2011-12-03 13:18:36

Durban: Afrika zeigt sich kämpferisch


RealAudioMP3 Dass die laufenden Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen im südafrikanischen Durban stattfinden, gibt dem Thema ein konkretes Gesicht: Während das Wetter in Durban in der vergangenen Woche verrückt spielte, tobt auch im Konferenzsaal dieses 17. UNO-Klimagipfels ein Sturm: vor allem die Afrikaner sind wütend. Sie fürchten, dass die Industrienationen eine Einigung blockieren. Eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls ist nämlich ebenso wenig in Sicht wie eine Sicherung des Grünen Klimafonds. Im Interview mit Radio Vatikan gewährt Thomas Hirsch, Klimaexperte des Hilfswerkes „Brot für die Welt“ und in Durban mit dabei, Einblicke in den aktuellen Verhandlungsstand. Die Konferenz geht am kommenden Donnerstag zu Ende.

Meine erste Begegnung mit dem Klimagipfel, das war mit einem Taxifahrer in Durban. Der hat sich fürchterlich aufgeregt und mir erzählt, dass er überhaupt nicht versteht, dass hier seit Jahren verhandelt wird und alle darüber reden, was in Zukunft passieren könnte, wenn man den Klimawandel nicht begrenzt. Er sagte dann: ,Wir reden doch nicht über die Zukunft! Wir hier sehen es jeden Tag!’ Das macht diesen Klimagipfel ein wenig anders als die anderen – es ist ein Klimagipfel, der in einer der Weltregionen stattfindet, die zu den Brennpunkten des Klimawandels zählt. Klimawandel findet hier und heute statt: Am Eröffnungswochenende wurde Durban und die weitere Umgebung von einem heftigen Unwetter heimgesucht, das dutzende von Toten in Townships verursachte. Dort kam es zu Erdrutschen in Folge des starken Regens – völlig unüblich zu dieser Jahreszeit, sagen die Leute hier, das hat man früher nicht gekannt...“


„Aufgeben des grünen Klimafonds wäre Bankrotterklärung“

Ziel der Klimakonferenz ist unter anderem die Konkretisierung des so genannten „Grünen Klimafonds“. Beschlossen worden war der eigentlich schon im mexikanischen Cancún. Was hat es damit auf sich?

„Der Grüne Klimafonds ,Green Climate Fund’ soll künftig das große Instrument sein, über das die Finanzierung von Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern, insbesondere in armen Entwicklungsländern, vonstattengehen soll. Die meisten dieser Länder sind ja so bitterarm, dass sie gar nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, die es bräuchte! Einem Land wie Eritrea zum Beispiel, das ganz stark von Dürren betroffen ist in den letzten Jahren – was dem helfen könnte, ist ein Versicherungsmechanismus, der Bauern gegen Ernteausfälle ein Stück weit absichert. Oder der Bau von viel höheren Dämmen in den niedrig liegenden und jetzt schrittweise schon überfluteten Gebieten in Bangladesch. Solche Maßnahmen müssen durch internationale Hilfe zusätzlich finanziert werden. Der Grüne Klimafond soll hierfür die Basis bilden...“

...und er sollte in Durban eigentlich unter Dach und Fach gebracht werden. Allerdings hört man, dass über die Strukturierung des Fonds derzeit heftig gestritten wird...

„Ja, im Augenblick sieht es kritisch aus, denn in der ersten Woche hat man sich nicht darauf verständigen können, den im Prinzip fertigen Vertrag, der im letzten Jahr von Experten ausgehandelt wurde, einfach so anzunehmen. Und jetzt wird das Konzept des Grünen Klimafonds von verschiedenen Seiten wieder in Frage gestellt, insbesondere auch von den Amerikanern. Und da muss man sehen, ob dieses Problem in der nächsten Woche, wenn dann auch die Minister anreisen, gelöst werden kann. Ein Scheitern des Grünen Klimafonds auf afrikanischem Boden wäre eine Bankrotterklärung und würde bedeuten, dass die Weltgemeinschaft das Prinzip der Solidarität in Punkto Klimawandel mit den Armen und besonders betroffenen Ländern aufgibt!“


Klimafond: Hier helfen, dort kürzen?

