Abt Maximilian Heim
OCist von Stift Heiligenkreuz hat uns durch den Advent begleitet, er spricht auch
die Betrachtung zum Weihnachtsfest. Joh 1, 1-18
Im Anfang war das Wort, und
das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles
ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In
ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet
in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch
auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis
abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht
selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht,
das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt
ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum,
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht,
Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem
Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern
aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt
und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom
Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser
war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er
vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn
das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus
Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen
des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
Liebe Hörerinnen und Hörer! Liebe
Schwestern und Brüder in Christus!
Ihnen allen eine gnadenreiches Weihnachtsfest!
Gott ist Mensch geworden. Er ist ein Kind geworden. Auf diese Weise erfüllt er seine
uralte Verheißung, dass er der „Immanuel, der Gott mit uns“ ist.
Vor einiger
Zeit sprach ich mit einem jungen Mann, der ungetauft in einem atheistischen Milieu
in der Nähe von Berlin aufgewachsen ist. Er bekannte:
„Ich spürte schon mein
ganzes Leben lang das Rufen Gottes und den starken Drang, mich mit Glaubensinhalten
zu befassen. Leider habe ich mich in den letzten Jahren mehr mit esoterischen Dingen
und östlichen Religionen befasst, bis ich schließlich vor ca. 2 Jahren anfing, mich
mit dem Christentum auseinanderzusetzen. Und wie soll ich es sagen … Dieser Ruf war
so groß, dass ich meinem Glauben entgegenlief.“
Gott ist uns so nahe gekommen,
so einfach geworden. Gott bietet uns gleichsam das „Du“ an, indem er ein Kind wird.
Er ist für niemanden mehr unerreichbar.
Und wir? Haben wir noch Kontakt zu
ihm? Oder geht es uns wie es dramatisch im Johannesevangelium heißt: „Das Licht leuchtet
in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. - Er kam in sein Eigentum,
aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“
Dazu passt eine rabbinische Geschichte,
die einmal Papst Benedikt für eine Weihnachtsbetrachtung verwendete. Sie erzählt,
dass ein kleiner Junge zu seinem Großvater, dem berühmten Rabbi Baruch, weinend ins
Zimmer kam. Große Tränen rollten ihm über die Wangen. Warum? Beim Versteckspiel hat
sein Freund einfach aufgehört, ihn zu suchen, und ist weggegangen. Nachsinnend sagt
der Rabbi mit Tränen in den Augen „Denk dir nur: Gott verbirgt sich, und wir Menschen
suchen ihn nicht einmal.“
Ist nicht das unser Problem? Gott macht sich so klein.
Er blendet uns nicht mit dem Glanz seiner Herrlichkeit. Er zwingt uns nicht in die
Knie mit seiner Macht. Nein, Er will Liebe! Liebe, die nicht erzwungen werden kann,
Liebe, die sehnsüchtig sucht und findet. Und wo finden wir diese Liebe? Im Kind von
Bethlehem, in einem Stall. -
Aber gibt es nicht doch Hoffnungszeichen? Ganz
erstaunt reagieren viele Medien, dass heute der Glaube an Gott wieder wächst. Und
gibt uns Gott nicht ein unruhiges Herz, damit wir ihn suchen und finden?
Ja,
Gott zeigt uns seine Spuren! Schon seine Schöpfung spricht von ihm. Ja, er offenbart
sich, indem er immer wieder Menschen konkret anspricht: „Viele Male und auf vielerlei
Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten. In dieser Endzeit
– so hörten wir in der Lesung – hat er zu uns gesprochen durch den Sohn.“
Gott
ist die ganze Leiter der Entfernungen zwischen ihm und uns heruntergestiegen bis zum
Kindsein. Er läuft uns förmlich nach, damit wir nicht aufhören, ihn zu suchen; damit
wir fähig werden, ihn zu finden.
In keiner Religion gibt es etwas Vergleichbares
zu diesem Geheimnis der Niedrigkeit. Er, durch dessen Wort alles geschaffen wurde,
hat in der Niedrigkeit seine Weise der Liebe und in der Ohnmacht seine Weise der
Allmacht offenbart. Wer anfängt, sie zu verstehen, der sinkt in die Knie und wird
erfüllt von der großen Freude, die der Engel in der Heiligen Nacht verkündet hat.
„Transeamus
usque Bethlehem - lasst uns hinübergehen nach Bethlehem“, haben die Hirten zueinander
gesagt. „Transeamus usque Bethlehem“ - diese Aufforderung will die Kirche sprechen
in unsere Herzen. Sie will uns einladen, aufzubrechen; einladen, hinüberzugehen und
ihn anzubeten. Venite adoremus! Kommt, lasset uns ihn anbeten.
Wenn wir ihn
finden wollen, müssen wir die Straße der Widersprüche mit unserem Herzen überschreiten
und den Weg der Verwandlung finden, bis das Kind von Bethlehem sichtbar und hörbar
wird.
Am Ende meiner Predigt soll das eine wahre Begebenheit demonstrieren.
Beim Weltjugendtag in Köln kamen indonesische Mädchen auf ihrem Weg zu ihrem Quartier
täglich an einer indonesischen Prostituierten vorbei, der sie begeistert von ihrem
Erlebnissen beim Weltjugendtag erzählten. Am letzten Tag aber fingen die Teilnehmerinnen
des Jugendtreffens plötzlich hemmungslos zu weinen an. Warum? Weil sie tief traurig
waren, dass diese Prostituierte die Freude der Begegnung mit Christus nicht erleben
konnte.
Diese Begebenheit wissen wir nicht von den Jugendlichen, sondern von
dieser missbrauchten Frau, die wenig später einen Priester anrief und fragte, wie
man Christin werden könne. Es sei das erste Mal gewesen, dass Menschen aus Liebe zu
ihr geweint hätten.
Um Gott zu begegnen, sagt der heilige Apostel Paulus, brauchst
du keinen Ozean zu überqueren. Du brauchst nicht zum Himmel hinaufzusteigen oder in
die Unterwelt hinabzufahren (vgl. Röm 10, 5-8; Dtn 30,11-14). Das ist heute alles
möglich. Und wir tun es, aber nicht, um Gott zu suchen, schon eher, um ihm auszuweichen.
Gott,
so sagt Paulus, ist dir ganz nahe. Er ist in deinem Mund und in deinem Herzen (Röm
10,8-10; Dtn 30,14). Im ganz Nahen müssen wir ihn suchen. „Du brauchst Gott nur entgegen
zu gehen bis zu Dir selbst…“ wie es unser Ordensvater, der Hl. Bernhard von Clairvaux
formuliert hat.
„Transeamus usque Bethlehem!“ Bitten wir den Herrn, dass er
uns anstößt, aufweckt wie er es mit den Hirten getan hat. Dass er uns fähig macht,
aufzubrechen und hinüberzugehen, damit auch durch uns anderen Menschen die große Freude
zuteil werde, die allem Volke gilt: „Siehe, euch ist in der Stadt Davids der Heiland
geboren, Christus, der Herr!“ Kommt lasset uns ihn anbeten! Amen.