Österreich: Keine Angst vor theologischen Differenzen
Für einen intensiveren Dialog zwischen Christen und Muslimen in Österreich hat sich
der Heiligenkreuzer Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck bei einer Diskussion mit dem
Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac, in Wien
ausgesprochen. Die beiden Religionsvertreter diskutierten am Donnerstagabend in der
Akademie Birkbrunn. Zu diesem Dialog gehört für beide Seiten auch die Fähigkeit, Distanz
in Glaubensfragen auszuhalten. Altabt Henckel-Donnersmarck sagte gegenüber Kathpress
am Rande der Veranstaltung:
„Wir werden uns in theologischen Fragen nicht
einigen können. Umso wichtiger ist das Gespräch der Glaubenden, um in sozialen, politischen,
kulturellen, gesellschaftlichen Fragen sowie Fragen der Familie und des nachbarschaftlichen
Zusammenlebens hier wirklich im Gespräch zu bleiben, damit keine Missverständnisse
entstehen und sich keine Spannungen aufbauen.“
Im Mittelpunkt des Gesprächs
stand auch die Bedeutung des diesjährigen 100-Jahr-Jaubiläums der staatlichen Anerkennung
des Islam in Österreich im Jahr 1912. Dazu Henckel-Donnersmarck: „Der Islam ist
bei uns ,daham’ – seit mehr als hundert Jahren. Und das sollte man allen, die Unsinn
verbreiten, entgegenhalten.“
Dieses Bewusstsein sei nicht nur für die österreichischen
Muslime wichtig, um sich in Österreich zu Hause zu fühlen. Es könne auch zu mehr gegenseitigem
Respekt und zu einem besseren Dialog führen, ergänzte Sanac von der Islamischen Glaubensgemeinschaft.
So erfreulich das 100-Jahr-Jubiläum grundsätzlich sei, beim entsprechenden Gesetz
gebe es Reformbedarf: Es müsse den heutigen Gegebenheiten und Bedürfnissen angepasst
werden, so der Muslim. Für Henckel-Donnersmarck steht fest: Die Christen können von
den Muslimen viel lernen:
„Aus Sicht der Kirche muss ich sagen: Die multikulturellen
Situationen in der Geschichte, die Spätantike und das Zeitalter der Entdeckungen,
das waren immer die großen Chancender christlichen Mission und der Zunahme des Christentums.
Und ich glaube eben auch, dass gerade die Frömmigkeit der Muslime für uns faul gewordene,
lasche Katholiken ein Ansporn sein könnte und das Gespräch zwischen den Glaubenden
auch uns sehr nützen könnte.“
Türkei: Appell für Wiedereröffnung
des Priesterseminars auf Chalki Thema der Veranstaltung war auch die Situation
der christlichen Minderheit in der Türkei. Henckel-Donnersmarck appellierte unter
anderem an die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, sich für die Wiedereröffnung
des orthodoxen Priesterseminars und der Theologischen Hochschule auf Chalki einzusetzen.
Das Priesterseminar, das auf der Insel Heybeliada/Chalki im Marmarameer vor Istanbul
liegt, wurde von den türkischen Behörden 1971 geschlossen. Weil das Ökumenische Patriarchat
seither keine eigenen Geistlichen mehr ausbilden konnte, wird die personelle Situation
der 1.700 Jahre alten Institution von Jahr zu Jahr prekärer. Sanac ließ durchblicken,
dass er das Thema immer wieder auch mit türkischen Vertretern anspreche. Er wies zugleich
aber darauf hin, dass es sich bei Chalki auch um ein politisches Problem zwischen
der Türkei und Griechenland handle.