2011-12-07 13:42:40

Kardinal Naguib: „Ägypten wird islamistisch, aber nur vorläufig“


RealAudioMP3 Ägypten wird mit großer Wahrscheinlichkeit nach dem Ende der Wahlen und nach dem Prozess der Verfassungsausarbeitung für einige Zeit ein islamistischer Staat sein. Das wird die Lage der Christen nicht einfacher machen. Diese Einschätzung machte das Oberhaupt der mit Rom unierten koptisch-katholischen Kirche, Patriarch und Kardinal Antonios Naguib, bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien. Die Islamisten dürften in der verfassungsgebenden Versammlung auf 75 bis 80 Prozent kommen, so der Kardinal. Er äußerte aber die Hoffnung, dass die Entwicklung nur vorläufig sein werde.

„Bürgerrechtsgruppen und Reformallianzen hatten vor dem Wahlsieg von Muslimbrüdern und Salafisten gewarnt. Die Gruppen wollten deshalb eine längere Vorbereitungszeit auf die Wahlen; sie dachten an Juni 2012. Aber die Islamisten machten Druck und forderten: jetzt!“

Für die Muslimbrüder habe dies eine Logik, „denn sie arbeiten schon seit 1928 an einer Machtübernahme, und sie haben dabei nie aufgehört, auch nicht im Gefängnis“.

„Jetzt hatten sie eine Gelegenheit gesehen, und die wollten sie ergreifen. Für sie hat immer die religiöse Komponente eines islamischen Staates im Mittelpunkt gestanden; sie wollen den anderen diese Sicht aufdrängen.“

Für die Christen würde die Umsetzung der Ideen der moderaten Muslimbrüder-Vertreter voraussichtlich noch keine entscheidende Veränderung ergeben, weil das ägyptische Rechtssystem bereits seit der Sadat-Regierung auf Scharia-Konformität Wert lege. „Wirklich kritisch“ wäre hingegen, wenn Vorstellungen der Salafisten umgesetzt würden. Die Gefahr einer Verschlechterung sei zwar reell, so Naguib.

„Aber selbst wenn wir ein islamistisches Regime bekommen, wird es nicht lange bestehen. Denn es entspricht nicht dem Geist der ägyptischen Zivilisation.“

Das koptisch-katholische Kirchenoberhaupt hält einen Exodus von vielen Christen für möglich. Allerdings sei das Auswandern schwierig, schon wegen der benötigten Visa. Naguib glaubt allerdings nicht an ein mögliches Ende des Christentums in Ägypten, vor dem einige Beobachter warnen:

„Selbst wenn eine halbe Million oder eine Million ginge, blieben immer noch sieben bis neun Millionen, die keine Möglichkeit haben, zu gehen. Ägyptens Christen wissen, dass ihr Kalender mit Märtyrern – jenen der Kirche von Alexandria – beginnt. Wir müssen derzeit keine Verfolgung befürchten. Sollte sie aber kommen, werden wir sie annehmen. Gott wird uns beistehen – mit der Kraft des Gebetes.“

Für die Zukunft wichtig werde in jedem Fall, dass sich die Christen nicht abkapseln. Alle christlichen Kirchen ermutigen ihre Mitglieder, am politischen Leben teilzunehmen. Ein anderer wichtiger Aspekt sei die Solidarität des Auslands mit den Kirchen in Ägypten. So sei etwa die koptisch-katholische Kirche in zahlreichen Sozialinitiativen für die arme Bevölkerung – Christen und Muslime – engagiert. Die Kirche bilde in ihren Schulen und Universitäten auch künftige Führungskräfte aus. Sie benötige aber für ihre Programme im Sozial- und Bildungsbereich weiterhin Unterstützung. Naguib dankte in diesem Zusammenhang insbesondere der österreichischen Dreikönigsaktion (DKA).

(kap 07.12.2011 mg)








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