Kubas Kirche: „Versöhnung wichtigste Aufgabe für die Zukunft“
Die wichtigste Aufgabe
der Zukunft für Kubas Kirche wird die Versöhnungsarbeit sein. Das prognostiziert der
Kuba-Kenner Michael Bautz. Der katholische Geistliche, der heute Diözesanadministrator
der Diözese Dresden-Meißen ist, hat lange Zeit auf Kuba gewirkt und erlebte dort den
ersten Papstbesuch im Jahr 1998 mit. Seiner Ansicht nach werden die Themen des bevorstehenden
Papstbesuches auf Kuba die Einheit der Kirche, Ehe und Familie, die wachsende Verantwortung
der Laien und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche sein. Über die schwierige
Lage der kubanischen Kirche zwischen gesellschaftlicher Vermittlung und politischer
Anpassung, das Glaubensleben auf dem sozialistischen Inselstaat und die hohen Erwartungen
an den Papstbesuch hat Anne Preckel mit dem Diözesanadministrator gesprochen. Bautz,
der bis heute jährlich das Land bereist, hat selbst in der ehemaligen DDR als Geistlicher
gewirkt; für ihn war der Aufenthalt in Kuba sozusagen eine Reise in die Vergangenheit.
Zu große Erwartungen?
„Der Papstbesuch ist für uns eine
weltpolitisch unheimlich interessante Angelegenheit. Kubas Kirche steht natürlich
im Blickpunkt der Weltkirche. Sie hat schwere Zeiten durchgemacht und hofft heute
wieder aufs Neue, dass sie in Freiheit ihren pastoralen, sozialen und erzieherischen
Auftrag wahrnehmen und gestalten kann. Die Opposition erwartet natürlich, dass die
Menschenrechte wieder mehr in den Blickpunkt kommen und sie geachtet werden. Die Demokratie
wird als Gesprächsthema verstärkt in die Mitte gestellt und natürlich die Stärkung
ihrer oppositionellen Bewegung – leider ist die Opposition in Kuba aber stark zerstritten.“
Während
die kubanische Opposition sich vom Papstbesuch eine konkrete Stärkung der Menschenrechte
erhofft, hat die kubanische Bischofskonferenz in diesen Tagen noch solche Erwartungen
ein wenig gedämpft und betont, Benedikts Besuch habe in erster Linie pastoralen Charakter.
Sieht das das „einfache“ kubanische Volk genauso? Und die Partei – was hat die für
ein Interesse, den Papst auf Kuba zu empfangen?
„Das Volk erwartet eigentlich
alle bürgerlichen Freiheiten in jede Richtung und bessere Zeiten in materieller und
ideeller Hinsicht. Die Partei ist ja die einladende Größe des Volkes; sie erwartet
international eine Aufwertung – dass dann Staatsbesuch im Gefolge des Papstes kommen
könnte, dann natürlich die Hilfe bei Sicherung der Revolution durch ein braves Volk,
dass das Volk immer schön still ist und mitmacht. Und natürlich erwartet sie sich
auch eine ökonomische Hilfe wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage Kubas, zum Beispiel,
dass das Wirtschaftsembargo der USA abgebaut wird.“
Man hört, dass sich
auch viele Kubaner eine Geste der Versöhnung zwischen Vatikan und kubanischer Führung
erhoffen. Der heute gesundheitlich schwer angeschlagene Revolutionsführer Fidel Castro
hatte 1962 die Verstaatlichung aller katholischen Schulen und Krankenhäuser angekündigt
auf Kuba, Priester wurden verhaftet, Häuser durchsucht und Gottesdienste gestört,
mehr als 2.000 katholische Ordensleute und 200 Priester verließen das Land. Papst
Johannes Paul II. setzte damals auf Dialog, sprach bei seinem Besuch auf Kuba 1998
davon, dass sich Kuba der Welt und die Welt sich Kuba öffnen müsse. Wird Papst Benedikt
XVI. hier die Hand ausstrecken? Was werden die Themen dieser zweiten Papstreise ins
sozialistische Kuba sein?
Hauptthemen kirchliche Einheit, Familie und Zusammenarbeit
mit dem Staat
„Dieser kluge Leitsatz Papst Johannes Paul II. gilt natürlich
auch heute. Aber wenn man zurückschaut, kann man sagen: Es ist eigentlich alles gesagt
worden beim damaligen Besuch, und doch muss es heute wieder neu gesagt werden. Das
gelingt Papst Benedikt XVI. in der Regel exzellent. Die Themen werden sein: Die Einheit
der Kirche, also Bischof – Priester – Laien, die Ehe und Familie, die Solidarität
des Volkes untereinander, die Laien in ihrer wachsenden Verantwortung. Und dann wird
er sicher wieder sagen – und damit positiv in das Herz der Menschen treffen: Habt
keine Angst! Öffnet heute euer Herz für Christus! Und der Gesellschaft wird er vielleicht
sagen: Hab Mut zur Öffnung, die Kirche ist nicht gegen, sondern für euch, versöhnt
euch, lasst euch mit Gott und untereinander versöhnen! Und denen in der Gemeinde wird
er sagen: Besucht die Menschen, macht Mission in eurer Pfarrei, sagt den Menschen,
dass Christus euch liebt!“
Kubas Kirche macht heute einen ziemlichen Spagat
zwischen Annäherung an die politische Führung, übt andererseits aber immer wieder
auch Kritik. Als Druchbruch gilt die Aufnahme der Vermittlungen von Kardinal Jaime
Ortega mit Raúl Castro über die Freilassung der politischen Gefangenen im Mai 2010.
