Aktenzeichen: ‚Mit brennender Sorge’. Vor 75 Jahren veröffentlichte Papst Pius XI.
seine Enzyklika an die Deutschen
Papst Pius XI. wandte
sich ab 1931 erstmals per Radio aus dem Vatikan direkt an die Menschen. Noch herrschte
Frieden auf der Welt. Aber es sollte nicht mehr lange dauern bis zur Katastrophe des
2. Weltkrieges. In der Tat: 1933 kam Adolf Hitler zur Macht, im Vatikan sah man mit
zunehmender Sorge auf das dumpfe Geschehen in Berlin. Papst Pius XI. und sein Kardinalstaatssekretär
Eugenio Pacelli – langjähriger Nuntius in Deutschland - trugen immer schwerer die
Last einer großen Verantwortung.
„Mit brennender Sorge und steigendem Befremden
beobachten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Bedrängnis
der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des
Landes und des Volkes, dem St. Bonifatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus
und dem Reiche Gottes gebracht hat.“
Es ist in diesen Tagen 75 Jahre her, dass
Papst Pius XI. sich mit diesen Worten an alle deutschen Katholiken wandte. „Mit brennender
Sorge" ist die erste und bisher einzige Enzyklika in deutscher Sprache. Lange hatten
fünf deutsche Bischöfe und der Papst darum gerungen, in welcher Form und mit welchen
Inhalten es klug und richtig sei, in aller Öffentlichkeit die Rechte der deutschen
Katholiken gegenüber dem nationalsozialistischen Staat einzuklagen. Die Enzyklika
trug die Handschrift Eugenio Pacellis und Kardinal Michael Faulhabers. Alle diplomatischen
Bemühungen hatten nichts erbracht.
Diese Enzyklika vom Passionssonntag 1937
sollten sich alle diejenigen zu Gemüte führen, die es sich angewöhnt haben, die katholische
Kirche anzuklagen, man habe damals nichts und zu wenig gegen den Nationalsozialismus
unternommen. Natürlich blieb der Kirche keine andere Basis als die der geistig-geistlichen
Auseinandersetzung mit dieser christusfeindlichen Ideologie. Sie nutzte aber auch
alle Möglichkeiten, die den Konkordatspartnern offenstanden. Drei Bände umfassten
allein die Briefe zwischen 1934 und 1936, die Nuntius Pacelli, der spätere Pius XII.,
an die deutsche Seite in Berlin richtete. Und dabei war eine der ersten und wichtigsten
Forderungen Pacellis, die Freiheit der Katholischen Presse. Später kamen alle Bereiche
hinzu, in denen die Rechte einer freien Religionsausübung und grundsätzliche Menschenrechte
verletzt wurden. Dass dies alles mit scheinbar leiser Stimme geschah, lag am Charakter
diplomatischer Beziehungen, aber auch an der alles überdröhnenden nationalsozialistischen
Propaganda. Wohl auch deshalb stellte Nuntius Pacelli allen deutschen Bischöfen seine
Korrespondenz mit der Reichsregierung zu. Der Grat war schmal zwischen Einmischung
in staatliche Angelegenheiten und dem Bestehen auf kirchlichen Belangen. Deshalb gilt
für die Enzyklika "Mit brennender Sorge":
„Die Enzyklika blieb ein geistliches
Wort.... Die Beschreibung, die das politische System Deutschlands in der Enzyklika
fand, war zugleich seine Verurteilung. Es war vertragsbrüchig, kirchenfeindlich, verletzte
Rechte und Menschenwürde, Freiheit der Religion und des Gewissens, vergötzte Rasse,
Volk, Staat und Führer."
14. März 1937 unterschrieben, wurde der Brief bereits
am darauffolgenden Sonntag in allen deutschen katholischen Kirchen verlesen. Viele
Priester verschlossen ihn, um ganz sicher zu gehen, nach Erhalt im Tabernakel in der
Kirche. Keiner der Priester hat sich geweigert, den recht langen Text zu verlesen.
Die Berichte über die Wirkung der Enzyklika betonen den tiefen Eindruck, den die Verlesung
bei den Zuhörern hinterließ. Die Enzyklika war „bei weitem das Schärfste, was eine
souveräne Instanz in Ausübung ihres Amtes über das Dritte Reich bisher öffentlich
ausgesprochen hat..
Nicht zufällig wurden aber noch zwei andere totalitäre
Systeme in den gleichen Tagen angeprangert. In „Divini Redemptoris" klagte Pius XI.
den leninistisch-stalinistischen Kommunismus an, unterschrieben am 19. März 1937,
und am 28. März richtete sich der Papst an die Kirche in Mexiko (Firmissimam constanziam),
die schwer unter ihren antichristlichen Machthabern zu leiden hatte. Diese drei Enzykliken
zusammen waren das Kernstück der Lehramtlichen Aussagen gegenüber den totalitären
Systemen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Es hat etwas Tragisches
an sich, dass die deutsche Bischofskonferenz zwar von Rom klare Worte erwartete, selbst
aber durch Uneinigkeit gelähmt war. Das betraf aber niemals die generelle Analyse,
dass dieses Regime kirchenfeindlich war, sondern die sehr verschiedenen Vorstellungen,
wie damit seelsorglich und öffentlich umzugehen sei. Jeder Vorschlag einzelner Bischöfe
wurde von anderen nicht akzeptiert und damit wieder lahm gelegt. Die Angst, dass durch
weitere Worte im Stil der Enzyklika „Mit brennender Sorge", der Hass der Nationalsozialisten
ins Irrationale gesteigert werde, war allenthalben groß und nicht unberechtigt. Die
Sittlichkeitsprozesse gegen Priester und Ordensleute gaben Anlass zu schlimmen Befürchtungen.