Im Streit um den Fond haben sich auch Hilfsorganisationen zu Wort gemeldet: Sie beklagen, dass ein Großteil des Geldes bereits zuvor versprochen war und jetzt einfach als Klimahilfe ,umetiketttiert’ worden ist. Was ist da dran?

„Ja, das ist in der Tat ein weiteres großes Problem: Woher kommt das Geld? Wer bezahlt wie viel? Und: Ist es wirkliches neues, zusätzliches Geld? Das ist in den Klimaverhandlungen spätestens in Bali 2007 festgelegt worden. Der Klimawandel kommt ja zu den bereits existierenden Entwicklungsproblemen hinzu. Und was nicht sein darf, ist, dass man Geld von der rechten in die linke Tasche wirtschaftet. Das heißt zum Beispiel in Tansania Geld für die Bekämpfung des Klimawandels gibt, dafür aber bei der Bekämpfung von Malaria oder HIV Abstriche macht. Und da muss man sagen, gibt es großes Misstrauen in vielen Ländern, auch berechtigtes Misstrauen, dass viele der Mittel, die fließen oder fließen sollen, aben nicht neu sind, sondern bei anderen Bereichen abgezwackt werden. Das könnte man lösen, indem man einen transparenten Mechanismus hat, der definiert – quasi inventarisiert, welche Mittel auf die Klimahilfen angerechnet werden dürfen und welche Mittel nicht, weil sie anderswo abgezogen werden.“

Wie handhabt das denn zum Beispiel Deutschland?

„Die Bundesregierung ist sehr viel transparenter als die meisten anderen Länder, sie hat nämlich eine Definition, was ,neu' und ,zusätzlich' heißt. Wenn man sich die letzten drei Jahre anschaut, muss man aber leider feststellen, dass von dem Geld, was da zusätzlich versprochen wurde, eigentlich nur ein kleiner Teil – 15 bis 20 Prozent – zusätzlich geflossen ist.“


„Bleierner Schleier“ über der Zukunft des Kyoto-Protokolls

Das andere große Thema in Durban ist natürlich die Zukunft des Kyoto-Protokolls. Auf welchem Stand befinden sich da gerade die Verhandlungen?

„An einem sehr kritischen. Viele Verhandelnde sind ausgesprochen pessimistisch, man kann fast sagen, dass ein ,bleierner Schleier' seit zwei, drei Tagen über Durban liegt. Also wir sind wirklich in einer Situation, die wenn sie nicht gelöst wird, dazu führt, dass am Ende von Durban stehen könnte, dass das Kyoto-Protokoll – also das einzige Instrument, was wir bislang haben, international einheitlich und verbindlich Klimaschutzmaßnahmen zu regeln – zu Grabe getragen wird! Wenn das geschieht, steht es auch mehr oder weniger außer Frage, dass wir das Ziel verfehlen, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.“

Welche Länder genau stellen sich quer?

„Wir sehen im Augenblick, dass die meisten Delegationen keine großen Ambitionen haben. Viele Länder versuchen einfach, noch mehr Zeit zu gewinnen, die Frage von verbindlichen Regeln und auch wirklich ambitionierten Klimaschutzmassnahmen nochmal ein Stück weit in die Zukunft zu verschieben. Hier ist jetzt sehr viel von ,post-20-20’ die Rede: Viele Staaten – insbesondere auch die neuen Schwellenländer China und Indien, aber auch viele der alten Industrieländer wie Kanada, die USA, Japan – arbeiten darauf hin, so scheint es, für die nächsten acht Jahre keine verbindlichen Regeln aufzustellen, sondern dieses Thema erst wieder im Jahre 2020 aufzurufen. Wenn das geschieht, haben wir den Zeitpunkt verpasst – das sagt uns die Wissenschaft ganz klar, noch so frühzeitig einzuschwenken auf mehr Klimaschutz, dass es gelingt, die globale Erwärmung tatsächlich bei zwei Grad Celsius zu belassen.“

Und das hätte dramatische Folgen unter anderem für Afrika: Bis 2020 würden auf dem Kontinent zwischen 75 und 250 Millionen Menschen Opfer von Wassermangel, der dem Klimawandel zuzuschreiben sei. Das hat der Vorsitzende des Weltklimarates, Rajendra Pachauri, betont. Allein die landwirtschaftlichen Erträge drohten vielerorts um 50 Prozent zu sinken. Es geht jetzt „um Leben und Tod“, sagte Südafrikas Präsident Jacob Zuma zu Beginn der Klimakonferenz in Durban. Welche Rückmeldungen gab es denn eigentlich von afrikanischer Seite in Durban – sicherlich hohe Erwartungen und auch Wut, könnte ich mir vorstellen?