Einige Beobachter werten den Schritt als einen Wendepunkt, an dem Kubas Kirche wieder
stärker als gesellschaftlich gestaltende Kraft in den Vordergrund getreten ist. Dass
der kommende Papstbesuch in irgendeiner Weise politisch instrumentalisiert wird, will
Kubas Kirche dann aber doch nicht: Scharf kritisierte sie die Besetzung von Kirchen
in der vergangenen Woche durch politische Aktivisten unter anderem in Havanna, die
mit der Aktion auf die Lage der Menschenrechte aufmerksam machen wollten. Wir hören
ja regelmäßig vom brutalen Vorgehen gegen die Menschenrechtlerinnen „Damen in Weiß“;
das muss ja auch Kubas Kirche aufstoßen. Droht der Kirche angesichts dieser Herausforderungen
keine Zerreißprobe?
„In der Tat ist die Kirche in einer schwierigen Situation.
Aber man muss auch sehen: Die Kirche ist für alle da, nicht nur für eine Gruppe. Sie
muss sich natürlich immer für die Entrechteten und Verfolgten einsetzen, das ist ganz
klar, auch wenn sie sich dadurch irdische Nachteile einhandelt. Sie muss klug vorgehen,
aber geradlinig in ihrer Haltung, sie ist zuerst dem Evangelium verpflichtet: Gleich
euch nicht der Welt an, heißt es ja in der Heiligen Schrift, wandelt euch durch neues
Denken. Es ist auch immer wichtig zu wissen, wie man das macht, jedem die Wahrheit
zu sagen, die ihn betrifft, nicht über den abwesenden anderen zu schimpfen. Und vielleicht
dazu: wie man mit Freunden spricht, aber klar und ohne wenn und aber die Dinge ansprechen,
den Mut dazu zu haben. Diese Mut fehlt manchmal der Kirche, die Menschen sind verängstigt
noch aus der Erfahrung der Vergangenheit heraus, aber das ist es, was die Kirche vielleicht
heute tun muss: Für jeden da sein und sich nciht vereinnahmen lassen von einer Seite.
Sie hat ihren ganz speziellen Auftrag, und dieser Auftrag ist unverzichtbar für die
Gesellschaft heute in Kuba!“
Blick in die Zukunft: „Versöhnung wichtigste
Aufgabe der Kirche“
Die Lage in Kuba könnte sich bald schon schnell verändern;
die Tage der Castros sind gezählt, viele Gruppen im In- und Ausland denken heute schon
an eine „neue“ Zukunft des Landes – dass da ganz unterschiedliche Interessen im Spiel
sind, liegt auf der Hand... Vor Hintergrund dieser Phase, die eine Endphase zu sein
scheint: Wo sehen Sie heute die wichtigste Rolle der katholischen Kirche auf Kuba?
„Das
ist die Versöhnung! Sie wissen ja, dass viele Rechnungen aus der Vergangenheit unbeglichen
sind und dass natürlich die Versuchung immer da ist, die Rechnung dann zu begleichen,
wenn es Freiheit geben oder ein neues politisches System installiert werden sollte.
Aber hier hat die Kirche eben die Aufgabe, hier zur Versöhnung aufzurufen, auch die
Familien sollen gestärkt werden. Die Laien übernehmen die Katechese; es gibt praktisch
keine pastorale Arbeit mehr ohne die Laien, ohne deren Beitrag und Hilfe. Jede Mission,
die man in einer Mission durchführt, wird immer ganz stark von Laien geprägt.“
Und
meinen Sie, dass diese Stimme der katholischen Kirche vom Volk auch gehört werden
wird?
„Also ich denke, die die zum Sonntagsgottesdienst kommen, auf jeden
Fall. Es gibt natürlich auch außerhalb der Kirche eine Reihe von Sekten und anderen
christlichen Gruppierungen – wie die sich auswirken, weiß ich nciht, aber die katholische
Kirche hat also wichtigstes Programm die Versöhnung mit allen Menschen, das Gespräch,
die Einladung, und das entspricht auch dem Grundcharakter des kubanischen Volkes,
dass man miteinander spricht, dass man einlädt, dass man den anderen versteht, Feste
feiert, das alles ist sehr kommunikativ. Es gibt keine Zukunft für das kubanische
Volk außer man versöhnt sich.“
Welche Rolle könnten und sollten die Exilkubaner
in Zukunft spielen?
„Die Exilkubaner sind, wie Sie richtig sagen, eine äußerst
wichtige Gruppe für die Zukunft Kubas und auch für die Ökonomie des Landes, denn es
handelt sich ja in der Regel um Menschen, die Geld haben. Es ist wichtig, diese Gruppe
zur Mäßigung zu motivieren; nicht die schnelle Wende wird es in Kuba geben, sondern
den langsamen Übergang zur Demokratie. Wenn man zum Beispiel alles, was die Exilkubaner
beanspruchen könnten und möchten, zurückgibt, würde der Staat sofort bankrott sein,
und das kann ja nicht das Ziel einer Entwicklung sein. Die Kirche wird hier also vermittelt
und motivieren und lässt an die Zukunft denken: Sie erinnert daran, dass es eine gerechte
Zukunft für alle geben muss und auch diejenigen, die sehr hohe Ansprüche anmelden,
dass man denen sagt, es kommt auf das ganze Volk an, das ganze Volk braucht eine Zukunft!“
Das
Interview in voller Länge hören Sie durch Anklicken des Lautsprechersymbols
oben links. Themen des zweiten Teils sind die Rolle der Laien, die Priesterberufungen
und die Erfahrungen des Diözesanadministrators Michael Bautz mit dem kubanischen Gemeindeleben.