„Please come home
for christmas“: Das war in den sechziger Jahren ein Hit des US-Bluessängers Charles
Brown. „Komm an Weihnachten nach Hause“, so nennen auch die die Bischöfe von England
und Wales eine Kampagne, die gerade läuft. Sie soll Katholiken wieder anlocken, die
sich innerlich und äußerlich von der Kirche entfernt haben, die am Sonntag nicht mehr
hingehen. Eine Webseite bietet praktische Hilfe für alle, die vielleicht wieder kommen
wollen; vor allem aber erzählt sie die Geschichten einiger „Rückkehrer“.
„Ich
heiße Schwester Julie und komme aus Hampshire. Ich komme aus einer katholischen Familie,
aber in meiner Schulzeit fremdelte ich mit der Kirche – mir war nicht klar, warum
man eigentlich in die Messe gehen sollte, und darum hörte ich auf damit. Später wollte
es dann der Zufall, dass ich für eine Outdoor-Reiseagentur arbeitete, die der Kirche
gehörte; ich organisierte für sie Camping-Freizeiten usw. Eines Tages meinte der Kaplan,
dass es da Mitarbeiter gebe, die nicht den katholischen Glauben praktizieren, das
finde er kein gutes Beispiel. Da sagte ich: Also, ich gehöre auch zu denen!“
Das
ist eine von vielen kleinen Geschichten auf der Homepage von „Come back for Christmas“.
„Your story“ heißt die Überschrift: Deine Geschichte. Man kann kleine Videos anklicken,
dann fangen Menschen an zu erzählen. Schwester Julie ist Dominikanerin, sie steht
in dem Video auf freiem Feld, man hört den Wind ins Mikro pfeifen. Sie erinnert sich
an diesen Tag, als der Kaplan sagte: Das finde ich kein gutes Beispiel.
„
Und auf einmal hatte ich innerlich den Wunsch, irgendwie zurückzukommen zur Glaubenspraxis
– ich wusste aber nicht wie. Mir war das auch ziemlich peinlich und unangenehm, ich
schämte mich. Andererseits sagte ich mir: So was solltest du jetzt durchziehen. Ich
ging also zu ein paar Meetings und lernte da Aspekte des katholischen Glaubens kennen,
von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte; und später wurde ich in einer sehr
einfachen Zeremonie wieder in die Kirche aufgenommen. Mein Gefühl war: Danke, ich
bin endlich wieder da!“
„Liebe Freunde, herzlich willkommen!“ Das schreibt
der frühere Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy O`Connor, auf der Startseite
im Internet. Und weiter: „Kommt auf eure eigene Weise, nehmt euch alle Zeit, die ihr
braucht. Wir würden gern eure Geschichte hören und aus euren Erfahrungen lernen. Ihr
gehört zum Leib Christi – kommt!“
„Ich bin 45 Jahre alt und bin Ire; man
hat mich katholisch aufgezogen. Ich bin Single, habe aber eine Tochter. Ich war eine
Weile weg von der Kirche – seit ich siebzehn war oder so, also seit etwa 25 Jahren
mittlerweile. Ich habe zwar weiter an Gott geglaubt und auch immer gerne Weihnachten
gefeiert, aber zur Kirche bin ich praktisch nicht mehr gegangen. In den letzten Jahren
hatte ich zwar keine richtige Krise, aber als ich den Bestseller „Da Vinci Code“ von
Dan Brown las, dachte ich: Das ist ja ein tolles Abenteuer. Mir war zwar klar, dass
das mit dem Heiligen Gral alles erfunden war und dass das auch nicht stimmte, dass
Jesus Nachkommen hatte – aber der „Da Vinci Code“ weckte sozusagen mein Interesse
an Kirchenarchitektur, an Kirchen- und an Religionsgeschichte. Und dadurch fing ich
auf einmal wieder an, in die Kirche zu gehen.“
Das erzählt Dean, ein dicklicher
Mann, der in einem Restaurant an einem Tisch sitzt, vor sich die Salz- und Pfefferfässchen.
Die Überschrift über seinem Video heißt: „Dan Browns Bestseller brachte ihn zurück.“
„Ich
war zufällig an einem Samstagabend in einer Kirche, da wurde gerade gebeichtet. Also
ging ich auch zur Beichte, und ich sagte dem Priester: Das ist jetzt etwa 20 Jahre
her, dass ich nicht mehr beichten war. Da meinte er: Willkommen zurück! Gott hat dich
zurückgebracht. Und da hatte ich das Gefühl: Gott liebt mich. Er liebt jeden, auch
mich, und dass ich so lange weg war von der Kirche, ist für ihn gar nicht so schlimm...“
Josephine
ist eine Frau mit Brille, geschätzte fünfzig. In ihrem Video sieht man sie zuhause
im Wohnzimmer mit Blick in den Garten. „Spiritualität“ ist der Obertitel.
