2012-01-25 14:00:34

Hildegard Burjan: Eine selige für die ganze Gesellschaft


RealAudioMP3 „Es ist möglich in der Politik heilig zu werden und es ist eine ganz große Freude, dass mit Hildegard Burjan die erste, demokratisch gewählte Frau selig gesprochen wird.“ Kardinal Christoph Schönborn benennt das besondere dieser Frau, das vielleicht auffälligste. Daneben ist sicherlich auch die Gründung der geistlichen Gemeinschaft „Caritas Socialis“ zu nennen, eine Institution, die bis heute hält. Dahinter liegt aber ein ganzes Glaubensleben. Hildegard Burjan stammte aus einer jüdischen Familie, die aber nicht besonders religiös war. Als junge Frau wurde sie katholisch.
Ein Gespräch mit Ingeborg Schoedl, Vize-Postulatorin im Seligsprechungsprozess:

„Hildegard Burjan, oder damals hieß sie ja noch Hildegard Freund, wurde 1883 in Görlitz geboren. Sie war schon von Kindheit an eine Suchende. Sie hat eigentliche dieses Aufwachsen ohne Glauben immer als Manko empfunden und sie war dann überhaupt als Studentin in der Schweiz immer auf der Suche nach dem Glauben, nach einem höheren Ziel, nach dem Sinn des Lebens. Es ist für mich interessant, dass gerade zwei Professoren, bei denen sie philosophische Vorlesungen belegt hatte, sie auf diesem Weg zum Glauben, zur Person Jesu Christi gebracht haben, die beiden nicht katholisch waren und die sich beide eher als Gott Suchende bezeichnet haben. Die haben sich in ihren Vorlesungen damit auseinandergesetzt und Hildegard Freund war damals wirklich davon begeistert und sie hat auch in ihr Tagebuch geschrieben „Gott, wenn du bist, zeige dich mir!“ "

Schoedl beschreibt die zwei Gesichter, die der Glaube Burjans gehabt habe. Zum einen würden wir heute ihr Verhalten vielleicht für naiv halten, aber das war eben nicht die einzige Seite.

„Die hoch intellektuelle Frau, die wirklich Gesprächspartnerin auf höchster intellektueller Ebene war, hat nach ihrem Übertritt zum katholischen Glaube, ein aus heutiger Sicht kindliches Verhalten gegenüber der Kirche und dem Glauben gehabt. Sie war der Kirche und den kirchlichen Amtsträgern gegenüber sehr loyal. Sie hat vielleicht auch in Sachen nachgefragt, worüber man heute auch ein bisschen lächelt. Es kam damals nach den langen Kleidern, die kürzeren Kleider auf und da war auch ein Hin und Her, ob eine katholische Frau auch kurze Kleider tragen kann. Sie hat sogar extra beim Kardinal nachgefragt, ob das möglich ist und so weiter. Das war die eine Seite. Die andere Seite war, dass sie selbstbewusst als Frau in der Kirche ihren Weg gegangen ist. Sie hat diese apostolische Schwesterngemeinschaft gegründet, sie war als verheiratete Frau und Mutter die Vorsteherin, sie hat das erste Mutter-Kind-Heim in Wien eingerichtet, womit sie sich ziemlichen Ärger mit einigen Bischöfen eingehandelt hat. Da war sie eigentlich ihrer Zeit weit, weit voraus.“

Einerseits entsprach sie also dem bürgerlichen Bild, Hausfrau und Mutter, andererseits bricht sie genau aus diesen Bildern aus. Ihr Gespür, etwas für die Nächsten tun zu können und zu müssen, hat sie suchen lassen. Und das gemeinsam mit anderen.

„Sie hat in ihre Arbeit immer sehr viel die Damen der Gesellschaft mit einbezogen. Gerade für diese ehrenamtliche Tätigkeit brauchte sie Frauen, die es sich leisten konnten, das zu tun. Sie war der Meinung, dass es ein Lernprozess ist, dass auch diese Damen der höheren Gesellschaftsschicht, die abgeschottet vom übrigen Leben agieren, dass sie auch damit konfrontiert werden, wie es ihren Geschlechtsgenossinnen auf der anderen Seite der Straße geht, die in Armut leben. Sie war der Meinung, dass das ein Prozess ist, der wichtig ist, wovon beide Nutzen haben.“

Politisch war sie weitblickend. Wenn wir heute „gleicher Lohn für gleiche Leistung“ sagen, so müssen wir uns eingestehen, dass das bis heute nicht eingelöst ist. Hildegard Burjan forderte das aber schon 1917 ein, nicht als einzige. Sie war gegen Kinderarbeit, für Hilfe zur Selbsthilfe und für Frauenrechte und Bildung für Frauen.

