Am Mittwoch blieb
der Bildschirm dunkel: Streik im Netz, Wikipedia stellte sich selbst ab. Zumindest
die englischsprachige Version, für 24 Stunden. Das Online-Lexikon protestierte mit
seinem Streik gegen zwei Gesetzesvorschläge zum Online-Urheberrecht, über die derzeit
in den USA der Kongress verhandelt. Für die Gesetze werfen sich Hollywood und die
Musikindustrie in die Bresche, dagegen halten Google, Twitter und Yahoo. Die Gesetze
sollen das Privateigentum im Netz schützen, vor allem das intellektuelle Eigentum.
Sie sollen illegales Herunterladen stoppen helfen. Was sagt die Kirche zur Online-Piraterie?
Das fragten wir den Jesuiten Antonio Spadaro, den neuen Leiter der Zeitschrift „Civiltà
Cattolica“.
„Die digitale Welt ist heute zu einem Lebensraum geworden: Man
kann aber den Zugang zu einem Lebensraum nicht beschränken oder schließen. Der britische
Außenminister nennt den freien Internetzugang ein fundamentales Recht, und er hat
die freie Meinungsäußerung zum Herzstück erklärt, wenn es um die Zukunft des Cyberspace
geht. Es ist eine Tatsache, dass das Netz den Abstand zwischen Politikern und Bürgern
verringert hat – hier stellt sich das Problem. Sechzig Regierungen verwehren derzeit
auf die eine oder andere Weise ihren Bürgern den Zugang zum Netz.“
Seine
Zeitschrift, die „Civiltà Cattolica“, kann man online nur in Kurzversion lesen; wer
mehr will, wird zur Kasse gebeten. Was sagt Pater Spadaro zur Online-Piraterie?
„Die
muss natürlich verurteilt werden. Wikipedia zum Beispiel hat sie in einem Statement,
das vor kurzem ins Netz gestellt wurde, ausdrücklich verurteilt – jedes illegale Eindringen
in ein fremdes Territorium kann man nur zurückweisen. Das wirft das sehr ernste Problem
einer Internet-Regierung oder –Regulierung auf. Dazu hat sich ja 2005 in Tunis ein
„Internet Governance Forum“ gebildet, bei dem Regierungen, privater Sektor und Zivilgesellschaft
beraten: Hier liegt der Schlüssel zu einer Lösung des Problems. Sie müssen Prinzipien,
Normen, Entscheidungsmechanismen festlegen, um die Entwicklung und den Gebrauch des
Internets zu steuern.“
Also doch Kontrolle? Ja, aber „ohne die Meinungsfreiheit
einzuschränken“, präzisiert der Jesuit. Wie jedes Grundrecht müsse auch die Meinungsfreiheit
„auf eine verantwortliche Art und Weise ausgeübt werden“:
„Aber man darf
sie auch nicht opfern, indem man sie gegen andere politische oder wirtschaftliche
Werte abwägt. Die freie Meinungsäußerung darf nur eingeschränkt werden, um die Grundrechte
anderer Personen zu verteidigen, und unter Einhaltung präziser Bedingungen, wie das
auch die UNO-Konvention über politische Rechte schreibt. Man wird im Internet also
fallweise nachweisen müssen, dass solche legalen Einschränkungen der Meinungsfreiheit
wirklich notwendig sind, und auf jeden Fall müssen sie so wenig restriktiv ausfallen
wie nur möglich. Man darf allerdings auch nicht auf Lösungen verfallen, die dann ein
umgekehrtes Problem hervorrufen. Man kann jedenfalls die Lösung des Problems nicht
immer nur einer Norm anvertrauen; es geht hier auch ganz wesentlich um Erziehung.“
„Stellen
Sie sich eine Welt ohne freies Wissen vor“: Das stand 24 Stunden lang auf der geschwärzten
Website des englischsprachigen Wikipedia. Der Gründer des Weblexikons Jimmy Wales
warnte vor „neuen Werkzeugen für die Zensur“. Die zwei geplanten Gesetze in den USA
sehen vor, dass Internetseiten, denen Urheberrechtsverstöße zur Last gelegt werden,
auf eine schwarze Liste gesetzt werden können.