Wirtschaftskrise braucht Verbindung von Markt und sozialer Verantwortung
Sparen oder Ausgeben,
das ist die Frage: Die Politiker Europas streiten weiter über den richtigen Umgang
mit der Wirtschafts- und Finanzkrise, in der vergangenen Woche in Davos, an diesem
Montag beim EU-Gipfel in Brüssel, Stichwort ‚Sparkommissar für Griechenland.’ Ein
Ende der Debatte ist nicht in Sicht. Markus Vogt ist Professor für Christliche Sozialethik
an der Universität München. Besonders beim Treffen in Davos wurde seiner Meinung nach
sichtbar, welche Grundzüge diese Diskussionen um Geld, Euro, Sparkommissare und Politik
prägen:
„Eine Grundsatzdebatte zwischen zwei ganz unterschiedlichen Varianten
des Kapitalismus beziehungsweise der Finanzpolitik sind sehr hart aufeinander getroffen.
Auf der einen Seite die Sparpolitik, die Idee des Sparens, um Zukunftsfähigkeit zu
erringen - eine Politik, die vor allem Angela Merkel vertreten hat. Auf der anderen
Seite die Politik der Investition, des auf Dauer gestellten Keynesianismus, die davon
ausgeht, dass sich die wirtschaftliche Krise dadurch überwinden lässt, dass investiert
wird.“
Es sei ein schwieriges Dilemma, sagt Vogt. Auf der einen Seite reicht
das Sparen nicht, auf der anderen Seite führt die Politik des billigen Geldes langfristig
nur zu einer Destabilisierung. Man müsse gleichzeitig klug sparen und klug investieren.
Und es braucht auch eine neue Rahmenordnung, zu der etwa die Finanztransaktionssteuer,
Tobin-Steuer genannt, gehöre. Erste Erfolge könne man schon bei den sogenannten Schwellenländern
sehen, besonders beim erfolgreichsten:
„Brasilien hat vorgemacht, dass es
mit einer starken Sozialpolitik wirtschaftlich erfolgreich ist. Ich bin zutiefst davon
überzeugt, dass das der Weg sein muss, den wir auch künftig in der Welt gehen. Die
Schwellenländer haben sich zu Apologeten dieser Verbindung von Marktwirtschaft und
Sozialpolitik gemacht. Auf Weltebene gibt es aber noch keine wirksame Sozialpolitik,
noch keine wirksame Solidarität. Die brauchen wir aber in vielen Bereichen, sei es
in der Armutsbekämpfung, sei es in der Umweltpolitik. Das wird sicher noch ein harter
und langer Kampf sein!“
Die sich ständig verändernden Umstände bräuchten
kreatives Denken, so der Sozialethiker Vogt. Noch sei es nicht sicher, dass sich die
soziale Marktwirtschaft durchsetzen werde, deswegen brauche es vor allem auch die
Stimme der katholischen Soziallehre in der Debatte:
„Da kann die katholische
Sozialethik einen wichtigen Beitrag leisten! Das christliche Menschenbild traut dem
Menschen Verantwortung zu, rechnet aber immer auch mit Fehlern. So eine Tiefendimension
braucht man, um auch wirksam die Ideen von Markt und sozialer Verantwortung zu verbinden.
Allerdings ist die Rolle der katholischen Sozialethik die einer lernenden. Wir müssen
uns weiter entwickeln. Eines der wichtigsten Felder der Weiterentwicklung ist heute
sicherlich auch die Integration des ökologischen Aspektes. Soziale Marktwirtschaft
muss zur ökologisch-sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelt werden.“