Kodak ist insolvent – die Ära des Filmröllchens, das man in seine Kamera einlegte,
geht zu Ende, eine Ära, die Millionen Hobby- und Profifotografen auf der ganzen Welt
prägte. Arturo Mari war jahrzehntelang päpstlicher Hausfotograf, ehe er vor wenigen
Jahren in Pension ging; hier seine Hommage an den multinationalen Foto-Film-Hersteller,
den es nicht mehr gibt:
„In 53 Jahren, die ich im Dienst der Päpste stand,
habe ich immer Kodak bevorzugt. Das war das beste Material. Natürlich hat heute das
digitale Bild enorme Fortschritte gemacht. Allein die Frage der Übermittelung: In
wenigen Minuten kann man einen Pool mit den allerbesten ausgewählten Bildern für die
ganze Welt zur Verfügung stellen. Das sind große Vorteile, zweifellos. Aber als Fotograf
muss ich sagen, dass die ganze Poesie verschwindet, die Liebe zur camera oscura, in
der Fotografien entstehen, die man mit den eigenen Händen schuf…“
Seit
dem Tag seines Amtsantritts war Arturo Mari den Päpsten Tag für Tag auf den Fersen:
als amtlicher Fotograf. Die Printmedien der Welt haben Millionen Bilder Maris gedruckt.
Johannes Paul den II. begleitete er fast 27 Jahre lang, durch das ganze Pontifikat.
Vom 58-jährigen frisch gewählten Athleten-Papst über seine mehr als 100 Auslandsreisen
bis zur Bahre im Petersdom. Einen Augenblick seiner persönlichen Erinnerung an Karol
Wojtyla auszuwählen, ist Arturo Mari fast nicht möglich.
„Was ich nicht
vergessen habe, sind die Begegnungen in der Privatkapelle des Papstes, ich kann auch
nicht vergessen die Millionen Menschen bei den Auslandsreisen, die diesen weißen Punkt
erwarteten, diese Gestalt ihres Glaubens. Wie soll ich den Besuch des Papstes bei
den Leprakranken vergessen, bei den AIDS-kranken Kindern… ich habe so unendlich viele
Erinnerungen…“
Stichwort Erinnerung: Der Mensch kann sein Gedächtnis trainieren,
also lernen, sich zu erinnern, aber es gibt keine mentale Technik des Vergessens.
Anders bei der Digitalfotografie. Sie erlaubt quasi einen freiwilligen Gedächtnisverlust
– es reicht, den Löschen-Knopf zu drücken. Geht damit die Sensibilität für die Zeit
und für die Einzigartigkeit der Momente unseres Lebens verloren? Arturo Mari hat die
Digitaltechnik in der Fotografie am Ende seiner Laufbahn noch kennen gelernt.
„Früher
war es so, wenn man ein Foto machte, zumindest gilt das für mich, dann fühlte man
das Charisma der Person praktisch auf der Haut. Mit der Digitaltechnik ist es so,
dass man dazu neigt, das eben geschossene Bild sofort zu begutachten, war das Licht
in Ordnung, der Ausschnitt günstig? Auf diese Art stelle ich doch auch meine eigene
Fähigkeit in Zweifel. Ich habe das handwerk damals noch mit Glasplatten gelernt. Sechs
Glasplatten mussten für einen Termin mit dem Papst reichen. Und wehe, es ging eine
daneben! Das ist Erfahrung, das ist Leben, das ist Kunst.“
Mit der Entwicklung
und gleichsam: Demokratisierung der Digitaltechnologie kann sich heute in unseren
Breitengraden fast jeder eine Fotokamera leiste, die die Wirklichkeit getreulich
abbildet, jeder kann sich auf seine Weise als Fotograf fühlen. Dennoch wird der Beruf
des Fotografen nicht aussterben, denkt Arturo Mari.
„Die Kamera muss mir
zu Diensten sein. Mein Kopf und meine Hände dirigieren die Kamera, nicht umgekehrt:
die Kamera dirigiert mich. Das wäre das Ende, da würden wir auf einen Knopf drücken
und mit diesem Knopfdruck alle Fotografen sein. Wie gesagt: Fotografie ist nicht nur
ein Beruf, es ist eine Kunst.“