2012-01-26 08:31:42

Die Ökumene-Predigt des Papstes


Papst Benedikt XVI. hat am Mittwoch Abend eine Vesper in der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern gehalten. Sie galt dem Fest der Bekehrung des hl. Paulus und markierte gleichzeitig den Abschluss der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. In seiner Predigt nannte der Papst das Erreichen der „vollen Einheit“ der Christen „wichtig für das Wohl der Menschheitsfamilie“. Wir dokumentieren die deutsche Übersetzung seiner Predigt in unserer Arbeitsübersetzung. Der offizielle Text wird demnächst vom deutschsprachigen „Osservatore Romano“ veröffentlicht werden.

„Liebe Brüder und Schwestern,

Mit großer Freude grüße ich herzlich alle, die ihr hier, am liturgischen Fest der Bekehrung des Heiligen Paulus, in dieser Basilika versammelt seid, um die Gebetswoche für die Einheit der Christen abzuschließen in diesem Jahr, in dem wir den 50. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils feiern, das der selige Johannes XXIII. eben in dieser Basilika am 25. Januar 1959 angekündigt hat. Die heute zu Ende gehende Gebetswoche bietet uns folgendes Thema zur Meditation an: „Wir werden alle verwandelt durch den Glauben an Jesus Christus“ (vgl. 1 Kor 15,51-58).

Die Bedeutung dieser geheimnisvollen Verwandlung, von der die zweite Kurzlesung des heutigen Abends spricht, zeigt sich in wunderbarer Weise im persönlichen Schicksal des Heiligen Paulus. Nach dem überwältigenden Ereignis auf dem Weg nach Damaskus wurde Saulus, der besonders eifrig die junge Kirche verfolgte, verwandelt in einen unermüdlichen Apostel des Evangeliums Jesu Christi. In dem, was dieser außerordentlicher Verkünder des Evangeliums erlebt hat, wird deutlich, dass diese Verwandlung nicht das Ergebnis einer langen inneren Reflexion ist und auch nicht das Ergebnis einer persönlichen Anstrengung. Sie ist vor allem ein Werk der Gnade Gottes, die auf unergründlichen Wegen gewirkt hat. Deswegen sagt Paulus, als er später einige Jahre nach seiner Bekehrung an die Gemeinde in Korinth schreibt, wie wir in dem ersten Lesungstext dieser Vesper gehört haben: „Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1 Kor 15,10) Bei genauerer Betrachtung der Geschichte des heiligen Paulus sieht man ein, dass die Verwandlung, die er in seiner Existenz erlebt hat, sich nicht auf die ethische Ebene beschränkt – wie der Wechsel von der Immoralität zur Moralität -, noch auf die intellektuelle Ebene – als ein Wechsel in der Weise, die Wirklichkeit zu verstehen - , sondern es handelt sich um eine radikale Erneuerung des eigenes Seins, in vielerlei Hinsicht ähnlich einer Wiedergeburt. Eine solche Verwandlung hat ihr Fundament in der Teilnahme am Geheimnis des Todes und der Auferstehung Jesu Christi und erweist sich als ein schrittweiser Weg der Angleichung an Ihn. Im Licht dieses Bewusstseins wird Paulus sagen, als er später einmal die Legitimität seiner apostolischen Berufung und des von ihm verkündigten Evangeliums verteidigen muss: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20).

