Äthiopien ist ein
Land der Kriege und des Mangels. Gerade erst ist es wieder durch Entführungen und
Morde – darunter an einem Österreicher und zwei Deutschen – in die Schlagzeilen geraten.
Ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums sagte am Dienstagabend, dass möglicherweise
zwei Gruppen mit insgesamt bis zu 22 Personen überfallen worden seien. Es gebe in
der Region nicht die notwendige Infrastruktur, auch Satellitentelefone funktionierten
kaum. Die Gruppe war am Dienstag im Grenzgebiet zu Eritrea überfallen worden, dort
hatten sich die beiden Länder zwischen 1998 und 2000 bekämpft. Erst unlängst kam es
erneut zu Spannungen, als ein UNO-Bericht Eritrea vorwarf, einen Anschlag auf eine
Konferenz der Afrikanischen Union in Äthiopien geplant zu haben.
Äthiopien
ist ein Land der verschiedenen Ethnien und Religionen, es ist ein Land der Gewalt,
vor allem gegen Frauen. Trotzdem ist es auch ein Land der Hoffnung. Das sagt Schwester
Laura Girotto. Sie ist Salesianer-Missionarin und gerade dabei, Unterstützung für
eine Geburtsklinik zu sammeln, die in Äthiopien im kommenden Jahr entstehen soll.
Schwester Laura erzählt von einem Land, das aus den Erfahrungen des Krieges und der
Bürgerkrieges herauskomme. Man habe die Gewalt noch nicht völlig hinter sich gelassen.
„Trotzdem befindet sich Äthiopien definitiv auf dem Weg der Entwicklung
und des Fortschritts. Als ich 1994 das erste Mal ins Land kam, landete ich auf einem
Feld, umgeben von Kamelen und Eseln. Auch die Demokratie – wie es ein Premierminister
sagte – machte erst die ersten Kinderschritte. Heute gibt es Flughäfen und Straßen,
Telefon und Internet, und über 90 Prozent des Landes sind mit Elektrizität versorgt.
Natürlich, ein Großteil der Bevölkerung ist nach wie vor analphabetisch. Aber besonders
in der Bildung werden große Anstrengungen unternommen. Es ist ein Weg voran, wenn
auch unter großen Mühen.“
Schwester Laura arbeitet in der Mission von Kidane
Mehret, genau im Grenzgebiet zu Eritrea. Damit kennt sie aus eigener Ansicht die Spannungen
und Konflikte dort. Trotzdem sei einiges gelungen. Es gibt soziale Zentren, selbstverständlich
eine Kirche, und ein Krankenhaus ist in Bau. Unter all den Aktivitäten ragt aber besonders
eine heraus, sagt Schwester Laura:
„Offensichtlich die Bildung. Bildung
mit einem ganz großen B. Hier geht es um das Wachsen der ganzen Persönlichkeit, vor
allem der Jugend, und das nach salesianischem Vorbild. Natürlich geht es auch um andere
Aspekte und Rechte der Menschen, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf ein Haus,
das Recht auf Arbeit, das Recht der Frauen, ihre eigene Zukunft zu bestimmen und wen
sie heiraten.“
Die Menschen vor Ort haben noch vor nicht langer Zeit das
Leben von Wanderbauern gelebt, die Entwicklung müsse also gut begleitet werden. Dabei
richteten sich die Anstrengungen nach klaren Vorgaben:
„Das alles tun wir
mit großem Respekt vor den kulturellen Werten, die es auf jeden Fall zu erhalten gilt.
Hier gibt es zum Beispiel die Solidarität in der Gemeinschaft, den Schutz der Kinder,
den Respekt vor dem Leben und den Zusammenhalt der Familien; diese Werte müssen erhalten
werden. Andere wiederum müssen wir bekämpfen. Ich erinnere an die sexuelle Verstümmelung
von Frauen und die Rolle der Frau in einer Gesellschaft, in der sie nicht mitsprechen
dürfen. Wir haben unsere Mission deswegen so genannt: Verkündung durch Bildung.“
Papst
Benedikt XVI. habe den Bischöfen Äthiopiens und Eritreas mitgegeben, dass sie den
Dialog ganz konkret leben sollen. Vor allem im humanitären Einsatz solle dies deutlich
werden, für die Kranken, die Flüchtlinge, die Hungernden, die Opfer des Krieges. Dieser
Ansatz werde in Äthiopien in die Praxis umgesetzt, so Schwester Laura.
„Es
war eine der weisen Entscheidungen der Regierung Äthiopiens: In der Verfassung ist
die Religionsfreiheit festgeschrieben, Proselytismus an öffentlichen Orten oder in
Schulen ist nicht erlaubt. Privat darf jeder Mensch seiner Religion nachgehen. Für
unseren missionarischen Einsatz durch Präsenz heißt das, dass wir uns um alle Nöte
kümmern. Wenn ein Kranker kommt, wird er behandelt, gleich welcher Religion er angehört,
Punkt. Wir kümmern uns gemeinsam um die Nöte und die Notfälle, welcher Konfession
jemand angehört oder ob er islamisch ist, spielt keine Rolle.“