2012-02-15 11:28:47

Sudan-Südsudan: „Kriegstrommeln“


RealAudioMP3 Die Tinte unter einem beiderseitigen Nichtangriffspakt war noch nicht ganz trocken, da gab es an diesem Sonntag wieder einen militärischen Zwischenfall: Militärflugzeuge des Sudan flogen einen Angriff im Südsudan. Seit seiner Unabhängigkeit vor noch nicht einmal einem Jahr droht dem Südsudan, in dem vor allem Christen und Anhänger von Naturreligionen leben, weiterhin ein größerer Waffengang mit dem mehrheitlich muslimischen Norden. Der Erzbischof der (neuen) Hauptstadt Juba, Paulino Lukudu Loro, sieht das mit Sorge:



„Die Lage ist im Moment wirklich alles andere als ruhig, weil viele Probleme zwischen Nord und Süd weiter ungelöst sind. Auch der Nichtangriffspakt vom Freitag wird uns aus meiner Sicht nicht vor weiteren Aggressionen bewahren: Nein, die Lage ist wirklich nicht normal.“



Besonders besorgt ist Erzbischof Lukudu Loro über das Schicksal von Menschen aus dem Südsudan, die im Norden leben. Viele von ihnen sind christliche Flüchtlinge aus der Zeit des Bürgerkriegs, die es in die Region um die Hauptstadt Khartum verschlagen hat.



„Die Regierung des Südsudan hat versichert, dass sie den Sudanesen, die aus dem Norden stammen, aber im Süden leben, nichts tun wird – und wir nehmen ihr das ab, denn die Leute haben mit ihnen überhaupt keine Schwierigkeiten. Die Bewohner des Südsudan hingegen, die im Norden sind, fühlen sich alles andere als sicher; unsere Priesteramtskandidaten aus dem Süden studieren am Priesterseminar von Khartum, und wir sind uns ihrer Sicherheit überhaupt nicht gewiß.“



Die Bischöfe im Südsudan machen aber keine Anstalten, ihre künftigen Priester aus dem Norden zurückzuholen: Die Bischofskonferenz des Sudan ist weiterhin eine einzige, daran wollen sie nicht rütteln lassen. Größter politischer Streitpunkt zwischen Nord und Süd ist das Öl: Vereinfacht gesagt liegen die wichtigsten Vorkommen im Süden, verarbeitet wird es aber im Norden. Fast vierzig Prozent des Staatshaushalts des Sudan (also des Nordens) wurden bisher von den im Süden sprudelnden Ölquellen gespeist.



„Es hat sich herausgestellt, dass der Südsudan in dieser Öl-Angelegenheit deutlich hereingelegt worden ist! Darum besteht die Regierung des Südsudan jetzt auf gerechten Abkommen mit dem Norden über das Öl. Der Übergang, dass das Öl aus Südsudan nach Norden in die Raffinerien kommt, scheint mir nicht ganz normal; der Südsudan droht deswegen mit einer Ölblockade, und gleichzeitig werden Abkommen geschlossen, um eine Straßenverbindung vom Südsudan nach Uganda, in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba und nach Kenia zu schaffen.“



Sprich: Der Süden will auch von seiner Infrastruktur her unabhängig werden. Dass es aber auch Pläne gibt, das Öl künftig nicht mehr im Norden verarbeiten zu lassen, das macht nicht nur die Nord-Hauptstadt Khartum nervös, sondern auch China: Schließlich hat China viele Raffinerien und Fabriken gebaut und kräftig ins sudanesische Öl investiert. Ist ein Krieg zwischen Sudan und Südsudan überhaupt noch zu vermeiden? Erzbischof Lukudu Loro:



„Als ein Mann des Glaubens kann ich sagen: Wir haben schon viel schlimmere Situationen erlebt. Natürlich, es gibt Spannungen, die müssen gelöst werden. Aber ich hoffe doch, dass das ohne einen Krieg gelingt. Ich hoffe, dass die Kriegstrommeln bald wieder verstummen!“



Das hofft auch der aus Ghana stammende Kardinal Peter Appiah Turkson, der im Vatikan den Päpstlichen Friedensrat leitet. Sehr optimistisch ist Turkson allerdings nicht:



„Es sieht so aus, als wolle die Regierung im Norden den Süden nicht wirklich ziehen lassen, als wolle sie den Süden in Wirklichkeit behalten. Das ist die Grundschwierigkeit, und das übersetzt sich in immer neue Streitigkeiten. Selbst die Grenze zwischen Nord und Süd ist ja noch nicht endgültig gezogen: Der Norden erklärt, wenn der Süden ein umstrittenes Gebiet an der Grenze besetze, dann bedeute das Krieg. Schlimmer ist noch der Eindruck, dass sich eine Regierung von außerhalb – sagt man – der Präsenz von Kämpfern der Lord‘s Resistance Army bedient. Diese Kämpfer ziehen herum, töten Menschen, brennen Kirchen nieder usw.



Die Lord‘s Resistance Army - zu Deutsch: „Widerstandsarmee des Herrn“ - ist eine sektenähnliche Rebellengruppe, die den Norden von Uganda in Angst und Schrecken versetzt. Berüchtigt sind ihre Entführungen von Kindern. Die Gruppe hat offenbar ein Rückzugsgebiet ganz unten im Südsudan, in der Nähe der Grenze zu Uganda. Kardinal Turkson:



Ich hoffe sehr, dass es dem Südsudan gelingt, auf eigene Füße zu kommen; aber wie wir wissen, besteht der Südsudan aus einer Reihe von Stämmen, und darum gibt es die Möglichkeit, dass jemand von außen diese Stämme gegeneinander aufhetzt, um dadurch einen Krieg zu provozieren.“



(rv 15.02.2012 sk)









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