Vatikan-Bibliothek: Manuskripte digitalisieren mit Hilfe aus Heidelberg
Die Zukunft großer
Bibliotheken liegt in der Digitalisierung ihrer Bestände. Dieser Erkenntnis verschließt
sich auch die päpstliche Buchsammlung nicht. Im Gegenteil, sie ist geradezu Avantgarde
bei der digitalen Erschließung und Verfügbarmachung ihrer Schätze. Alle 80.000 Handschriften,
die in der Vatikan-Bibliothek verwahrt werden, sollen digital erfasst werden. Ein
Projekt langen Atems, dem im Moment noch die finanziellen Mittel fehlen. Allerdings:
In den nächsten Tagen startet an der Vatikan-Bibliothek eine wichtige Etappe in der
Digitalisierung von Handschriften, erklärte uns Cesare Pasini, der Präfekt der Bibliothek.
„Das ganze Projekt ist auf zehn Jahre angelegt. Wir versuchen, in die Realisierung
einzusteigen, indem wir Möglichkeiten nutzen, die uns vorgeschlagen werden. Die wichtigste
davon betrifft unseren Bestand der „palatinischen Handschriften“ [also den vatikanischen
Teil der Heidelberger „Bibliotheca Palatina“. Anm.], und hier besonders die lateinischen,
das sind ungefähr 2000 Codices. Die Universitätsbibliothek Heidelberg hat mit uns
schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet, um 142 Manuskripte aus dem Kloster
Lorsch zu digitalisieren; und sie plant jetzt im Lauf der nächsten Jahre, alle bei
uns verwahrten lateinischen Handschriften der „Palatina“ komplett zu digitalisieren.
In diesen Tagen beginnen wir damit.“
Die „Bibliotheca Palatina“ gilt als
eine der wertvollsten Handschriften-Sammlungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.
Sie entstand in Heidelberg und kam 1623 an den Vatikan, der die deutschsprachigen
Handschriften rund 200 Jahre später zurückgeben musste. Hingegen liegen die Drucke
und die fremdsprachigen Manuskripte der „Bibliotheca Palatina“ noch heute im Vatikan.
Der Heidelberger Teil der „Bibliotheca Palatina“ ist übrigens bereits seit 2009 vollständig
digitalisiert.
Eine Testphase der Digitalisierung ist an der Vatikan-Bibliothek
schon seit längerem abgeschlossen, sagt Präfekt Pasini. Man hat sich für ein Format
namens „fits“ entschieden, das bisher in der Raumfahrt und in der Nuklearmedizin Anwendung
fand, aber noch nie in einer Bibliothek.
„Das gewählte Format hat den Vorteil,
keine Handelsmarken, sondern frei für die universelle Forschung der Wissenschaftler
zu sein. Es ist sehr flexibel und einfach, so dass es schon vierzig Jahre überlebt
hat – eine Ewigkeit in der Welt der Informationstechnologie. Deshalb kann man davon
ausgehen, dass dieses Format weiterhin benutzt werden wird, und tatsächlich wird das
von der Informatik sehr unterstützt. 5:00 Fits kommt zur Anwendung, um die komplexesten
und genauesten Bilder zu speichern, die in bestimmten Bereichen gebraucht werden.
Entwickelt hat es die US-Raumfahrtsbehörde NASA.“
Pasini wünscht sich,
dass auch andere bedeutende Bibliotheken das Potential des fits-Systems erkennen,
sodass es ein ISO-Standard für die Konservierung von digitalen Bildern wird. Die Informatik
ist da freilich aufgeschlossener als die Büchersammlungen, bekennt der Bibliotheks-Präfekt.
Jedenfalls: Die Vaticana geht in Sachen Digitalisierung mit Zuversicht in die Zukunft.
In zehn Jahren will sie alle ihre 80.000 Manuskripte im Internet gratis zugänglich
machen.
„Das ist eine Politik, die der Heilige Stuhl mit der Vatikan-Bibliothek
seit Jahrhunderten verfolgt: Wer die Manuskripte erforschen möchte und die fachlichen
Voraussetzungen dafür hat, kann bei uns frei forschen und zur Verbreitung dieser Schätze
der Menschheit beitragen. Das ist ein Service, den sich der Heilige Stuhl seit Jahrhunderten
auch einiges kosten lässt. Da liegt es auf der Linie, dass auch Forscher Zutritt haben
sollen, die nicht persönlich kommen können, aber über die Internet-Seite der Bibliothek
zugreifen möchten. Wir haben den Wunsch, innerhalb des Jahres 2012 eine erste große
Gruppe von digitalisierten Manuskripten veröffentlichen zu können.“ (rv 06.12.2012
gs)