Am Samstag Abend hat
der evangelische Kirchenhistoriker und ehemalige Präsident der Humboldt-Universität
Berlin, Christoph Markschies, in der evangelisch-lutherischen Gemeinde Roms einen
Vortrag zum Thema gehalten: „Wie katholisch ist die evangelische Kirche? Wie katholisch
sollte sie sein?“. Wie zu erwarten, reservierte der Abend interessante Denkanstöße,
die der Vorsitzende der Kammer für Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland
bei seinem Vortrag ausdrückte. Wir baten ihn im Interview, seinen Vortrag für unsere
Hörerinnen und Hörer zusammenzufassen: „Einen Vortrag von einer Stunde in zwei
Sätzen zusammenzufassen, ist eine sportliche Herausforderung, aber ich versuche es:
Wie katholisch ist die evangelische Kirche? Sie ist ganz und gar katholisch, da sie
wie alle anderen christlichen Kirchen im Glaubensbekenntnis bekennt, eine katholische
Kirche zu sein. Die zweite Frage ist, wie katholisch sollte sie sein? Sie sollte dieses
ihr „katholisch Sein“ offen annehmen, und sich nicht davor scheuen, dass sie mit ihrer
katholischen Schwesterkirche dasselbe Attribut „katholisch“ teilt. Sie sollte sich
aber andererseits nicht bemühen, gleichsam alles zu übernehmen, was die römisch-katholische
Kirche an eigenen Identitätszeichen hat, sondern sollte versuchen, ihre eigene Form
von evangelischer Katholizität zu leben.“
Auf die Frage, was der Papstbesuch
im vergangenen September in Deutschland bei der Frage der Annäherung der Schwesterkirchen
bewirkt habe, antwortet Markschies:
„Ich denke, der Papstbesuch hatte insbesondere
innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland Wirkungen. Man hat vor allem über
die Freiburger Rede, soweit ich das als evangelischer Christenmensch wahrnehme, sehr
intensiv diskutiert. Ich glaube nicht, dass wir - wie man manchmal sagt - in einer
ökumenischen Eiszeit leben, sondern wie alle Dinge hat auch die Ökumene ihre Höhen,
in denen man sehr euphorisiert davon spricht dass es „morgen den großen Durchbruch“
gebe. Es gibt aber auch Phasen, die nicht so sehr als Ernüchterung zu bezeichnen,
sondern vielmehr einem stärkeren Realismus verpflichtet sind und in denen man erkennt,
über wie viele Dinge eigentlich noch zu reden wäre. Gleichzeitig ist es aber so, dass
aufgrund der zunehmenden Entchristlichung, die es natürlich auch in Deutschland gibt,
die Notwendigkeit, als Christenmenschen gemeinsam unseren christlichen Glauben zu
bekennen, immer größer wird. Die theologischen Subtilitäten, die ich als Theologe
natürlich besonders liebe, können nur noch wenigen Menschen vermittelt werden. Die
möchten hingegen gerne wissen, warum man Christ sein soll, und nicht, weshalb man
Lutheraner, Reformierter, traditionell glaubender römisch-katholischer Christenmensch,
oder eher liberal glaubender Christenmensch sein soll. Die Bedeutung der Unterschiede
wird also geringer und damit die Notwendigkeit für die Theologen, Einigungen vorzubereiten,
größer.“