Erzbischof von Beirut: „Der Libanon hat eine Mission"
Der Libanon hat eine
„Mission“, er soll Zeichen des friedlichen Zusammenlebens der Religionen und Zivilisationen
sein. Und gerade jetzt, wo im Nachbarland Syrien Krieg herrscht, kann er das beweisen.
Diese Vision fasst der griechisch-katholische Erzbischof von Beirut und Byblos im
Interview mit Radio Vatikan in Worte. Cyril Salim Bustros tauschte sich in dieser
Woche auf einer Konferenz zum Arabischen Frühling in Rom mit Exponenten der Demokratiebewegungen
aus dem Nahen Osten aus. Die Konferenz war von der römischen Basisgemeinschaft Sant’Egidio
organisiert worden; Gäste aus Syrien, Tunesien, Ägypten und anderen Ländern waren
mit dabei. Im Gespräch mit Anne Preckel berichtet Bustros von den Spuren, die die
Syrien-Krise in seinem Land hinterlässt. Mit Blick auf eine mögliche Papstreise in
den Libanon zeigt er sich hoffnungsvoll.
„Ich glaube, im Libanon gibt es
eine gewisse Angst, dass die Ereignisse in Syrien Einfluss auf den Libanon nehmen.
In Syrien gibt es jetzt Krieg zwischen Alawiten und Sunniten, und Sie müssen bedenken:
Die Alawiten sind eine schiitische Gruppe, sie sind Freunde der Schiiten im Libanon.
Wenn also das schiitisch-alawitische Regime in Syrien fällt, haben sie Angst, dass
das Auswirkungen auf das Zusammenleben der Schiiten und Sunniten im Libanon haben
kann. Aber das ist nur eine Angst, mehr nicht. Meiner Meinung nach werden die Libanesen,
die doch im Bürgerkrieg viel gelitten haben, umsichtig und weise sein, damit es nicht
wieder zu einem Bürgerkrieg kommt. Ich habe also keine Angst vor der Reaktion meiner
Landsleute. Ich denke, die Probleme rühren von bestimmten Extremisten her, die aus
der Verwirrung Gewinn schlagen. Aber die sind in der Minderheit. Die große Mehrheit
der Schiiten wird nicht noch einmal auf die Barrikaden gehen, um den möglichen Sturz
des syrischen Regimes zu kompensieren…“
Die Rolle der Christen in Syrien
ist delikat. Wir merken das an der Vorsicht, die Kirchenvertreter aus Syrien in all
ihren Statements dieer Wochen an den Tag legen. Hier auf der Konferenz zum Arabischen
Frühling in Rom haben wir gehört, dass es verschiedene Positionen der syrischen Christen
gibt: diejenigen, die mit dem Regime sind, diejenigen, die die Opposition unterstützen
und eben auch viele Kirchenvertreter, die sich sehr zurückhalten. Wie nehmen Sie die
Situation der Christen und der Kirche in Syrien wahr?
„Die Kirche in Syrien
hat Angst, deutlicher zu sprechen. Vielleicht hätte sie sagen sollen: Wir sind für
Frieden und Demokratie. Es ist besser, das zu sagen! Aber nun hat sie Angst, gegen
das Regime zu sprechen, weil sie Angst vor Unterdrückung hat. Sie sagt also: Wir sind
für Reformen! Das ist gut. Es ist ein klarer Ausdruck dafür, dass das alte Regime
kein gerechtes war. Sie ist also für Reformen. Als ein erster Schritt ist das gut,
besser als Revolution, denn wir wissen nicht, was danach passieren wird... Aber vielleicht
können wir hoffen, dass, wenn die alawitische Führung fällt, dann alle Gruppen, nicht
nur die islamischen, sondern auch die zivilen Parteien, kooperieren können, um zu
einem gerechten, nicht extremistischen Regime, zu finden.“
Viele Christen
haben Angst, dass mit einem Sturz des al-Assad-Regimes eine dunkle Zukunft für sie
anbricht. Eine Angst, die auch in anderen Ländern des Arabischen Frühlings akut ist.
Was sagen Sie diesen Christen, geht es Ihnen ähnlich?
„Das ist Angst vor
der Zukunft. Natürlich können wir diese Angst rechtfertigen, aber wir können doch
nicht sicher sein, dass die nächsten Entwicklungen wirklich eine echte Gefahr für
die Christen darstellen. Wie wir es von den Vertretern der verschiedenen Umbruchsbewegungen
hier in Rom gehört haben – im Fall Syrien sagen sie: Nein, ihr braucht keine Angst
zu haben, denn alle Parteien und Interessengruppen werden in der neuen Regierung vertreten
sein.“
Und Sie teilen also diese Ansicht?
„Die Christen brauchen
keine Angst zu haben, ich bin da optimistisch! Ich sehe, dass ein neues Regime mehr
Gerechtigkeit in Syrien bringen würde, als es beim alten der Fall ist.“ Es
heißt, Papst Benedikt XVI. werde noch in diesem Jahr den Libanon besuchen. Eine offizielle
Bestätigung der Reise von Vatikanseite gab es noch nicht, Benedikt würde bei seiner
Visite das Postsynodale Schreiben zur Nahost-Synode im Vatikan übergeben. Was würden
Sie sich von einem Besuch des Papstes im Libanon wünschen?
„Das wäre der
zweite Besuch eines Papstes. Papst Johannes Paul II. hat ja auch den Libanon besucht.
Und es war sehr interessant für uns, ihn über die Mission unseres Landes sprechen
zu hören. Im Libanon wird dieser Aufruf von allen wiederholt: Libanon ist nicht nur
ein Land, Libanon ist eine Mission, ein Zusammenleben zwischen verschiedenen Religionen
und verschiedenen Zivilisationen. Deshalb hoffen wir, dass auch Papst Benedikt XVI.
über die gute Beziehung zwischen Christen und Moslems sprechen wird. Seine Anwesenheit
im Libanon wird die Präsenz der Christen und ihre Rolle im Libanon und im Nahen Osten
betonen.“