Missbrauchsexperten: „Kirche sollte für Kinder und Jugendliche ein Schutzraum sein“
„Mir ist beim
Symposium aufgefallen, dass es offenbar noch keine zentrale Stelle in der katholischen
Kirche gibt, die genau weiß, was in den jeweiligen Ländern tatsächlich bereits an
Präventionsmaßnahmen läuft.“ Das sagt der deutsche Mediziner Hubert Liebhardt
von der Ulmer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Liebhardt, der übrigens auch
Diakon ist, nimmt am römischen Kongress teil – zusammen mit seinem Medizinerkollegen,
dem Psychiater Jörg Fegert. Dieser sagte uns bei einem Besuch in der Redaktion am
Dienstag:
„Zuerst hat man, als in Amerika Fälle bekannt wurden, gesagt:
Das ist ein amerikanisches Problem. Dann war`s plötzlich ein englischsprachiges Problem,
weil die Fälle in Irland dazukamen. Dann kamen wir in Deutschland mit dazu, und daraufhin
hieß es: Das ist ein Problem der westlichen Welt. Allerdings wurde Kindesmissbrauch
dann auch in Afrika mehr thematisiert – und wir wissen aus allen Statistiken: Die
Häufigkeiten von sexuellem Missbrauch sind auf der ganzen Welt vergleichbar. Es gibt
kein System, das ausgenommen ist, und auch keine Bevölkerungsschicht, denn das kommt
nicht nur bei Armen vor, sondern überall. Wichtig ist aber auch: Missbrauch durch
Geistliche ist ein schlimmes Problem, und die Kirche muss damit umgehen! Gleichzeitig
muss aber die Kirche die Geistlichen, Menschen im kirchlichen Ehrenamt, Diakone usw.
auch dazu ausbilden, dass man für Kindern, die in anderen Bereichen missbraucht werden,
eine schützende Situation herstellen kann.“
Fegert und Liebhardt bauen
derzeit in München ein „Zentrum für Kinderschutz“ auf – eine Kooperation zwischen
der Päpstlichen Uni Gregoriana und der Ulmer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Liebhardt ist der Direktor der neuen Einrichtung, die Münchens Kardinal Reinhard Marx
beim römischen Symposium vorstellen wird. Zu den Zielen des Kongresses von Rom meint
Liebhardt:
„Ich kann mir vorstellen, dass die Bischöfe, die hier sind,
von Rom ganz angeregt nach Hause gehen und dieses Thema dann auch weiter in ihren
Diözesen bearbeiten werden. Das scheint mir die große Zielsetzung dieses Symposiums,
und es hat in den ersten zwei Tagen schon gezeigt, dass das Potential dafür da ist,
weil die Qualität der Redner und der Beiträge sehr, sehr hoch ist und auch die Bereitschaft
sich spüren lässt, sich diesem Thema wirklich ernsthaft zu widmen.“