2012-02-09 14:16:54

Vatikananwalt: „Von einer Kultur des Schweigens wegkommen“


RealAudioMP3 Der Vatikanbeauftragte für die Ahndung von Missbrauchsfällen, Charles Scicluna, hat sich scharf gegen Vertuschung von Missbrauch in der Kirche gewandt. Die Kirche müsse endgültig von einer „Kultur des Schweigens“ loskommen, fordert der maltesische Priester und Kirchenrechtler; er arbeitet an der Glaubenskongregation und ist einer der Hauptrelatoren bei dem internationalen Kongress über Missbrauch in der Kirche an der Päpstlichen Universität Gregoriana.


„Wir müssen von einer Kultur des Schweigens wegkommen. Und dort, wo es diese Kultur des Schweigens noch gibt, müssen wir sie als das bezeichnen, was sie ist: ein Feind der Wahrheit und ein Feind der Gerechtigkeit.“


Ungefähr 4.000 Missbrauchsfälle wurden zwischen 2001 und 2011 der Glaubenskongregation gemeldet, berichtete Scicluna. Viele davon hätten sich allerdings nicht in diesem Zeitraum zugetragen, sondern seien erheblich älter. Es habe sich eine neue Sensibilität für Missbrauch gebildet, die Scicluna ausdrücklich lobte.


„Dort, wo örtliche Bischofkonferenzen eine Missbrauchspolitik einführten, haben wir immer zuerst ein Hochschnellen der Anzeigen registriert, dann ein Abflauen. Zuerst kommen immer relativ alte Fälle herein, die genau deshalb dringend sind: denn je länger sie zurückliegen, desto dringender braucht es ein Handeln für die Opfer und für die Täter. Zuerst ganz viele Anzeigen, dann immer weniger - das traf erst auf die USA zu und jetzt auf die europäischen Länder. Das ist der Effekt einer neuen Sensibilität, die dann zu Aufdeckung führt. Und das ist positiv.“


Jede Bischofskonferenz müsse selbst eine Regelung treffen, wie sie mit Missbrauchsfällen umgeht, betonte Scicluna. Das könne nicht zentral vom Heiligen Stuhl vorgegeben werden, weil es die zivile Rechtsprechung des jeweiligen Landes zu beachten gelte; „wir respektieren hier das Prinzip der Souveränität“, unterstrich der Kirchenrechtler. Auch der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, hatte die Bischofskonferenzen in seinem Eröffnungsvortrag zur Missbrauchskonferenz weltweit zu mehr Eigeninitiative beim Erstellen von Richtlinien im Umgang mit sexuellem Missbrauch aufgefordert. Der Kirchenrechtler Scicluna gibt dann aber doch eine Empfehlung ab:


„Ich denke dass es klug wäre, in den Richtlinien auch die Frage des Schadenersatzes zu behandeln. Denn im Kirchenrecht gibt es einen geregelten Vorgang, bei dem das Opfer Schadenersatz fordern kann. Aber die Rechtsprechung wird da noch eine Schnittstelle schaffen müssen zwischen Kirchenrecht und dem jeweiligen zivilen Recht, denn es gibt da naturgemäß Unterschiede in der Rechtslage zwischen den einzelnen Ländern.“


Der Bischof ist jedenfalls mitverantwortlich für jeden Missbrauchsfall, von dem er Kenntnis erhält, erklärte Scicluna die vatikanische Sichtweise. Deshalb gelte der Grundsatz:


„Wir müssen wachsam sein in der Auswahl von Kandidaten für das Bischofsamt. Und wir müssen die Instrumente nutzen, die das Kirchenrecht und die Tradition an die Hand geben, um die Verantwortlichkeit eines Bischofs zu prüfen. Es geht nicht darum, die Gesetze zu ändern, sondern sie anzuwenden. Und wir müssen klar sagen, dass es ein Verhalten gibt, das mit dem eines guten Hirten unvereinbar ist.“

(rv 09.02.2012 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.