Kardinal Koch: „Bei ethischen Fragen mit einer Stimme sprechen“
Die christlichen Kirchen
müssen in ethischen Fragen endlich mit einer Stimme sprechen. Das hat der vatikanische
Ökumene-Verantwortliche Kardinal Kurt Koch angemahnt. Der Schweizer Kurienkardinal
ist Hauptreferent einer großen internationalen Ökumene-Tagung in Innsbruck, die noch
bis Mittwoch geht. Im Gespräch mit Kathpress sagte Koch am Rande der Tagung, dass
sich alle Kirchen für den Schutz des menschlichen Lebens von dessen Anfang bis zu
dessen Ende einsetzen sollten.
„Doch da haben wir hinsichtlich der
Frage der Stammzellforschung, der Abtreibung oder auch der Euthanasie – so glaube
ich zumindest – nicht jene einmütige Stimme, die wir in der Gesellschaft haben müssten.“
Dasselbe gelte auch für die Bereiche Ehe und Familie und Homosexualität,
fügte Kardinal Koch an. Ökumene decke einfach viele Bereiche ab und sei nicht nur
für Experten wichtig.
„Ökumene ist nämlich nicht ein Hobby von Spezialisten
und besonderen Liebhabern, sondern etwas, was sich aus dem Christsein selbst heraus
ergibt. Dieses Bewusstsein ist meines Erachtens noch nicht so vorhanden, und da würde
die besondere Verantwortung von Menschen in den Pfarreien, die also in einem besonderen
Dienst stehen, darin bestehen, dieses Bewusstsein zu vertiefen und zu verbreiten.“
Während in einer früheren Phase der ökumenischen Bewegung das Losungswort
geheißen habe: „Glaube trennt - Handeln vereint“, werde dieses heute gleichsam auf
den Kopf gestellt. Dazu Koch:
„Eines der heutigen Probleme ist, dass
wir zwar viele ökumenische Papiere haben, dass diese aber nicht von den Kirchenleitungen
anerkannt sind. Das ist der große Vorteil der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre
von Augsburg. Sie wurde vom Lutherischen Weltbund und von Rom angenommen. Deshalb
schwebt mir eine neue Erklärung auf dieser Ebene vor - weil erst dann richtige Schritte
unternommen werden können.“
Gegenwärtig sei es vor allem die
Ethik, an der sich die Geister schieden, so Koch - der Glaube aber verbinde. Da hinter
unterschiedlichen Sichtweisen zumeist Fragen des Menschenbildes stehen, sieht der
Kurienkardinal auch die Ausarbeitung einer „gemeinsamen christlichen Anthropologie“
als eine große Aufgabe in der Ökumene:
„Das ist eine schwierige, aber
schöne Arbeit. Wir haben keine Alternative. Die Einheit ist der Wille des Herrn und
zu dem können wir keine Alternative finden. Die katholische Kirche hat sich, wie Papst
Johannes Paul II. gesagt hat, definitiv und irreversibel für diesen Weg entschieden,
deshalb müssen wir ihn weitergehen - mit allen Pannen, die geschehen können.“
Gespräche mit Orthodoxen
Zum Dialog mit der orthodoxen
Kirche räumte Koch ein, dass die Gespräche der offiziellen katholisch-orthodoxen Dialogkommission
zuletzt ins Stocken geraten waren. Die letzte Vollversammlung der Dialogkommission
hatte sich im September 2010 in Wien mit der Rolle des Bischofs von Rom in der Gemeinschaft
der Kirche des ersten Jahrtausends befasst. Es war aber in Wien nicht möglich, Übereinstimmung
über ein gemeinsames Dokument zu finden.
„Es ist sicher kein Zufall,
dass bei der Primatsfrage und der Bedeutung der Rolle des Bischofs von Rom große Hindernisse
im Dialog entstehen. Das ist wirklich die einzige Frage, die uns von den Orthodoxen
trennt. Dass das sehr viel Arbeit braucht, das ist nicht erstaunlich.“
Die orthodoxe Seite habe auch erklärt, in der Weiterarbeit an dieser historischen
Frage keinen Sinn mehr zu sehen, deutete Koch an.
„Auf der anderen Seite
muss man auch sehen, dass die orthodoxen Kirchen heute in einer nicht leichten Situation
sind. Der Großteil ihrer Gläubigen lebt nicht mehr in ursprünglich orthodoxen Ländern,
sondern in der Diaspora. Wir haben orthodoxe Kirchen in Österreich mit einem neuen
Bischof. Auch in Amerika gibt es beispielsweise sehr viele orthodoxe Kirchen, und
dasselbe gilt auch für Westeuropa. Das ist eine ganz große Herausforderung für die
orthodoxen Kirchen, die es gewohnt sind, in orthodoxen Ländern bestimmend zu sein.
Ein weiterer Punkt ist die panorthodoxe Synode. Sie haben seit der Kirchenspaltung
keine Konzilien mehr durchgeführt. Von daher, denke ich, müssen wir Katholiken sehr
viel Geduld mit den Orthodoxen haben und sie nicht drängen.“