Die persönliche, gelebte Erfahrung des Heiligen Paulus erlaubt es ihm, mit begründeter Hoffnung dieses Geheimnis der Verwandlung zu erwarten, das alle betreffen wird, die an Jesus Christus geglaubt haben, sowie die Menschheit und die gesamte Schöpfung. In der zweiten Kurzlesung, die heute Abend vorgetragen wurde, beschreibt der Heilige Paulus, nach einer langen Argumentationskette, die der Stärkung der Hoffnung auf die Auferstehung der Gläubigen dient, unter Verwendung der der traditionellen Bilder der zeitgenössischen apokalyptischen Literatur, mit wenigen Worten den großen Tag des Jüngsten Gerichts, in dem sich das Schicksal der Menschheit vollendet: „Plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall… werden die Toten zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden.“ (1 Kor 15,52) An jenem Tag werden die Gläubigen Christus gleichgestaltet werden und alles Vergängliche wird verwandelt in seine Herrlichkeit: „Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit.“ (v. 53) Dann wird der Triumph Christi vollendet sein, weil, wie Paulus sagt und so aufzeigt, dass die alten Weissagungen der Schrift sich erfüllen, der Tod endgültig besiegt sein wird und mit ihm die Sünde, die den Tod in die Welt hat eintreten lassen und das Gesetz, das die Sünde erweist, ohne die Kraft zu schenken, die Sünde zu besiegen: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? / Tod, wo ist dein Stachel? Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde ist das Gesetz.“ (Vv. 54-56) Der Heilige Paulus sagt uns also, dass durch die Taufe auf den Tod und die Auferstehung Christi jeder Mensch Teil hat am Sieg von Jenem, der als Erster den Tod besiegt hat und auf diese Weise einen Weg der Verwandlung begonnen hat. Diese Verwandlung offenbart ich seitdem in einer Neuheit des Lebens und sie wird ihre Fülle am Ende der Zeiten erreichen.

Es ist sehr bezeichnend, dass der Abschnitt mit einer Danksagung schließt: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (v. 57) Das Siegeslied über den Tod wandelt sich in ein Danklied an den Sieger. Auch wir wollen mit der Feier des abendlichen Gotteslobes, unsere Seelen und unsere Herzen erheben zu einem Dankhymnus für das, was die göttliche Gnade in dem Völkerapostel gewirkt hat und durch den wunderbaren Heilsratschluss, den Gottvater in uns wirkt durch den Herrn Jesus Christus. Wenn wir unser Gebet erheben, vertrauen wir darauf, in das Bild Christi verwandelt und gleichgestaltet zu werden. Das ist ganz besonders wahr, wenn wir für die Einheit der Christen beten. Wenn wir nämlich die Gabe der Einheit für die Jünger Christi erflehen, machen wir uns die flehentliche Bitte zu eigen, die Jesus selber am Vorabend seines Leidens und Sterbens betend an den Vater gerichtet hat: „Auf dass alle eins seien“ (Joh 17.21). Daher ist das Gebet für die Einheit der Christen nichts anderes als die Verwirklichung des göttlichen Plans für die Kirche, und der tätige Einsatz für die Wiederherstellung der Einheit ist eine Pflicht und für alle eine große Verantwortung.

Auch wenn wir in unseren Tagen die schmerzliche Situation der Trennung wahrnehmen, können und müssen wir Christen hoffnungsvoll in die Zukunft schauen, weil der Sieg Christi die Überwindung all dessen bedeutet, was uns daran hindert, die Fülle des Lebens mit Ihm und mit den anderen zu teilen. Die Auferstehung Jesu Christi bekräftigt, dass die Güte Gottes das Böse besiegt, und dass die Liebe den Tod übersteigt, Er begleitet uns im Kampf gegen die zerstörerische Kraft der Sünde, die die Menschheit und die gesamte Schöpfung schädigt. Die Gegenwart des auferstandenen Christus fordert uns Christen alle auf, gemeinsam in der Sache des Guten zu handeln. Vereint in Christus sind wir berufen, an seiner Sendung teilzuhaben, dorthin Hoffnung zu bringen, wo Ungerechtigkeit, Hass und Verzweiflung herrschen. Unsere Trennungen verdunkeln unser Zeugnis für Christus. Das Erreichen der vollen Einheit, die wir in tätiger Hoffnung erwarten und für die wir voll Vertrauen beten, ist nicht ein zweitrangiger Sieg, sondern wichtig für das Wohl der Menschheitsfamilie.

