Glaubensrepublik Deutschland. Reisen durch ein religiöses Land
Eine Rezension von Anne Preckel Es ist
nicht zu leugnen: Deutschland ist ein religiöses Land, und was für eins – in ihrem
Buch zum Thema stellen die beiden Journalisten Matthias Dobrinski und Claudia Keller
ein Panorama der religiösen Landschaften ihrer Heimat vor, das durch seine Vielfalt
überrascht: Vorgestellt werden Menschen an der Basis, Menschen, die getrieben oder
geprägt sind durch die Religion. Oder besser gesagt eine wie auch immer geartete "Religiosität",
die auch zum Keim von Glauben werden kann: Praktizierenden Katholiken und Protestanten,
Konvertiten und Freikirchlern nehmen sich die Autoren nämlich ebenso unvoreingenommen
und ernsthaft an wie Esoterikern, suchenden Atheisten oder dem „modernen Piusbruder“.
Die skizzenhaft bis literarisch angehauchten Personenporträts sind geschickt miteinander
verknüpft. In ihnen scheint der Wandel auf, den die christlichen Kirchen in Deutschland
seit den 60er Jahren erleben. Vom Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils, den
Reformbemühungen eines Bischof Huber über die Leiden am Missbrauchsskandal bis hin
zum Mitgliederschwund auch in der evangelischen Kirche stellt sich für beide Konfessionen
heute dieselbe Frage: Wie geht es weiter mit dem Glauben und den Kirchen in einer
Gesellschaft, in der Religion präsent, aber nicht mehr selbstverständlich ist? Was
will die Kirche heute wie verkünden? Will sie Dienstleister sein oder ewige Lehrinstitution,
will sie mitwachsen oder formen, braucht sie mehr "Biss" oder sind es ihre Schäfchen,
die sich im säkularen Wahrheiten-Markt endgültig verlaufen und irgendwann feststellen,
alles gehabt und ausprobiert, aber keine Antworten gefunden zu haben? Auch diese Fragen
kommen zwischen den Zeilen der ungefähr 30 lesenswerten Geschichten aus der Glaubensrepublik
Deutschland hervor. Eine Skala, auf der auch der Leser irgendwo sitzt, ein Panorama,
auf das man nicht verzichten kann.
Matthias Dobrinski und Claudia Keller: Glaubensrepublik
Deutschland. Reisen durch ein religiöses Land. Herder Verlag 2011, ca. 17 Euro. (rv
19.01.2012 pr)