2012-01-09 17:21:46

Israels Botschafter beim Vatikan: „Papst würdigte Wiederaufnahme von Friedensgesprächen"


Israels Botschafter beim Heiligen Stuhl ist Mordechay Lewy. Nach dem Neujahrsempfang des Papstes hat Radio Vatikan ihn gefragt, was er in der Papstrede, besonders im Absatz zum Heiligen Land, zwischen den Zeilen liest.

„Ich habe mit sehr viel Freude zur Kenntnis genommen, dass er die Wiederaufnahme der Gespräche mit den Palästinensern gelobt hat und auch besonders die Rolle von Jordanien hervorgehoben hat; sie sind die Mitträger dieser Wiederaufnahme, und die Gespräche finden ja auch unter ihrer Leitung statt. Das ist hoffnungsvoll, zumindest im Hinblick darauf, dass diese Gespräche ein Jahr lang nicht stattgefunden haben.“

Zeichnen sich bereits erste Tendenzen bei diesen Gesprächen ab?

„Wir sind froh, dass die Tage vom Zeitplan her voll werden. Das ist schon ein gutes Zeichen. Sie sind jetzt auf einer Beraterebene, also nicht die maßgeblich Verantwortlichen Ministerpräsident und Präsident, aber man soll vielleicht manchmal kleiner anfangen, um das auch richtig aufzubauen. Und ich glaube das geschieht im Moment.“

Neuerlich hat der Papst eine Zweistaatenlösung im Heiligen Land angemahnt: Israelis und Palästinenser haben beide ein Recht auf je einen eigenen Staat. Haben Sie den Formulierungen Papst Benedikt neue Nuancen entnehmen können?

„Es ist nicht neu, das hat er auch in seinem Besuch im Heiligen Land gesagt, das wurde auch sehr nuanciert vom vatikanischen Außenminister Mamberti in der UN-Vollversammlung gesagt. Ich entnehme aber aus den Worten des Papstes eine sehr interessante Bemerkung, die ist wirklich nuanciert, muss ich sagen. Der Papst nimmt, ohne es direkt zu sagen, auch Stellung zu den internationalen Bestrebungen. Damit ist sicherlich die UN-Vollversammlung letzten Jahres gemeint [bei der die Palästinenser versuchten, die Anerkennung eines Palästinenserstaates zu erlangen, Anm.d.Red.]. Darin meint er, dass sich die Seiten mehr anstrengen sollen, das kann durchaus so verstanden werden. Auch Mamberti als Außenminister hat nicht nur die Zweistaatenlösung positiv bewertet, sondern auch betont, dass diese Lösung durch Verhandlungen erreicht werden kann, wenn auch möglichst direkten Verhandlungen. Und dies ist ja in der UN-Vollversammlung mit den Palästinensern nicht geschehen. Als Schlussfolgerung aus der Papstrede kann also gezogen werden, dass es diesmal nicht ohne den Partner [Israel] zu schaffen ist.“

Zu Israels Nachbar Syrien sagt der Papst, er wünsche sich ein sofortiges Ende des Blutvergießens und die Präsenz unabhängiger Beobachter. Was denkt man in Israel über unabhängige Beobachter in Syrien?

„Diese unabhängigen Beobachter gibt es ja gewissermaßen als Repräsentanten der arabischen Liga. Ich habe das so verstanden. Aber es kann sein, dass hier mehr gemeint ist, als ich verstanden habe. Dass das mit relativ klaren Worten gesagt worden ist, ist erfreulich. Es spricht auch für die Bestrebungen des Vatikans, immer die Menschenrechte zu beachten und darauf aufzurufen und hinzuweisen.
Ich glaube, dass sie hier auch eine Lösung vorgezeichnet wird, dass heißt man muss keine gewaltsame Lösung anstreben, sondern eine Verhandlungslösung zwischen den beiden Seiten. Das erinnert mich etwas an Libyen. Libyen wurde zwar nicht extra erwähnt, aber auch hier war der Vatikan immer, wenn es nur geht, für Verhandlungslösungen und nicht Gewalt. Deswegen muss man abwarten, wie es sich in Syrien halten wird. Es kann sein, dass nichts zu verhandeln sein wird. Wir wissen ja nicht, was der Tag bringen wird. Der Vatikan hat seine eigene Haltung, die konsequent ist, wie in Libyen, so auch in Syrien. Komme was wolle sozusagen. Wir wissen nicht, was der Tag bringen wird.“

Zum Umbruch in Nordafrika und Nahost: Der Papst lädt die internationale Gemeinschaft dazu ein, mit den Akteuren der gegenwärtigen Umbruchprozesse zu sprechen. Dabei sollen sie sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Errichtung stabiler Staaten, in denen niemand diskriminiert wird, Zeit braucht, und zwar mehr als nur bis zur nächsten Wahl. Ihre Interpretation dazu?

„Erstens ist es eine richtige Bemerkung. Zweitens er hat sehr oft die Jugend angesprochen, und darin liegt sicherlich die Zukunft. Dass es Umbrüche gibt, ist nichts Neues. Aber wenn es hier etwas Neues gibt, ist es das, dass die Umbrüche von der Jugend ausgehen, in einer patriarchalischen Gesellschaft wie die der arabischen im Nahen Osten, wo gerade das Alter eine große Rolle spielt.“

„Was sind generell im Moment die wichtigsten gemeinsamen Sichtweisen von Israel und dem Heiligen Stuhl auf politischer Ebene, und in welchen Punkten weicht man voneinander ab?

„Der Papst hat über die erreichten Abkommen geredet, die 2011 unterzeichnet worden sind. Er sagte, dass er hofft, dass auch weitere hinzukommen. Da habe ich mich natürlich persönlich angesprochen gefühlt, weil wir ja noch Verhandlungsrunden haben.“

Sie sprechen von den Verhandlungen über den Status der katholischen Kirche und von den zu regelnden Steuerfragen…?

„Hier, muss ich sagen, gibt es sehr gute Fortschritte. Ich darf hoffnungsvoll sein, kann aber auch kein Prophet werden, denn die falschen Propheten sind ja gesteinigt worden. Aber hoffnungsvoll sind wir, und ich hoffe, dass ich auch im Heiligen Stuhl, in der Kurie Partner habe, die die Situation genauso empfinden.“

(rv 09.01.2012 gs)









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