2012-02-23 08:59:42

„Staub bist du“: Die Papst-Predigt am Aschermittwoch


Wir dokumentieren hier den vollen Text der Papstpredigt in der römischen Basilika Santa Sabina bei der Aschermittwochs-Messe am Mittwoch Nachmittag in einer eigenen Übersetzung von Radio Vatikan. Die offizielle deutsche Übersetzung wird in Kürze vom „Osservatore Romano“ veröffentlicht, u.a. auf der Homepage vatican.va.

„Liebe Kardinäle, liebe Schwestern und Brüder,

Am heutigen Tag der Buße und des Fastens – dem Aschermittwoch – machen wir uns erneut auf den Weg hin zum Paschafest der Auferstehung: Der Weg der österlichen Bußzeit. Ich möchte kurz über die Bedeutung des liturgischen Symbols der Asche nachsinnen, eines stofflichen Symbols, einem Element der Natur, das in der Liturgie zu einem heiligen Zeichen wird mit einer hohen Bedeutung an diesem Tag, an dem der Weg der österlichen Bußzeit beginnt. Einst war in der jüdischen Kultur das Bestreuen des Hauptes mit Asche als Zeichen der Buße üblich, und oft kleidete man sich auch mit einem Sack oder Lumpen. Für uns Christen hingegen, gibt es nur dieses eine Element, das gleichwohl eine große rituelle und spirituelle Bedeutung hat.

Zunächst einmal ist die Asche eines jener stofflichen Symbole, die den Kosmos in das Innere der Liturgie tragen. Die wichtigsten Symbole sind offensichtlich die der Sakramente: das Wasser, das Öl, das Brot und der Wein, die alle zu sakramentaler Materie im eigentlichen Sinn wird, einem Instrument, durch das die Gnade Christi vermittelt wird und bis zu uns gelangt. Im Fall der Asche handelt es sich hingegen um ein nicht-sakramentales Zeichen, das gleichwohl immer an das Gebet und die Heiligung des christlichen Volkes gebunden bleibt: In der Tat ist vor der individuellen Spendung durch das Streuen auf das Haupt eine besondere Segnung der Asche vorgesehen – die wir bald vollziehen werden – mit zwei möglichen Formeln zur Auswahl. In der ersten wird die Asche als „nüchternes Symbol“ bezeichnet; in der zweiten wird direkt der Segen auf sie herabgerufen mit Bezug auf einen Text aus dem Buch der Genesis, der auch die Spendung des Aschenkreuzes begleiten kann: „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19).

Halten wir einen Moment bei dieser Passage des Buchs Genesis inne. Er beschließt das Urteil Gottes nach dem Sündenfall: Gott verflucht die Schlange, die den Mann und die Frau zur Sünde verführt hat; dann bestraft er die Frau und kündigt ihr die Schmerzen der Geburt an und eine aus den Fugen geratene Beziehung zu ihrem Mann; schließlich bestraft er den Mann und verheißt ihm die Mühen der Arbeit und verflucht den Ackerboden. „So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen“ (Gen 3,17), wegen deiner Sünde. Also sind der Mann und die Frau, anders als die Schlange, nicht direkt verflucht, sondern wegen der Sünde Adams ist der Ackerboden verflucht, aus dem er gebildet worden war. Hören wir noch einmal den wundervollen Bericht der Erschaffung des Menschen aus Erde: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.“ (Gen 2,7-8)

Das Symbol der Asche führt also zurück zu jenem großen Fresko der Schöpfung, von der gesagt wird, dass in ihr der Mensch eine einzigartige Einheit von Materie und göttlichem Hauch ist, und zwar im Bild des Staubes der Erde, der von Gott geformt und belebt wird durch seinen Atem, den er dem neuen Geschöpf durch die Nasenflügel einhaucht. Wir sehen, dass in der Erzählung der Genesis das Symbol des Staubs eine negative Wandlung erfährt wegen der Sünde. Während vor dem Sündenfall der Ackerboden eine absolut gute Potenzialität ist, die getränkt wird durch eine Wasserquelle (Gen 2,6) und die in der Lage ist, „allerlei Bäume wachsen zu lassen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten,“ (Gen 2,9), wird er nach dem Sündenfall und der darauf folgenden göttlichen Verfluchung „Dornen und Disteln“ hervorbringen, und nur unter „Schmerzen“ und „im Schweiße seines Angesichts“ wird er dem Menschen seine Früchte gewähren (Vgl. Gen 3.,17-18). Der Staub der Erde erinnert nicht mehr an das Schöpfungshandeln Gottes, das ganz offen ist auf das Leben, sondern wird zu einem Zeichen des unausweichlichen Todesschicksals: „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19).

