2012-03-18 10:08:31

Gauck ist neuer Präsident


RealAudioMP3 Deutschlands Politik wird protestantischer: Der frühere Pastor Joachim Gauck ist neues Staatsoberhaupt. Die Bundesversammlung in Berlin wählte den 72-Jährigen am Sonntag im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit zum neuen Bundespräsidenten. In einer ersten Rede bat Gauck darum, nicht zu hohe Erwartungen an ihn zu richten. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, gratulierte Gauck am Sonntag: „Ich bin sicher, dass Sie, geprägt von Ihren Erfahrungen in zwei deutschen Staaten, während der Wende und in der Aufarbeitung staatlichen Unrechts, wichtige Orientierung für die Wertedebatte in Deutschland und darüber hinaus geben werden“. Als „starker Anwalt für das bürgerschaftliche Engagement“ werde der neue Präsident „viele Menschen in ihrem Einsatz in der Gesellschaft, in der Politik und im Staat ermutigen“. Glück lädt Gauck zum 98. Deutschen Katholikentag in Mannheim im Mai dieses Jahres ein.

Zollitsch: „Hohe Glaubwürdigkeit“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, gratulierte dem neuen Präsidenten am Sonntag. Gaucks „hohe Glaubwürdigkeit im Eintreten für Freiheit und bürgerliche Verantwortung“ sowie seine „breite Akzeptanz durch die Menschen sind hervorragende Voraussetzungen für die Übernahme des Amtes als Bundespräsident“ in einer schwierigen Zeit. „Ihre christliche Prägung und Ihr Wirken in der evangelischen Kirche, Ihr Kampf für die Überwindung der Unfreiheit und vor allem Ihre tatkräftige Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit der ehemaligen DDR sind große berufliche und menschliche Verdienste“, so Erzbischof Zollitsch. Sein „politisches Gespür und die besondere Fähigkeit, den Menschen nahe zu sein“, werde Joachim Gauck in seiner neuen Aufgabe helfen. Weiter verwies der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz auf die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und dem höchsten Amt im Staat, die „immer hervorragend“ gewesen seien. „Schon heute biete ich Ihnen die tatkräftige Unterstützung der Deutschen Bischofskonferenz an“, betonte Zollitsch.


Auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen wünscht Gauck in einer ersten Reaktion auf die Wahl „Gottes Segen für Ihren Dienst an der Einheit unseres Landes“. Der Erzbischof erinnert an das gute ökumenische Miteinander in der Zeit, als Joachim Gauck Pastor in Rostock war. Zwischen der katholischen und den evangelischen Gemeinden in den Neubaugebieten der Stadt habe es ein intensives Miteinander gegeben. „Ich bin sicher, dass diese gute ökumenische Haltung auch Ihr künftiges Handeln im Blick auf die weitaus größere Vielfalt in unserem Volk prägen wird“, so Thissen. Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle würdigte an Gauck „Lebenserfahrung und ein hohes Maß an Lebensklugheit“. Seine Biographie sei „ein Spiegel der deutschen Nachkriegsgeschichte“; der neue Präsident sei „sensibel für die Gefährdung der Gesellschaft durch totalitäre politische Systeme, die den Menschen über Gott stellen“, und werde sicher „ein Bundespräsident aller Deutschen werden“.

Prälat Jüsten: Für mehr Wahrhaftigkeit in den Medien

Vor Beginn der Bundesversammlung in Berlin hatten die evangelische und katholische Kirche gemeinsam ein ökumenisches Morgenlob in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin gefeiert. Prälat Karl Jüsten, der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, würdigte in seiner Predigt die vielen Menschen, die sich für das Gemeinwesen ehren- oder hauptamtlich engagieren. In seinen Dank schloss er ausdrücklich den aus dem Amt geschiedenen Altbundespräsident Wulff ein. Damit Demokratie gelingen könne, müssten immer wieder entsprechend vorbereitete Bürger für den Dienst am Gemeinwesen bereit sein, so Jüsten. Der Wunsch nach mehr Transparenz und Offenlegung privater Angelegenheiten lasse aber viele davor zurückschrecken, öffentliche Ämter zu übernehmen. Zu Recht erwarte die Bevölkerung von Mandatsträgern, dass sie ehrlich und aufrecht seien. Die Erwartung könne sich aber nicht nur an diese richten. Ein tugendhafteres Verhalten aller Menschen im Lande sei für die Demokratie förderlich. Als Beispiele nannte der Prälat u.a. die Steuerehrlichkeit und die Wahrhaftigkeit in den Medien. Politiker müssten heute oftmals über hoch komplexe Sachverhalte in kürzester Zeit und unter dem enormen Druck starker Lobbygruppen entscheiden. Jüsten wörtlich: „Bisweilen frage ich mich, ob die Leistungen der Politik von der medialen Öffentlichkeit und von der Bevölkerung angemessen gewürdigt werden.“

Jüstens evangelischer Amtskollege Felmberg hob in seiner Ansprache die Gestaltungsräume jedes Amtes hervor, die der christliche Glaube eröffne. „Sich Gott anvertrauen, heißt Grenzen überschreiten, Neugier bewahren und sich in den Dienst der
Weltgestaltung und der Weltverantwortung berufen zu lassen“. Das gab der EKD-Bevollmächtigte dem künftigen Bundespräsidenten auf den Weg.

Goppel (CSU): Wieder mehr am politischen Katholizismus arbeiten

Vor der Präsidentenwahl hatte Joachim Gauck der mecklenburgischen Landessynode einen Besuch abgestattet. Der frühere Pastor der Landeskirche richtete am Freitag ein Grußwort an die Synodalen. Er spüre, „dass die Zeit als Pastor in Mecklenburg mich sehr geprägt hat“, so Gauck. „Als wir Gemeinde gebaut und unseren christlichen Glauben verteidigt haben. Diese Zeit in meinem Leben ist wichtiger als die Zeit, in der ich später bekannt wurde.“

Der frühere bayerische Kultusminister Thomas Goppel erwartet jetzt, dass Politik in Deutschland „durchaus ein Stück protestantischer wird“. Das brauche aber kein Schaden zu sein, meinte der CSU-Politiker und Mitglied der Bundesversammlung in einem Interview mit dem Münchner Kirchenradio noch vor der Berliner Abstimmung. Ein Bundespräsident brauche Überzeugungskraft, Redefähigkeit und Qualitäten im persönlichen Präsentsein. „Die hat Joachim Gauck“, so Goppel. Dabei stimme es, dass Gauck als bekennender Protestant „ein Stück anders“ sei, „als wir uns den Alltag und seine Gestaltung vorstellen“. Insgesamt sei es notwendig, wieder nachhaltiger am politischen Katholizismus zu arbeiten, „um mit der Marke in der Welt zu reüssieren“.
(rv/kirchenradio/idea 18.03.2012 sk)








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