Eindringlich ruft
der Heilige Stuhl das Regime in Syrien zu einem Ende der Gewalt auf. Am Freitag sprach
Vatikan-Vertreter Erzbischof Silvano Tomasi in Genf vor dem UNO-Menschenrechtsrat;
dabei erklärte er, die legitimen Ansprüche der syrischen Bevölkerung müssten gehört
werden. Am Samstag ging das Regime aber weiter gewaltsam gegen Demonstranten vor;
Nachrichtenagenturen sprechen von etwa zwanzig Todesopfern. Nach UNO-Angaben starben
seit Beginn der Proteste in Syrien im März mindestens 4.000 Menschen, darunter über
300 Kinder. Nun legt Vatikan-Erzbischof Tomasi im Interview mit uns nach:
„Die
Resolution des Menschenrechtsrates, dass die internationale Gemeinschaft ihr Mögliches
für den Respekt der Menschenrechte der Personen tun soll, ist ein Signal politischen
Willens, zu einer stabileren Lage in Syrien beizutragen. Die Resolution ist mit großer
Mehrheit verabschiedet worden: 37 Ja- und nur vier Gegenstimmen. Das Signal, dass
es einen politischen Willen gibt, diesem Land zu helfen, ist also da. Zweitens hat
die internationale Gemeinschaft die Verantwortung, nicht nur auf Sanktionen zu setzen
– wie sie es ja getan hat –, sondern alle Bedürfnisse aller Personen in Syrien zu
berücksichtigen! Ich meine sowohl die Minderheiten als auch die Personen, die an der
Macht sind. Vor allem sollte sie für die Zeit nach der Krise eine gerechte Teilhabe
aller Kräfte des Landes für einen Wiederaufbau garantieren, und für eine Möglichkeit
des einträchtigen, friedlichen Zusammenlebens.“
Mit dieser Überlegung
reagiert der Vatikan auf anhaltende Gedankenspiele über eine mögliche Intervention
von außen im syrischen Konflikt. Dem Heiligen Stuhl ist vor allem wichtig, dass das
Modell Syrien nicht gefährdet wird, also der Friede zwischen den religiösen Gruppen
im Land. Auf jeden Fall will man einen Exodus von Christen verhindern, wie es ihn
aus dem Irak gegeben hat und immer noch gibt.
„Der Heilige Stuhl sorgt
sich vor allem um die Opfer dieses Konfliktes zwischen Syriens Behörden und Demonstranten,
der sich jetzt schon seit vielen Wochen hinzieht. Die Gewalt hilft niemandem! Unsere
Linie heißt: Wir brauchen dringend Versöhnung, aber im Respekt der Menschenrechte
jeder Person. Um der Zukunft Syriens willen kann man nicht einfach weitermachen mit
der Gewalt, sondern muss Gespräche führen, damit die legitimen Rechte der Einzelnen
und der Minderheiten, die Syrien de facto ausmachen, respektiert werden und diese
verschiedenen Gemeinschaften stärker an der Führung des Landes beteiligt werden.“
Die
Arabische Liga hat dem syrischen Regime ein neues Ultimatum bis zu diesem Sonntag
gestellt: Präsident Baschar al-Assad solle Beobachter ins Land lassen, sonst gebe
es (beispiellos scharfe) Sanktionen. Die USA und die Türkei ließen wissen, dass sie
allmählich „die Geduld mit Damaskus verlieren“; so formulierte es US-Vizepräsident
Joe Biden zu Besuch in Istanbul. Allerdings ist der UNO-Sicherheitsrat in Sachen Syrien
gespalten, so dass von dort keine Entscheidung zu einem Eingreifen oder ein sonstiger
Beitrag zur syrischen Krise absehbar ist. Vatikan-Erzbischof Tomasi betont, die Forderungen
nach Änderungen in Syrien, wie die Demonstranten sie zum Ausdruck bringen, seien „legitim“:
„Natürlich!
Die Gesellschaft hat ein Recht darauf, am öffentlichen Leben teilzunehmen und ihre
grundlegenden Rechte respektiert zu sehen. Wir kondolieren den Familien der Opfer
und beten um Frieden... es geht letztlich um den Respekt der Würde und der freien
Entscheidungen jeder Person.“