Die Tinte unter einem
beiderseitigen Nichtangriffspakt war noch nicht ganz trocken, da gab es an diesem
Sonntag wieder einen militärischen Zwischenfall: Militärflugzeuge des Sudan flogen
einen Angriff im Südsudan. Seit seiner Unabhängigkeit vor noch nicht einmal einem
Jahr droht dem Südsudan, in dem vor allem Christen und Anhänger von Naturreligionen
leben, weiterhin ein größerer Waffengang mit dem mehrheitlich muslimischen Norden.
Der Erzbischof der (neuen) Hauptstadt Juba, Paulino Lukudu Loro, sieht das mit Sorge:
„Die
Lage ist im Moment wirklich alles andere als ruhig, weil viele Probleme zwischen Nord
und Süd weiter ungelöst sind. Auch der Nichtangriffspakt vom Freitag wird uns aus
meiner Sicht nicht vor weiteren Aggressionen bewahren: Nein, die Lage ist wirklich
nicht normal.“
Besonders besorgt ist Erzbischof Lukudu
Loro über das Schicksal von Menschen aus dem Südsudan, die im Norden leben. Viele
von ihnen sind christliche Flüchtlinge aus der Zeit des Bürgerkriegs, die es in die
Region um die Hauptstadt Khartum verschlagen hat.
„Die Regierung
des Südsudan hat versichert, dass sie den Sudanesen, die aus dem Norden stammen, aber
im Süden leben, nichts tun wird – und wir nehmen ihr das ab, denn die Leute haben
mit ihnen überhaupt keine Schwierigkeiten. Die Bewohner des Südsudan hingegen, die
im Norden sind, fühlen sich alles andere als sicher; unsere Priesteramtskandidaten
aus dem Süden studieren am Priesterseminar von Khartum, und wir sind uns ihrer Sicherheit
überhaupt nicht gewiß.“
Die Bischöfe im Südsudan machen
aber keine Anstalten, ihre künftigen Priester aus dem Norden zurückzuholen: Die Bischofskonferenz
des Sudan ist weiterhin eine einzige, daran wollen sie nicht rütteln lassen. Größter
politischer Streitpunkt zwischen Nord und Süd ist das Öl: Vereinfacht gesagt liegen
die wichtigsten Vorkommen im Süden, verarbeitet wird es aber im Norden. Fast vierzig
Prozent des Staatshaushalts des Sudan (also des Nordens) wurden bisher von den im
Süden sprudelnden Ölquellen gespeist.
„Es hat sich herausgestellt,
dass der Südsudan in dieser Öl-Angelegenheit deutlich hereingelegt worden ist! Darum
besteht die Regierung des Südsudan jetzt auf gerechten Abkommen mit dem Norden über
das Öl. Der Übergang, dass das Öl aus Südsudan nach Norden in die Raffinerien kommt,
scheint mir nicht ganz normal; der Südsudan droht deswegen mit einer Ölblockade, und
gleichzeitig werden Abkommen geschlossen, um eine Straßenverbindung vom Südsudan nach
Uganda, in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba und nach Kenia zu schaffen.“
Sprich: Der Süden will auch von seiner Infrastruktur her unabhängig
werden. Dass es aber auch Pläne gibt, das Öl künftig nicht mehr im Norden verarbeiten
zu lassen, das macht nicht nur die Nord-Hauptstadt Khartum nervös, sondern auch China:
Schließlich hat China viele Raffinerien und Fabriken gebaut und kräftig ins sudanesische
Öl investiert. Ist ein Krieg zwischen Sudan und Südsudan überhaupt noch zu vermeiden?
Erzbischof Lukudu Loro:
„Als ein Mann des Glaubens kann ich sagen:
Wir haben schon viel schlimmere Situationen erlebt. Natürlich, es gibt Spannungen,
die müssen gelöst werden. Aber ich hoffe doch, dass das ohne einen Krieg gelingt.
Ich hoffe, dass die Kriegstrommeln bald wieder verstummen!“
Das
hofft auch der aus Ghana stammende Kardinal Peter Appiah Turkson, der im Vatikan den
Päpstlichen Friedensrat leitet. Sehr optimistisch ist Turkson allerdings nicht:
„Es
sieht so aus, als wolle die Regierung im Norden den Süden nicht wirklich ziehen lassen,
als wolle sie den Süden in Wirklichkeit behalten. Das ist die Grundschwierigkeit,
und das übersetzt sich in immer neue Streitigkeiten. Selbst die Grenze zwischen Nord
und Süd ist ja noch nicht endgültig gezogen: Der Norden erklärt, wenn der Süden ein
umstrittenes Gebiet an der Grenze besetze, dann bedeute das Krieg. Schlimmer ist noch
der Eindruck, dass sich eine Regierung von außerhalb – sagt man – der Präsenz von
Kämpfern der Lord‘s Resistance Army bedient. Diese Kämpfer ziehen herum, töten Menschen,
brennen Kirchen nieder usw.“
Die Lord‘s Resistance
Army - zu Deutsch: „Widerstandsarmee des Herrn“ - ist eine sektenähnliche Rebellengruppe,
die den Norden von Uganda in Angst und Schrecken versetzt. Berüchtigt sind ihre Entführungen
von Kindern. Die Gruppe hat offenbar ein Rückzugsgebiet ganz unten im Südsudan, in
der Nähe der Grenze zu Uganda. Kardinal Turkson:
„Ich hoffe
sehr, dass es dem Südsudan gelingt, auf eigene Füße zu kommen; aber wie wir wissen,
besteht der Südsudan aus einer Reihe von Stämmen, und darum gibt es die Möglichkeit,
dass jemand von außen diese Stämme gegeneinander aufhetzt, um dadurch einen Krieg
zu provozieren.“