Ein Gespräch mit dem deutschen Pfarrer von Mexiko-Stadt
Am Freitag geht es
los: Benedikt XVI. fliegt nach Lateinamerika, sein zweiter Besuch als Papst. Erstes
Ziel der Reise ist Mexiko – aber nicht die Hauptstadt, sondern der zentral gelegene
Bundesstaat Guanajuato, der katholischste des Landes, übrigens. „Ich freue mich als
Katholik und als katholischer Priester darüber.“ Das sagt der Pfarrer der deutschsprachigen
Pfarrei St. Thomas Morus in Mexiko-Stadt über Benedikts Besuch. Auch wenn Ralf Hirsch
den Papst wohl nicht live sehen wird: „Wir haben eigentlich keine Beziehung zu dem
Besuch, keine Einladung, keine Organisation einer Pilgerfahrt oder so…“ Dabei habe
es ursprünglich geheißen, jede Pfarrgemeinde bekomme zwei Eintrittskarten zu einer
Papstveranstaltung. „Davon hat man nie wieder etwas gehört. Es ist einfach eine sehr
begrenzte Veranstaltung.“ Und das hängt vielleicht mit Sicherheitsgründen zusammen,
so Hirsch im Gespräch mit dem Münchner Kirchenradio. Stichwort: Drogenkrieg. „Man
muss einfach sagen, dass Teile des Landes sich nicht mehr in der Hand des Staates
befinden, sondern in der Hand von kriminellen Gruppen.“
Die Kirche in Mexiko
hat sich aus der Sicht von Pfarrer Hirsch „immer eindeutig positioniert“: und zwar
mit der Bitte um ein Ende der Gewalt. „Dieser Appell bezieht sich mit Sicherheit einerseits
auf diejenigen, die auf der Seite der kriminellen Organisationen Gewalt ausüben.“
Aber andererseits richte er sich auch an den Staat – der, vor allem der konservative
Präsident, müsse sich fragen lassen, ob er die Drogengewalt nicht mit unverhältnismäßiger
Gewalt bekämpfe. „Calderons Anti-Drogen-Konzept ist einfach geprägt von einer sehr
massiven Konfrontation.“ Vielleicht dürfe man das aber „nicht einfach ihm in die Schuhe
schieben“: „Er tritt sozusagen das Erbe von jahrzehntelanger Gleichgültigkeit an –
und von Regierungen, die möglicherweise Geschäfte gemacht oder Pakte geschlossen haben
mit kriminellen Organisationen.“ Wie auch immer: Es sei „im negativen Sinn beeindruckend,
dass in dieser Auseinandersetzung bislang an die 60.000 Menschen gestorben sind“.
„Man kann natürlich sagen, dass ein Großteil dieser Opfer Menschen waren, die beteiligt
waren an der Problematik, und dass die Zahl der „unschuldigen Opfer“ doch sehr gering
ist.“ Aber dem widerspricht der katholische Pfarrer: Schon ein Opfer sei zuviel, und
der Drogenkrieg halte ganz Mexiko in Angst und Schrecken. „Und wenn der Papst dieses
Land besuchen möchte, muss er dazu Stellung nehmen!“
Aber Vorsicht: Es sei
ganz und gar nicht so, dass auf mexikanischen Straßen nur die Kugeln pfiffen. Er fühle
sich sicher: „Die einzige Schlägerei in meiner beruflichen Karriere habe ich in einem
Dorf bei Düsseldorf erlebt!“ Neun Jahre ist Hirsch jetzt in Mexiko-City, und nicht
einmal habe er Gewalt erlebt. Allerdings: ein ständiges Thema, das sei die Gewalt
schon. „Man muss sich einfach mal eine Stadt mit 20, 30 Millionen Menschen vorstellen!
Wenn man sich einmal zehn herkömmliche deutsche Großstädte auf einem Haufen denkt,
kann man sich schon vorstellen, dass es da auch zu Konfliktsituationen kommt…“ Zumal
Mexiko auch von „radikaler Ungerechtigkeit geprägt“ sei, von der „ungleichen Verteilung
der Güter“: „dass eben große Teile der Bevölkerung keine Chancen für ihre eigene Entwicklung
sehen, während es eine relativ kleine Gruppe von Menschen gibt, die sich alles leisten
können“. Dieses gesellschaftliche Potential „schreit natürlich geradezu nach Entladung
in Gewalt“, findet Pfarrer Hirsch. „Gemessen daran, wie groß dieses Potential ist,
kann man den Mexikanern schon bescheinigen, dass sie geradezu bewundernswert mit dieser
Lage umgehen!“
Vom Besuch Benedikts erhofft sich der deutschsprachige Seelsorger
aus Mexiko-Stadt eindeutige Worte: „im Sinne der Option für die Armen, im Sinne eines
Bewusstseins der Notwendigkeit von Kirche, in dieser Situation für Frieden und Gerechtigkeit
einzutreten“. Wenn der Heilige Vater zu klaren Worten und symbolträchtigen Gesten
fände, wäre das gut für Mexikos Gesellschaft und für die Kirche. Sagt der Pfarrer
von St. Thomas Morus. „Die Kirchengemeinde wird mit Sicherheit den Heiligen Vater
im Gebet unterstützen und den ganzen Besuch mit Wohlwollen begleiten.“