„Ich
bin die älteste von drei Töchtern; meine Mutter kam aus Irland, mein Vater war Pole.
Er kam während des Zweiten Weltkriegs als Pilot nach England und wurde abgeschossen;
meine Mutter traf er im Krankenhaus. Sie emigrierten nach Argentinien, wo ich geboren
wurde, dann lebten wir in Kanada und schließlich in England. Ich war als Kind eigentlich
ziemlich fromm und betete auch viel, aber das gab sich dann immer mehr, je älter ich
wurde. Als ich so 18, 19 war, hörte ich auf damit, in die Kirche zu gehen, außer bei
Hochzeiten oder Beerdigungen. Später fing dann aber das Thema Spiritualität an, mich
zu interessieren; ich lebte auch eine Weile in Japan und lernte da den Zen-Buddhismus
kennen. Ich ging sogar auf Hindu-Meditationstreffen.“
Dass sie irgendwann
zur Kirche zurückkehrte, war für Josephine „eigentlich gar keine Rückkehr – denn ich
kam nicht an die selbe Stelle zurück, sondern in etwas völlig Anderes“, sagt sie.
„Das gestaltete sich ziemlich allmählich; ich war sehr an der Arbeit mit
Flüchtlingen und Asylsuchenden interessiert, und die Engagierten, die ich da traf,
waren in der Regel Christen. Ich ging auch jeden Tag an einer Kirche vorbei und hatte
immer das Gefühl, eigentlich müsstest du da mal reingehen! An einem Karfreitag fing
ich dann auf einmal damit an, zur Kirche zu gehen; es hat mich innerlich aufgewühlt.
Ich wurde eingeladen, dem Chor beizutreten, und habe da Freunde gefunden. Für mich
hat sich alles verändert. Das war das Beste, was ich je gemacht habe.“
„Ihre,
deine, meine Geschichte – das ist das, was wir alle mit uns tragen. Und wir schulden
uns gegenseitig den Respekt vor unseren Geschichten.“ Das ist das Zitat eines Dichters
oben auf der Homepage; das Foto dazu zeigt einen Irrgarten.
„Ich heiße Roy
und komme aus Birmingham. Mein Vater starb letztes Jahr, meine Mutter ist altersdement,
sie lebt in einem Heim. Ich war Lehrer, aber leider bekam ich vor zwölf Jahren MS,
und daraufhin hat man mich in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Man hat mich katholisch
erzogen, aber mein Vater war nie ein Kirchgänger, außer an Heiligabend. Meine Muter
hingegen bestand darauf, dass meine Schwester und ich jeden Sonntag mit ihr in die
Kirche gingen. Als ich etwa 14 war, hörte ich auf, in die Kirche zu gehen; weil ich
aber auf einer katholischen Schule war, bekam ich trotzdem immer noch ein bisschen
katholischen Input. Als ich später krank wurde und nicht mehr als Lehrer arbeiten
konnte, bin ich zurück zu meinen Eltern gezogen, aber dann starb wie gesagt mein Vater,
meine Mutter konnte wegen ihrer Demenz nicht mehr dort leben, und auf einmal war ich
da allein zuhause. Da fühlte ich eine große Leere.“
Der Mann, der das erzählt,
steht mit Hemd und Krawatte in einer modernen Kirche, im Altarraum.
„Ich
dachte immer: Da muss doch noch mehr sein als das hier. Eines Tages kam ich mit dem
Bus nach Birmingham rein und dachte die ganze Zeit: Was soll ich jetzt tun, einkaufen
wie die anderen? Nein, ich ging stattdessen in eine Kirche rein und fühlte auf einmal
eine Art Glück in mir. Das hat mein Leben verändert. Einfach, weil es mir einen Grund
gibt. Ich wache jetzt nicht mehr auf und denke: Schon wieder ein langweiliger Tag,
was muss ich heute alles machen... Ich denke: Schnell frühstücken, und dann in der
Kirche vorbeigehen! Die Kirche ist mein Leben geworden. Man sollte keine Angst vor
der Kirche haben, sondern einfach hineinspazieren und sagen: Hallo, da bin ich. Und
mit den Leuten da reden. Die Leute in der Kirche hören einem immer zu.“
„Haben
Sie Fragen?“ „Warum nicht – Hindernisse für eine Rückkehr.“ „Willkommensbotschaften.“
„Der nächste Schritt – was tun?“ „Kontakt“. Das sind einige Rubriken auf der Homepage
„Come back für Christmas“. Wenn man auf „Free“, also „Gratis“, klickt, kann man eine
Zeitschrift bestellen oder ein „Willkommen zurück“-Paket. Auch ein Gebet findet man
hier: „Jesus, sende mir jetzt deinen Heiligen Geist. Ich will dich neu und frisch
erfahren, komm in mein Herz... Danke, dass du nahe bist. Gib mir den Mut, auf die
Einladung zu antworten, die man mir schickt.“