Es zeigte sich Hass gegen die Kirche auch in unteren Parteiorganisationen. Dies beweisen
nicht nur die zahlreichen Kreuzfrevel dieser Zeit, sondern auch eine Vielzahl anderer
Aktionen. An die Tür des Bischofs von Eichstätt schmierte man: "Schurken, schwarze
Brut, Schweinehunde, Volksverhetzer, Römlinge.
„Hängt die Juden, stellt die
Schwarzen an die Wand" - das war Repertoire nationalsozialistischer Hetze. Die Zeugnisse
dieser Art ließen sich fortsetzen. Aber es waren ja nicht nur Worte. Über eintausend
Priester und Ordensleute starben in Gefängnissen und im KZ. Zehntausende litten wegen
ihres christlichen Bekenntnisses und wurden umgebracht. All das hatte 1937 bereits
seinen Anfang genommen und wurde in den folgenden acht Jahren bittere Realität.
‚Mit
brennender Sorge’ verurteilt nicht nur die Kirchenverfolgung in Deutschland, sondern
auch das Neuheidentum der nationalsozialistischen Theorien, die Vergötterung des Staates
und den Gebrauch von Rasse und Blutlinien, um den menschlichen Wert zu bestimmen.
Sie
sagt: „Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger
der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die
innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten
– aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch
der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht
die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von
wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.“
Eine
Stelle ist insbesondere ein offensichtlicher Schlag gegen Hitler und den Nationalsozialismus: „Nur
oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem nationalen Gott, von
einer nationalen Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den
Schöpfer aller Welt, den König und Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe die
Nationen klein sind wie Tropfen am Wassereimer, in die Grenze eines einzelnen Volkes,
in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.“
Die Enzyklika
schließt mit dem Satz: „Dann – das sind Wir gewiss – werden die Feinde der Kirche,
die ihre Stunde gekommen wähnen, bald erkennen, dass sie zu früh gejubelt haben.“
Die Nationalsozialisten konfiszierten alle verfügbaren Ausgaben der Enzyklika, verhafteten
die Drucker, welche die Texte herstellten und beschlagnahmten ihre Druckerei. Die
Verteiler der Enzyklika wurden verhaftet. Zahlungen, die Deutschland unter dem Konkordat
an die Kirche leisten sollte, wurden reduziert. Verschiedene Priester wurden mit fabrizierten
Anklagen, Devisenvergehen oder moralischer Verfehlungen angeklagt.
Im Mai des
gleichen Jahres zitierte eine Schweizer Zeitung Adolg Hitler mit den Worten:
„Das
Dritte Reich sehnt sich nicht nach einem Modus vivendi mit der katholischen Kirche,
sondern nach ihrer Zerstörung mit Lügen und Unehre, um einer deutschen Kirche Platz
zu machen, in der die deutsche Rasse verherrlicht wird.“
Von diesem Zeitpunkt
an betrachteten die Nationalsozialisten Papst Pius XI. als ihren Feind.
Aus
diesem Wissen und dunkler Ahnung heraus sagt Pius XI. zum Schluss seiner Enzyklika:
„Jedes Wort dieses Sendschreibens haben Wir abgewogen auf der Waage der Wahrheit und
zugleich der Liebe. Weder wollten Wir durch unzeitgemäßes Schweigen mitschuldig werden
an der mangelnden Aufklärung, noch durch unnötige Strenge an der Herzensverhärtung
irgend eines von denen, die Unserer Hirtenverantwortung unterstehen und denen Unsere
Hirtenliebe deshalb nicht weniger gilt, weil sie zur Zeit Wege des Irrtums und des
Fremdseins wandeln."
‚Mit brennender Sorge’ verurteilte nicht nur die Kirchenverfolgung
in Deutschland, sondern auch das Neuheidentum der nationalsozialistischen Theorien,
die Vergötterung des Staates und den Gebrauch von Rasse und Blutlinien, um den menschlichen
Wert zu bestimmen.
Soviel zur Enzyklika „Mit brennender Sorge“
Eugenio
Pacelli wurde am 2. März 1939, seinem 63. Geburtstag, als Nachfolger von Pius XI.
zum Papst gewählt. Das NS-Regime sandte als eine von sehr wenigen Regierungen keine
Delegation zur Amtseinführung des neuen Papstes. Gleich zu Beginn seines Pontifikats
wurde Pius XII. mit der Kriegsgefahr konfrontiert. Am 15. März brach Hitler das Münchner
Abkommen. Der Angriff auf Polen – der Beginn des 2. Weltkrieges – stand vor der Tür.
Pius XII. hielt an der politischen Neutralität fest und erklärte in seiner legendären
Rundfunkrede im Radio Vatikan am 31. August 1939:
„Mit dem Frieden ist nichts
verloren, aber alles kann mit dem Krieg verloren werden“.
Wie sein Vorgänger
Benedikt XV. im Ersten, so veröffentlichte Pius XII. im Zweiten Weltkrieg hunderte
von Friedensappellen – sie gingen im Donner des Kriegsgeschehens und der Totenstille
der Konzentrationslager unter. Die unzähligen Hilfsaktionen des Vatikan ebenso. Sie
kamen und kommen erst allmählich ans Tageslicht der Historie. Umso mehr beeindrucken
sie.