Die katholischen Bischöfe haben zum neuen Jahr vor der Illusion grenzenlosen Wachstums
gewarnt und ein neues Nachdenken über den Kurs der Gesellschaft gefordert. Sie mahnten
in ihren Predigten zum Jahreswechsel zugleich zu „erhöhter Wachsamkeit“ gegenüber
Rechtsextremismus. Mit Blick auf die Debatte um Bundespräsident Christian Wulff sprachen
sie sich für Vertrauen in demokratische Institutionen aus und forderten die Christen
auf, sich aktiv für die Gesellschaft einzusetzen.
Einen Schulterschluss aller
Verantwortlichen zum Schuldenabbau forderte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch. „Wer dermaßen Schulden macht, macht sich schuldig“,
sagte der Erzbischof im Freiburger Münster. Zollitsch betonte, in einer unzeitgemäßen
Erwartung an Wachstum liege immenser sozialer Sprengstoff, und im überzogenen Anspruch
auf Wohlstand ticke eine Zeitbombe. Der Erzbischof rief auch dazu auf, rechtsextremes
Gedankengut „bereits im Keim zu ersticken und Gewalt gegen Mitmenschen unmissverständlich
zu verurteilen“.
Bei dem von der Bischofskonferenz angeregten Dialogprozess
zur Zukunft der Kirchen wollen die Bischöfe nach Zollitschs Worten Zuhörer sein. Sie
seien entsprechend dem Motto des Mannheimer Katholikentages 2012 bereit, einen neuen
Aufbruch zu wagen. Dabei gehe es aber nicht um eine „Jetzt-geht's-los-Rhetorik“, sondern
um die Wahrnehmung, dass Gott den Dialog mit den Menschen suche.
Auch der
Mainzer Kardinal Karl Lehmann warnte vor Habgier und Habsucht. Leben werde
nur gelingen, wenn man wieder lerne, maßzuhalten, sagte Lehmann im Mainzer Dom. Dagegen
werde auch verstoßen, wenn staatlicherseits in fast unvorstellbaren Größenordnungen
Schulden gemacht und damit auch die künftigen Generationen belastet würden. Die letzten
Monate hätten gelehrt, dass ganze Staaten sich ein „Gefängnis aus Schulden“ schafften.
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx führte die Finanzkrise Europas
auf einen unverantwortlichen Gebrauch der Freiheit zurück. „Ohne Verantwortung führt
uns die Freiheit in Knechtschaft und Unterdrückung.“ Zukunftsfähig sei eine Gesellschaft
nur mit Menschen, die verantwortlich handelten und dazu einen „breiten Raum des Wissens,
der Moral, des Nachdenkens und der religiösen Fundierung“ mitbrächten, so Marx.
Der
Hamburger Erzbischof Werner Thissen rief zu „erhöhter Wachsamkeit“ gegenüber
Rechtsextremismus auf. In Mecklenburg seien die Neonazis etwa im Anwerben junger Menschen
besonders aktiv, betonte er. Thissen kritisierte zudem die deutschen Waffenexporte.
Sie gingen auch in Länder, „die brutal Menschenrechte verletzen“.
Der Erfurter
Bischof Joachim Wanke mahnte einen „pfleglicheren“ Umgang mit den demokratischen
Institutionen an. Im MDR wandte er sich dagegen, „dass zunehmend Kritik an einer bestimmten
Sache übergeht in grundsätzliches Misstrauen gegen staatliche Verantwortungsträger“.
Deren Handeln müsse zwar kontrolliert werden, „durch generelle Herabsetzung und Dauerverdächtigung“
werde es aber nicht besser.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner forderte
mit Blick auf den Papstbesuch im September eine Entweltlichung der Kirche. „Wir haben
in den letzten Jahrzehnten in unserer Mitte eine Selbstsäkularisation vorgenommen,
indem wir die Ansprüche an uns selbst als Christen, an unsere kirchliche Herausforderung
in der Gesellschaft immer tiefer gehängt haben“, kritisierte er.
Der deutsche
Ökumene-Bischof Gerhard Ludwig Müller erinnerte ebenfalls an den Papstbesuch.
„Wer geschichtlich und theologisch die ganze Dramatik der Glaubens- und Kirchenspaltung
in unserer deutschen Heimat kennt, dem leuchtet unmittelbar ein, dass die Botschaft
des Heiligen Vaters im Erfurter Augustinerkoster eine historische Weichenstellung
für die Ökumene war“, so Müller in Regensburg. Die Hoffnung auf die Wiederherstellung
der vollen Einheit der Kirche habe „einen mächtigen Impuls erhalten“.
Der Osnabrücker
Bischof Franz-Josef Bode erinnerte an das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965),
dessen Beginn sich 2012 zum 50. Mal jährt. Die Kirche brauche „eine noch tiefere und
entschlossenere Aneignung der prophetischen Aussagen des Konzils“, forderte der Bischof
und verwies auf die Aussagen des Konzils zur Ökumene, dem Verhältnis zu Judentum,
Islam und den anderen Religionen, zur Liturgie und zur Rolle der Kirche in der Welt.
„Wir brauchen auch bei Entscheidungsträgern der Kirche den Mut, neu an die Aufbrüche
des Konzils anzuknüpfen und denen deutlich zu widerstehen, die das Rad rückwärts drehen
wollen.“ (kna 01.01.2012 sk)