„Hildegard Burjan hat gemeint, sie dürfe nicht wie ein Opferlamm und gottergeben ihr Schicksal annehmen, sondern sie müsse auch etwas tun. Dazu haben die Frauen auch die Pflicht und sie haben vor allem das Recht darauf. Und dafür hat sie sich eingesetzt, auch auf der politischen Ebene. Sie ist deshalb unter dem Motto „politisches Engagement gehört zum praktischen Christentum“ in die Politik gegangen und eben dort für die Rechte der Frauen eingetreten. Aber immer von der Basis aus, dass die Frauen auch selbst tätig werden, dass sie auf ihre Rechte aufmerksam gemacht werden und dass die Frauen ihre Rechte dann wahrnehmen. Und das konnte auch nur geschehen, wenn die Frauen sich weiterbilden.“

Der Glaube Hildegard Burjans wurde politisch, praktisch. Eine bürgerliche der höheren Gesellschaftsschicht setzt sich für Dinge ein, die sonst nur noch von den Sozialisten und Sozialdemokraten gefordert wurden. Das war unerhört.

„Jetzt haben wir das 21. Jahrhundert und trotzdem haben wir diese Forderungen noch immer nicht voll erfüllt. Auf der einen Seite muss man ja fast darüber lächeln, auf der anderen Seite ist eis eigentlich tieftraurig, dass wir immer noch nicht so weit sind.“

Nach dem ersten Weltkrieg, bei der Neuordnung Österreichs, wurden die Christ-Sozialen auf sie aufmerksam und suchten ein Zugpferd, das die Frauen, die nun das erste Mal das Wahlrecht hatten, ansprechen konnte. Das war für Hildegard Burjan ihre Plattform.

„Sie hat, obwohl sie nur kurz in der Politik war, doch einiges erreicht, vielleicht ein Umdenken, auch bei den Frauen, die gesehen haben, was man auf der politischen Ebene erreichen kann. Aber was ihre Handschrift trägt, ist das erste Hausgehilfinnengesetz. Das war ein vollkommen rechtloser Berufsstand mit der höchsten Selbstmordrate. Da hat sie etwas gemacht, was zumindest für mich beeindruckend ist. Sie hat, für dieses erste Gesetz, was nicht alles gleich regeln konnte, aber zumindest auf erster Ebene einiges geregelt hat, in Punkto Arbeitszeit, für diese Gesetz hat sie den Schulterschluss mit den Sozialdemokratinnen gewagt. In einer politisch derart aufgeheizten Situation, wie es damals war, hat sie über Parteigrenzen hinaus den Schulterschluss gewagt, um dieses Gesetz durchzubringen.“

Weitergegeben hat Hildegard Burjan diesen Geist, diesen Glauben und diese Einstellung an die geistliche Gemeinschaft, die sie nach dem ersten Weltkrieg gründete, die „Caritas Socialis“.

„Bis heute zeichnet diese Gemeinschaft das das aus, was ihnen Hildegard Burjan, ihre Gründerin vorgegeben hat. Die Nöte der Zeit erkennen und sich in die Not der Zeit hineinbegeben. Das war damals neu und ist auch heute noch genauso notwendig. Sich in die Not der Zeit hineinbegeben können, dass sie aber auch hellhörig sind, was in der jeweiligen Zeit erforderlich ist.“

„Sicherlich kann Hildegard Burjan für die Frauen Fürsprecherin sein, weil Hildegard Burjan, eben nach dem Motto der Seligsprechung „Mit Spannungen leben“ gelebt hat. Und das müssen auch die Frauen des 21. Jahrhunderts, mit Spannungen leben zwischen Familie, Beruf und außerhäuslichem Engagement. Ich glaube jede Frau findet auf ihre Art sicher einiges an Hildegard Burjan, worüber man sagen kann „Aha, sie ist damit so umgegangen, das gibt mir vielleicht auch Kraft, oder motiviert mich, etwas zu tun, was ich vielleicht sonst nicht gewagt hätte.“

Das Schlusswort gehört noch einmal Kardinal Christoph Schönborn.

„Entscheidend für das Heilig Werden, das Heilig Sein, ist die Glaubwürdigkeit. Die Glaubwürdigkeit, die in der Deckung von Glauben und Leben besteht, dass zwischen dem, was geglaubt und als Glaube auch bekannt und öffentlich genannt wird und dem Leben eine wirkliche, eine glaubwürdige Identität besteht. Nichts spricht klarer für den Glauben, als das Leben.“

(rv 28.01.2012 gs/ord)








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