„Unser Christus ist
der wahre Prophet Gottes, nicht euer Mohammed”, soll die Christin Asia Bibi zu ihren
Arbeitskolleginnen gesagt haben. Diese sollen zuvor versucht haben, sie zum Konvertieren
zu bewegen. Bibi selbst bestreitet diese Aussage, ihre Kolleginnen hätten sie diskriminiert,
sagt sie. Das Ganze spielte sich an einem Brunnen ab, es ging unter anderem auch um
die Frage, ob eine Christin beim Trinken den Brunnen verunreinige. Was genau damals
geschah, im Juni 2009, bleibt unklar. Nachdem der Streit aber zu eskalieren drohte
und sich auch die Männer des Dorfes einmischten, wurde die junge Mutter zunächst zum
Schutz vor den aufgebrachten Dorfbewohnern in Gewahrsam genommen. Aus der Schutzhaft
wurde aber schnell etwas anderes: Sie wurde der Blasphemie angeklagt.
Seit
über zwei Jahren lebt sie nun schon in einer kleinen Zelle im Sheikhupura-Gefängnis
in Lahore. Im Oktober 2009 begann der Prozess, am 8. November 2010 fiel dann das Urteil:
Tod durch Erhängen. Seitdem ist ihre Zelle eine Todeszelle. Der Richter sprach von
der klaren Schuld der Christin.
Nach der Verurteilung äußerten sich schnell
internationale Stimmen, beginnend mit den Medien wie der britischen Zeitung Observer,
über die Menschenrechtsbeauftragten verschiedener Regierungen bis zu Politikern im
eigenen Land: Shahbaz Bhatti, ein Christ und damals pakistanischer Minister für Minderheiten,
und Salman Taseer, ein Muslim und damals Governeur des Punjab, setzten sich für sie
ein. Taseer besuchte sie auch im Gefängnis, ohne Erfolg. Beide Politiker wurden ermordet.
Auch Papst Benedikt XVI. bezog sehr bald nach dem Urteil Stellung. In der Generalaudienz
am 17. November 2010 forderte er die rasche Freilassung Asia Bibis. Zugleich äußerte
sich der Papst besorgt über die schwierige Situation der Christen und bat die internationale
Gemeinschaft um Unterstützung.
Asia Bibi erzählt ihre Leidensgeschichte in
dem Buch „Blaspheme“. Weil sie aber in Isolationshaft sitzt und Analphabetin ist,
hat die Journalistin Anne-Isabelle Tollet die Geschichte aufgeschrieben. „Asia Bibi
hat das Buch mit ihrer Stimme geschrieben. Ich war nur der Stift“, sagt die Französin,
die für den TV-Sender „France 24“ als Korrespondentin in Pakistan war. Die Stimme
von Asia Bibi hat Tollet nie gehört. „Die Behörden haben mich nicht zu ihr gelassen“,
sagt Tollet. „Sie wollen verhindern, dass internationale Medien über Asia Bibi berichten.“
Ihre Fragen hat Tollet über den Ehemann übermittelt. Das fertige Manuskript wurde
Asia Bibi von ihrem Anwalt vorgelesen.
Vermittelt durch den Mann von Asia Bibi
spricht Tollet von einer winzigen, fensterlosen Zelle ohne Hygiene oder medizinische
Versorgung, und von Folter. Unter dem Titel „Rettet mich! - Zum Tode verurteilt wegen
eines Bechers Wasser“ ist das Buch auch auf Deutsch erhältlich. Tollet ist überzeugt:
„Internationale Aufmerksamkeit ist die einzige Hoffnung, Asia Bibis Leben zu retten.“
Die
christliche Organisation The Voice of the Martyrs (VOM) sammelt Unterschriften, um
Asia Bibi vor der Vollstreckung des Urteils zu bewahren. Fast eine halbe Millionen
Menschen haben bereits unterzeichnet. Auch sie zählen auf die internationale Öffentlichkeit,
um das Leben Asia Bibis zu retten. Während Asia Bibi in ihrer Zelle eingesperrt
ist, wird der von einem Antiterrorgericht zum Tode verurteilte Mörder von Gouverneur
Taseer, Mumtza Qadri, von den Radikalen als Volksheld gefeiert. Die Berufung Qadris
gegen sein Todesurteil wurde vom Hohen Gericht in Islamabad umgehend angenommen -
während über den schon vor einem Jahr gestellten Berufungsantrag Asia Bibis noch nicht
entschieden ist.