanische
Mitbrüder dorthin entsandt, Europäer und auch zwei Asiaten. Dort mischt sich auch
die Internationalität unserer Kongregation und erlebt noch einmal etwas völlig anderes.
Die katholische Kirche hat tiefe Wurzeln in Kuba und wird auch sehr hoch geschätzt.
Das hat mit der Rolle zu tun, die katholische Kleriker und Intellektuelle bei der
Unabhängigkeitsbewegung Kubas gespielt haben. Dort war die Kirche Vorreiterin der
Selbstbefreiung des Volkes und das trägt bis heute zu ihrem Ansehen im Land bei. Auch
wenn das Regime phasenweise Religion eher abgelehnt hat, ist diese Verwurzelung stark
geblieben. Das bedeutet heute eine missionarische Situation in einem Land mit alter
Tradition und gleichzeitig großer Neugierde und großer Offenheit bei der Bevölkerung.
Das ist für uns eine sehr schöne Aufgabe.“