2011-12-24 11:58:57

Die Betrachtung zum Weihnachtsfest


RealAudioMP3 Abt Maximilian Heim OCist von Stift Heiligenkreuz hat uns durch den Advent begleitet, er spricht auch die Betrachtung zum Weihnachtsfest. Joh 1, 1-18

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.
Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.
Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.
Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.
Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.
Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben,
die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.
Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.
Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.
Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.



Liebe Hörerinnen und Hörer!
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Ihnen allen eine gnadenreiches Weihnachtsfest! Gott ist Mensch geworden. Er ist ein Kind geworden. Auf diese Weise erfüllt er seine uralte Verheißung, dass er der „Immanuel, der Gott mit uns“ ist.

Vor einiger Zeit sprach ich mit einem jungen Mann, der ungetauft in einem atheistischen Milieu in der Nähe von Berlin aufgewachsen ist. Er bekannte:

„Ich spürte schon mein ganzes Leben lang das Rufen Gottes und den starken Drang, mich mit Glaubensinhalten zu befassen. Leider habe ich mich in den letzten Jahren mehr mit esoterischen Dingen und östlichen Religionen befasst, bis ich schließlich vor ca. 2 Jahren anfing, mich mit dem Christentum auseinanderzusetzen. Und wie soll ich es sagen … Dieser Ruf war so groß, dass ich meinem Glauben entgegenlief.“

Gott ist uns so nahe gekommen, so einfach geworden. Gott bietet uns gleichsam das „Du“ an, indem er ein Kind wird. Er ist für niemanden mehr unerreichbar.

Und wir? Haben wir noch Kontakt zu ihm? Oder geht es uns wie es dramatisch im Johannesevangelium heißt: „Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. - Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Dazu passt eine rabbinische Geschichte, die einmal Papst Benedikt für eine Weihnachtsbetrachtung verwendete. Sie erzählt, dass ein kleiner Junge zu seinem Großvater, dem berühmten Rabbi Baruch, weinend ins Zimmer kam. Große Tränen rollten ihm über die Wangen. Warum? Beim Versteckspiel hat sein Freund einfach aufgehört, ihn zu suchen, und ist weggegangen. Nachsinnend sagt der Rabbi mit Tränen in den Augen „Denk dir nur: Gott verbirgt sich, und wir Menschen suchen ihn nicht einmal.“

Ist nicht das unser Problem? Gott macht sich so klein. Er blendet uns nicht mit dem Glanz seiner Herrlichkeit. Er zwingt uns nicht in die Knie mit seiner Macht. Nein, Er will Liebe! Liebe, die nicht erzwungen werden kann, Liebe, die sehnsüchtig sucht und findet. Und wo finden wir diese Liebe? Im Kind von Bethlehem, in einem Stall. -

Aber gibt es nicht doch Hoffnungszeichen? Ganz erstaunt reagieren viele Medien, dass heute der Glaube an Gott wieder wächst. Und gibt uns Gott nicht ein unruhiges Herz, damit wir ihn suchen und finden?

Ja, Gott zeigt uns seine Spuren! Schon seine Schöpfung spricht von ihm. Ja, er offenbart sich, indem er immer wieder Menschen konkret anspricht: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten. In dieser Endzeit – so hörten wir in der Lesung – hat er zu uns gesprochen durch den Sohn.“

Gott ist die ganze Leiter der Entfernungen zwischen ihm und uns heruntergestiegen bis zum Kindsein. Er läuft uns förmlich nach, damit wir nicht aufhören, ihn zu suchen; damit wir fähig werden, ihn zu finden.

In keiner Religion gibt es etwas Vergleichbares zu diesem Geheimnis der Niedrigkeit. Er, durch dessen Wort alles geschaffen wurde, hat in der Niedrigkeit seine Weise der Liebe und in der Ohnmacht seine Weise der Allmacht offenbart. Wer anfängt, sie zu verstehen, der sinkt in die Knie und wird erfüllt von der großen Freude, die der Engel in der Heiligen Nacht verkündet hat.

„Transeamus usque Bethlehem - lasst uns hinübergehen nach Bethlehem“, haben die Hirten zueinander gesagt. „Transeamus usque Bethlehem“ - diese Aufforderung will die Kirche sprechen in unsere Herzen. Sie will uns einladen, aufzubrechen; einladen, hinüberzugehen und ihn anzubeten. Venite adoremus! Kommt, lasset uns ihn anbeten.

Wenn wir ihn finden wollen, müssen wir die Straße der Widersprüche mit unserem Herzen überschreiten und den Weg der Verwandlung finden, bis das Kind von Bethlehem sichtbar und hörbar wird.

Am Ende meiner Predigt soll das eine wahre Begebenheit demonstrieren. Beim Weltjugendtag in Köln kamen indonesische Mädchen auf ihrem Weg zu ihrem Quartier täglich an einer indonesischen Prostituierten vorbei, der sie begeistert von ihrem Erlebnissen beim Weltjugendtag erzählten. Am letzten Tag aber fingen die Teilnehmerinnen des Jugendtreffens plötzlich hemmungslos zu weinen an. Warum? Weil sie tief traurig waren, dass diese Prostituierte die Freude der Begegnung mit Christus nicht erleben konnte.

Diese Begebenheit wissen wir nicht von den Jugendlichen, sondern von dieser missbrauchten Frau, die wenig später einen Priester anrief und fragte, wie man Christin werden könne. Es sei das erste Mal gewesen, dass Menschen aus Liebe zu ihr geweint hätten.

Um Gott zu begegnen, sagt der heilige Apostel Paulus, brauchst du keinen Ozean zu überqueren. Du brauchst nicht zum Himmel hinaufzusteigen oder in die Unterwelt hinabzufahren (vgl. Röm 10, 5-8; Dtn 30,11-14). Das ist heute alles möglich. Und wir tun es, aber nicht, um Gott zu suchen, schon eher, um ihm auszuweichen.

Gott, so sagt Paulus, ist dir ganz nahe. Er ist in deinem Mund und in deinem Herzen (Röm 10,8-10; Dtn 30,14). Im ganz Nahen müssen wir ihn suchen. „Du brauchst Gott nur entgegen zu gehen bis zu Dir selbst…“ wie es unser Ordensvater, der Hl. Bernhard von Clairvaux formuliert hat.

„Transeamus usque Bethlehem!“ Bitten wir den Herrn, dass er uns anstößt, aufweckt wie er es mit den Hirten getan hat. Dass er uns fähig macht, aufzubrechen und hinüberzugehen, damit auch durch uns anderen Menschen die große Freude zuteil werde, die allem Volke gilt: „Siehe, euch ist in der Stadt Davids der Heiland geboren, Christus, der Herr!“ Kommt lasset uns ihn anbeten! Amen.


(rv 24.12.2011 ord)








All the contents on this site are copyrighted ©.