In der heute vorherrschenden Kultur ist der Begriff „Sieg“ häufig mit der Vorstellung von einem unmittelbaren Erfolg verbunden. In der christlichen Optik hingegen ist der Sieg ein langer und, in den Augen der Menschen, nicht immer linearer Prozess der Verwandlung und des Wachsens im Guten. Dies geschieht nach den Zeiten Gottes, und nicht der unseren, und verlangt von uns tiefen Glauben und geduldige Ausdauer. Auch wenn das Reich Gottes mit der Auferstehung endgültig die Geschichte unterbricht, so ist dieses Reich doch noch nicht ganz verwirklicht. Der endgültige Sieg wird erst sein mit der zweiten Ankunft des Herrn, den wir mit geduldiger Hoffnung erwarten. Auch unsere Erwartung der sichtbaren Einheit der Kirche muss geduldig und vertrauensvoll sein. Nur in dieser Haltung finden unser tägliches Gebet und der Einsatz für die Einheit der Christen ihren vollen Sinn. Die Haltung eines geduldigen Erwartens bedeutet nicht Passivität oder Resignation, sondern bereitwillige und aufmerksame Antwort auf jede Gelegenheit zur Gemeinschaft und Brüderlichkeit, die der Herr uns schenkt.

In diesem geistlichen Klima möchte ich gerne einige Anwesende besonders grüßen; an erster Stelle Kardinal Monterisi, Erzpriester dieser Basilika, den Abt und die Kommunität der Benediktinermönche, bei denen wir zu Gast sind. Ich grüße Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und alle Mitarbeiter dieses Dikasteriums. Ich grüße herzlich und brüderlich Seine Eminenz Metropolit Gennadios, Repräsentant des Ökumenischen Patriarchats und den H.H. Kanoniker Richardson, persönlicher Repräsentant des Erzbischofs von Canterbury in Rom, und alle Repräsentanten der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die heute hier zusammengekommen sind. Darüber hinaus ist es mir eine besondere Freude, einige Mitglieder der Arbeitsgruppe von Vertretern verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften in Polen zu grüßen, die die Arbeitshilfe für die Gebetswoche in diesem Jahr vorbereitet haben und denen ich meine Dankbarkeit ausdrücken möchte und meinen Wunsch, dass sie auf dem Weg der Versöhnung und der Zusammenarbeit weitergehen; sowie auch die Mitglieder des „Global Christian Forum“, die in diesen Tagen in Rom sind und über die Erweiterung der ökumenischen Bewegung um neue Glieder beraten. Ich grüße auch die Gruppe der Studenten des Ökumenischen Instituts des Ökumenischen Weltrats der Kirche in Bossey.

Der Fürsprache des Heiligen Paulus möchte ich all diejenigen anvertrauen, die mit ihrem Gebet und ihrem Engagement sich für das Anliegen der Einheit der Christen einsetzen. Auch wenn es manchmal scheint, als sei der Weg zur Wiederherstellung der vollen Einheit noch sehr weit und voll von Hindernissen, lade ich alle dazu ein, ihren Entschluss zu erneuern, mutig und großherzig die Einheit zu suchen, die der Wille Gottes ist, gemäß dem Beispiel des Heiligen Paulus, der in Schwierigkeiten aller Art immer ein festes Vertrauen auf Gott bewahrt hat, der sein Werk vollenden wird. Im Übrigen fehlt es auf diesem Weg nicht an positiven Zeichen einer wiedergefundenen Brüderlichkeit und eines gemeinsamen Verantwortungssinns angesichts der großen Schwierigkeiten, die unsere Welt plagen. All dies ist ein Grund zur Freude und für große Hoffnung. Das muss uns dazu ermutigen, uns weiterhin dafür einzusetzen, gemeinsam zum Ziel zu gelangen, in dem Wissen, dass unsere Mühen nicht vergeblich sind im Herrn. (vgl. 1 Kor 15,58) Amen.”

(rv 26.01.2012 mc/sk)







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