Auf der Sitzung des
UNO-Menschenrechtsrates in Genf hat der Heilige Stuhl für die Einrichtung einer humanitären
Hilfsbrücke nach Syrien gedrängt. Während das Assad- Regime im Land weiter massiv
gegen die Opposition vorging, forderte die Mehrheit der 47 Mitgliedsstaaten Damaskus
in einem Resolutionsentwurf dazu auf, zumindest den Hilfsorganisationen Zugang zur
Bevölkerung im Land zu gewähren. Der Vatikan-Beobachter bei den Vereinten Nationen
in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, brachte in die Sitzung des Menschenrechtsrates
den Appell Papst Benedikts ein. Er fasst im Interview mit Radio Vatikan zusammen: „Der
Heilige Stuhl hat sich in Genf für humanitäre Lösungen ausgesprochen und seine Sorge
um die Opfer der Gewalt in Syrien zum Ausdruck gebracht. Wir rufen dringend dazu auf,
die Gewalt zu stoppen und den Weg zu öffnen für Dialog, Versöhnung und eine ehrliche
Suche nach Frieden. Wir haben in den letzten Jahrzehnten oft genug gesehen, dass Gewalt
neue Gewalt hervorbringt. Und es ist nie zu spät, Gewaltanwendung zu unterbinden!
Weiter fordern wir eine konkrete Möglichkeit, humanitäre Hilfen, Medizin und Ärzte
zu den verletzten oder kranken Menschen in die Gegenden bringen zu können, die noch
unter Beschuss sind, so etwa nach Homs.“ Der Heilige Stuhl habe in Genf auch
seine Sorge um die Zukunft des interreligiösen Zusammenlebens in Syrien zum Ausdruck
gebracht, berichtet Erzbischof Tomasi weiter. Das Land könne auf eine lange Tradition
eines im Großen und Ganzen friedlichen Zusammenlebens zurückblicken. Man müsse mit
allen gesellschaftlichen Gruppen und den religiösen Minderheiten – mit Sunniten, Schiiten,
Alawiten, Kurden und Christen – nach einer Zukunft für Syrien suchen, erinnert der
Vatikanvertreter. Sonst drohe ein Horror-Szenario für religiöse Minderheiten wie derzeit
im Irak. Überhaupt dürfe man jetzt keine Schnellschüsse machen, warnt Tomasi, es brauche
bedachte Lösungen mit Weitblick:„Ich denke, es wäre wirklich verantwortungslos,
wenn man nur an eine schnelle politische Veränderung denken würde, ohne sich gleichzeitig
eine alternative Führung des Landes vorzustellen und dabei eben auch die Beziehungen
zwischen den gesellschaftlichen Gruppen in Syrien zu bedenken. Dabei muss es darum
gehen, weiteres Blutvergießen zu verhindern und ebenso Flüchtlingsströme, für die
die internationale Gemeinschaft dann Verantwortung übernehmen müsste.“Im Vergleich
zu anderen Ländern des so genannten „Arabischen Frühlings“ sei die Lage in Syrien
weitaus komplizierter, fügt der Erzbischof an. Die ganze Region sei politisch und
kulturell ein delikates Gefüge; eine Eskalation in Syrien würde das interne Gleichgewicht
des ganzen Nahen Ostens in Bewegung bringen. Das Regime in Syrien begehe in den Augen
der Internationalen Gemeinschaft "systematische Menschenrechtsverletzungen". Doch
auch wenn der Wille zu einem „klaren Signal“ an die syrischen Autoritäten stark sei
– die tatsächlichen Eingriffsmöglichkeiten der Staatengemeinschaft seien sehr beschränkt,
gibt Tomasi zu bedenken:„Es scheint in dieser Situation weder ein humanitärer noch
ein militärischen Eingriff möglich, wie er in anderen Ländern durchgeführt wurde.
Man muss deshalb den Weg der Überzeugung und der Versöhnung suchen und daran erinnern,
die Konsequenzen der Krise auf die Zukunft nicht zu ignorieren. Die Internationale
Gemeinschaft sollte weiter über gerichtliche und gesetzliche Wege die Verantwortung
für diejenigen einfordern, die leiden.“ Der Vatikan hat eine Hoffnung auf ein
Einlenken des syrischen Regimes nicht aufgegeben, so könnte man den Erzbischof hier
verstehen. (rv 01.03.2012 pr)