„Ganz genau! Die Verhandler, also die Politiker, aber ebenso die Menschen auf der Straße sind verbittert. Die sehen seit Jahren, wie sich viele Dinge zum Negativen hin wandeln – wie Trockenheit und Extremwetterereignisse zunehmen. Und sie verstehen nicht, dass die Welt darauf nicht reagiert. Andererseits erwarten sie, dass in diesem Jahr, wo die Konferenz auf afrikanischem Boden stattfindet, auch endlich die Anliegen Afrikas und der anderen Länder, die stark betroffen sind, aber selber gar nicht emittieren, mehr Respekt und mehr Aufmerksamkeit erhalten!“


„Afrikas Einsatz bei Verhandlungen ist konstruktiv, aber findet kein Gehör“

Welche Rolle spielen denn die Afrikaner konkret bei den Verhandlungen?

„Bei den Verhandlungen spielen die afrikanischen Staaten eine wirklich sehr konstruktive Rolle, denn sie versuchen im Augenblick zu vermitteln und doch noch ein Ergebnis zu erreichen. Das heißt, sie beginnen, Druck auf die Blockierer seitens der Schwellenländer, aber auch USA und Kanada, aufzubauen. Druck, dass sie jetzt doch einschwenken. Und sie versuchen, sich mit den europäischen Staaten, die ja eigentlich als einziger Block willens schienen, mit Kyoto ernsthaft weiterzumachen, zu verbünden und dann als Allianz der Willigen den Weg zu bereiten. Das ist sehr gut, das ist lobenswert.“

Und die europäische Antwort darauf?

„Hier muss man leider sagen: Die europäische Antwort auf das Angebot, trotz aller Verbitterung mit Europa gut zusammenzuarbeiten, ist nicht sehr gut. Die Europäer – die ja eigentlich sagen ,wir wollen Kyoto’ und Deutschland, das sich ja eigentlich als Land des Klimaschutzes versteht – da kommt im Augenblick viel zu wenig. Und hier wäre es ganz wichtig, dass gerade Deutschland, aber auch die anderen großen EU-Länder jetzt wirklich Flagge zeigen, sich zu ihrer Verantwortung bekennen und mit den Afrikanern und den kleinen Inselstaaten gemeinsam dafür kämpfen, dass in Durban hier noch was erreicht wird!“

„Brot für die Welt“ macht sich unter anderem stark für die Indigenen, die besonders unter dem Klimawandel leiden. Ihren Schilderungen nach ist die Prognose, dass es in Durban noch Revolutionen in Punkto Kliamschutz geben wird, ja wohl eher schlecht. Was erwarten Sie sich als reales Ergebnis dieses Klimagipfels?

„Ich bin trotz allem noch guter Hoffnung, dass es gelingen wird, den Grünen Klimafond zu verabschieden. Wir sind auch optimistisch, dass es gelingen wird, in dem Bereich der Anpassungsmassnahmen für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen – dazu gehören die Indigenen, die ja vielfach Nomaden sind und in Risikozonen leben, dass man da Fortschritte erzielt. Darüber hinaus werden wir alles tun, dass auch das Kyoto-Protokoll erhalten bleibt und dass es gelingt, die Schwellenländer und die Amerikaner auf einen Kurs zu bringen, nicht erst 2020, sondern in den nächsten zwei Jahren ganz ernsthaft zu verhandeln und eine Entscheidung zu treffen. In 2015 wollen wir dann tatsächlich ein internationales Abkommen für alle Staaten. Da stehen die Chancen im Augenblick zwar nicht sehr gut, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren! Und ich denke, das ist auch noch im Bereich des Möglichen.

Herzlichen Dank für dieses Gespäch.

(rv 03.12.2011 pr)








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