Russland: „Ein angekündigter Sieg“ – Wo steht die orthodoxe Kirche?
„Ein angekündigter
Sieg“: So nennt die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ die Präsidentenwahlen in Russland
von diesem Sonntag. Der Leitartikel betont, dass an einem Sieg Vladimir Putins nicht
zu zweifeln sei. Die Proteste gegen Putin hätten „die Popularität des früheren KGB-Agenten
nicht untergraben, aber doch die Zivilgesellschaft und Aktivisten zum genauen Hinsehen
bei dieser Wahl ermutigt“. Das Vatikanblatt betont, dass Putin sich in jüngster Zeit
speziell um gute Beziehungen zur EU gekümmert habe.
Insgesamt sind 110
Millionen Russen zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen. Der 59-jährige Putin
stand schon von 2000 bis 2008 an der Spitze des Staates. Weil die Verfassung mehr
als zwei Amtszeiten in Folge verbietet, durfte Putin vor vier Jahren nicht wieder
antreten. Er machte damals Dmitri Medwedew Platz, der nun Ministerpräsident werden
soll.
„Die orthodoxe Kirche Russlands sieht in Putin und in dem, was Putin
vertritt, eine gute Ausgangsposition für sich selber.“ Das sagt der deutsche Ökumene-Experte
Thomas Bremer im Interview mit uns an diesem Sonntag. Der Kirche gehe es vor allem
„um eine Stabilisierung ihrer Position“, z.B. was den orthodoxen Religionsunterricht
an Schulen betrifft, und sie stehe auch Putins außenpolitischen Vorstellungen von
einem starken Russland im internationalen Gefüge nahe. Außerdem schätze sie Putins
„Positionierung als orthodoxer Christ“. Der in Münster lehrende Bremer ist einer der
eminentesten Kenner der russisch-orthoxen Kirche.
„Patriarch Kyrill
hat sich, zumindest indirekt, doch sehr deutlich für Putin ausgesprochen. Das hängt
auch damit zusammen, dass die anderen Kandidaten keine reelle Chance haben. Man muss
allerdings auch sehen, dass in Russland derzeit eine Zivilgesellschaft entsteht: Das
wird zwar an diesen Wahlen nicht viel ändern, aber es bedeutet doch für die Kirche
ein gewisses Problem, weil doch eine Reihe von Gläubigen gegen Putin sind. Die Kirche
hat deswegen nicht sofort eindeutig zu den Demonstrationen der jüngsten Zeit Stellung
bezogen, weil auch eigene Gläubige daran teilgenommen haben.“