Afghanistan: „Muslime würden nie Bibel verbrennen“
In Afghanistan hält
die Wut auf US-amerikanische Soldaten an, nachdem einige von ihnen angeblich Koranausgaben
verbrannt haben. Medien berichten von mehreren Verletzten bei den Protesten in der
Hauptstadt Kabul. Muslime identifizieren sich mit ihren heiligen Zeichen –und vor
allem mit den Koranexemplaren – so sehr, dass eine Verletzung der Heiligkeit einen
sogenannten „heiligen Zorn“ entzündet. Das erklärt im Gespräch mit Radio Vatikan der
Islamkenner und Jesuitenpater Felix Körner von der Päpstlichen Universität Gregoriana.
„Muslime
fühlen sich dann geradezu verpflichtet und nicht nur berechtigt, die Heiligkeit Gottes
und seines Wortes wieder herzustellen, indem dieser angebliche Frevel wieder gut gemacht
wird durch eine zornige und leider oft gewalttätige Antwortaktion.“
Zwar
könne man die wütende Reaktion der Muslime verstehen, aber dies bedeute nicht, solche
Proteste gutzuheißen oder zu verteidigen, fügt Islamexperte Körner an.
„Muslimische
Freunde haben mir schon oft persönlich gesagt, sie verstehen gar nicht, wie Christen
das, was Muslimen heilig ist, so schänden können. Denn, so ihre interessante Begründung:
Muslime würden nie so etwas machen. Sie würden nie bei uns den Propheten Jesus, wie
sie sagen, beleidigen. Ich weiß übrigens auch von keiner islamischen Bibelverbrennung.
Selbstverständlich müssen wir dazu sagen, dass da oft die Kriterien etwas durcheinander
kommen, denn man schützt das Heilige, wie man es islamischerseits empfindet, auf Kosten
dessen, was eigentlich jedem Menschen heilig sein sollte, nämlich die persönliche
Unversehrtheit, das Leben und die Freiheit von Menschen.“
Die jüngere Geschichte
habe leider schon einige große muslimische Proteste gezeigt, die sehr gewalttätig
waren, so Pater Körner. Man denke hier nur an die Reaktionen im Karikaturenstreit
in Dänemark oder auf die Regensburger Rede des Papstes. Falls in Afghanistan US-Soldaten
wirklich Koranexemplare verbrannt hätten, dann müssten die USA schnell reagieren.
„Es
wäre in diesem Fall angezeigt, von amerikanischer Seite deutlich zu machen, falls
das wirklich stattgefunden hat, wie die Leitung der US-Armee zu diesen Fällen steht.
Das würde dann heißen, dass sie sich ganz deutlich davon distanzieren sollte. Aber
falls diese Koranverbrennung gar nicht stattgefunden haben sollte, dann müsste ganz
klar gesagt werden, dass es sich lediglich um ein Gerücht handelt und dass die US-Armee
ihren Soldaten deutlich mitteilt, dass sie in Afghanistan Respekt zeigen müssen.“
Der
Oberkommandierende der internationalen Truppe in Afghanistan, General John Allen,
hat vorsichtshalber schon mal um Entschuldigung gebeten, falls es wirklich zu Verbrennungen
von Koranexemplaren gekommen sein sollte. Diese sei aber, wenn überhaupt, auf jeden
Fall „irrtümlich“ geschehen, fügte General Allen nach Angaben von Reuters an.
Hintergrund Afghanische
Arbeiter hatten beim Durchwühlen einer Abfallhalde auf dem Stützpunkt Bagram verkohlte
Exemplare des Koran gefunden. Sie folgten daraus, dass US-Soldaten dies Exemplare
verbrannt hätten. Die Armeeführung erklärte daraufhin, die Soldaten hätten „extremistische
Literatur“ und anderes Material, das in der Bibliothek zurückgeblieben war, einfach
entsorgt, ohne genauer auf den Inhalt der Abfälle zu achten.