Es ist offensichtlich, dass im biblischen Text die Erde am Schicksal des Menschen teil hat. Dazu sagt der hl. Johannes Chrysostomus in einer seiner Predigten: „Schau wie nach seinem Ungehorsam alles dem Menschen aufgebürdet wird, und zwar in entgegengesetzter Weise zu seinem vorhergehenden Lebensstil“ (Homilie zu Genesis 17,9; PG 53, 146). Diese Verfluchung des Ackerbodens hat die Funktion einer Arznei für den Mensch, dem durch den „Widerstand“ der Erde dabei geholfen werden soll, innerhalb seiner Grenzen zu bleiben und die eigene Natur anzuerkennen (vgl. ebd.). Und so drückt sich zusammenfassend ein anderer alter Kommentar aus: „Adam wurde von Gott rein geschaffen zu seinem Dienst. Ihm wurden alle Geschöpfe gewährt, um ihm zu dienen. Er war dazu bestimmt, Herr und König aller Geschöpfe zu sein. Als aber das Böse sich ihm näherte und mit ihm Umgang hatte, empfing er dieses Böse durch ein äußeres Hören. Dann drang es in sein Herz ein und bemächtigte sich seines ganzen Seins. Als er auf diese Weise in Gefangenschaft geriet, wurde die Schöpfung, die ihm beigestanden und gedient hatte, mit ihm gefangen genommen.“ (Pseudo-Makarios, Homilien 11,5; PG 34, 547)

Wir sagten eben, den hl. Chrysostomus zitierend, dass die Verfluchung des Ackerbodens eine „medizinische“ Funktion hat. Das bedeutet: die Absicht Gottes, der immer Gutes tut, reicht tiefer als sein eigener Fluch. Der Fluch nämlich ist nämlich nicht Gott geschuldet, sondern der Sünde. Aber Gott ist außerstande, den Menschen nicht zu strafen mit seinem Fluch, weil er die Freiheit des Menschen und ihre Konsequenzen respektiert, auch wenn sie negativ sind. Also bleibt auch in der Bestrafung und in der Verfluchung des Ackerbodens zuinnerst eine gute Absicht gewahrt, die von Gott kommt. Wenn Er zum Menschen spricht: „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“, dann will er zusammen mit der gerechten Strafe auch einen Weg des Heils aufzeigen, der eben gerade durch die Erde führt, durch jenen „Staub“, jenes „Fleisch“, das das Wort annehmen wird. In diese Heilsperspektive werden die Worte aus dem Buch Genesis in der Liturgie des Aschermittwochs aufgegriffen: Als Einladung zur Buße, zur Demut, zur Bewusstwerdung der eigenen Sterblichkeit, aber nicht, um den Menschen in Verzweiflung enden zu lassen, sondern damit er, gerade in seiner Sterblichkeit, die unvorstellbare Nähe Gottes aufnehmen kann, der jenseits des Todes den Weg eröffnet zur Auferstehung und zum endlich wiedergefundenen Paradies. In diese Richtung geht ein Text von Origenes, der sagt: „Was zu Beginn Fleisch war, von der Erde, ein Mensch aus Staub (vgl. 1 Kor 15,47), und der durch den Tod vernichtet wird und wieder zu Staub und Asche wird – in der Tat steht geschrieben: Staub bist du, zum Staub musst du zurück – das wird neu geboren aus der Erde. Danach schreitet die Person voran auf dem Weg zur Herrlichkeit eines geistlichen Körpers, je nach den Verdiensten der Seele, die den Leib bewohnt.“ (Über die Anfänge, 3,6,5: Sch 268,248)

Die „Verdienste der Seele“, von denen Origenes spricht, sind notwendig; aber entscheidend sind die Verdienste Christi, die Wirksamkeit seines österlichen Mysteriums. Der heilige Paulus bietet uns eine Zusammenfassung in der zweiten Lesung: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.“ (2 Kor 5,21) Die Möglichkeit göttlicher Vergebung hängt für uns wesentlich davon ab, dass Gott selbst unser menschliches Dasein, nicht aber die Verderbnis der Sünde hat teilen wollen. Und der Vater hat ihn auferweckt in der Kraft seines Heiligen Geistes, und so wird Jesu, der neue Adam, zum „lebenspendenden Geist“ (1 Kor 15,45), Erstlingsgabe der neuen Schöpfung. Derselbe Geist, der Jesus von den Toten auferweckt hat, kann unsere Herzen aus Stein wandeln zu Herzen aus Fleisch (vgl. Ez 36,26). Wir haben darum gebetet mit dem Psalm Miserere: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz / und gib mir einen neuen, beständigen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht / und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!“ (Ps 51(50), 12-13). Jener Gott, der die Ureltern aus Eden vertrieben hat, hat seinen eigenen Sohn in die von der Sünde zerstörte Welt gesandt und hat ihn nicht geschont, auf dass wir verlorenen Söhne geläutert und erlöst durch seine Barmherzigkeit heimkehren können in unsere wahre Heimat. Und so sei es für einen jeden von uns, für alle Gläubigen, und für alle Menschen, die sich in Demut als des Heils bedürftig erkennen.
Amen.”
(rv 23.02.2012 sk)








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