Kardinal Ratzinger: Warum wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion dürfen
Zur Vollversammlung
des Päpstlichen Familienrates veröffentlicht die Vatikanzeitung Osservatore Romano
einen kaum bekannten Text des heutigen Papstes zum Thema Seelsorge für Geschiedene
und Wiederverheiratete. Darin geht er konkret auf Einwände gegen die kirchliche Vorschrift
ein, dass Geschiedene, die eine neue Ehe eingegangen sind, nicht zur Kommunion gehen
dürfen. Das Thema hat vor allem die deutschsprachige Kirche in den letzten Jahrzehnten
immer wieder beschäftigt und war zuletzt beim Papstbesuch in Deutschland wieder benannt
worden. Den Essay hatte Kardinal Joseph Ratzinger 1998 als Vorwort zu einem vom Vatikan
veröffentlichten Buch beigesteuert; an diesem Mittwoch hob ihn der „Osservatore Romano“,
zusammen mit einem Papst-Text zum selben Thema, auf die Doppelseite im Innenteil.
Unauflöslichkeit Detailliert geht der damalige Präfekt der
vatikanischen Glaubenskongregation auf Kritik am Kommunionverbot für wiederverheiratete
Geschiedene ein. Als erstes widerspricht er der Ansicht einiger Exegeten, gar so streng
habe es Jesus mit der Unauflöslichkeit der Ehe gar nicht gemeint. „Das Lehramt betont
..., dass sich die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aus der Treue
gegenüber dem Wort Jesu ableitet. Jesus bezeichnet die alttestamentliche Scheidungspraxis
eindeutig als Folge der menschlichen Hartherzigkeit,“ so der heutige Papst. Ähnlich
sieht es für Ratzinger zweitens bei einem Blick auf die Kirchenväter aus: Auch hier
stellt er fest, dass es „einen klaren Konsens der Väter bezüglich der Unauflöslichkeit
der Ehe“ gibt und dass „die Kirche der Väterzeit Ehescheidung und Wiederheirat eindeutig
ausschließt“. Das wiegt aus seiner Sicht schwerer als Hinweise darauf, dass einige
der Kirchenväter „auf der pastoralen Ebene eine gewisse Flexibilität mit Rücksicht
auf schwierige Einzelsituationen toleriert“ haben.
Praxis der Ostkirchen Dem
damaligen Kardinal ist zwar klar, dass die von Rom getrennten Ostkirchen unter Berufung
auf „einen Strang der patristischen Tradition ... in gewissen Fällen eine Zweit- und
auch eine Drittehe erlauben“. Doch diese Praxis ist für ihn „die Folge eines komplexen
historischen Prozesses, einer immer liberaleren – und sich mehr und mehr vom Herrenwort
entfernenden – Interpretation einiger dunkler Vätertexte“. Sie könne „von der katholischen
Kirche aus lehrmäßigen Gründen nicht übernommen werden“. Zumal in dieser Frage die
katholische Lehre „die ursprüngliche Auffassung der Väter“ wiedergibt.
Der
Gewissen der Einzelnen Aber darf denn die Kirche in einem so delikaten
Bereich „nur auf rechtliche Normen verweisen“, ohne „auch das Gewissen der einzelnen
(zu) achten und (zu) tolerieren“? Das ist der dritte Einwand, dem sich der Essay von
Joseph Ratzinger stellt. „Vor allem in der Frage des Sakramentenempfangs solle die
Kirche hier Schritte setzen und den betroffenen Gläubigen nicht nur Verbote vorhalten“,
zitiert er die Kritiker. Seine Replik: „Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine dieser
Normen, die auf den Herrn selbst zurückgehen und daher als Normen göttlichen Rechts
bezeichnet werden. Die Kirche kann auch nicht pastorale Praktiken – etwa in der Sakramentenpastoral
– gutheißen, die dem eindeutigen Gebot des Herrn widersprechen.“ Allerdings dürfe
sie prüfen, „welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Ehe als unauflöslich
im Sinne Jesu betrachtet werden kann“. Wiederverheiratete Geschiedene, die ihre frühere
Ehe als nicht gültig ansehen, sollten sich auf jeden Fall an das kirchliche Ehegericht
wenden, statt sich sozusagen selbst freizusprechen. Aber wenn das Ehegericht ein Fehlurteil
spricht? Dann könnte es allerdings sein, so Kardinal Ratzinger, dass Gläubige sich
nicht daran halten müssten: „Diese Frage bedarf aber weiterer Studien und Klärungen.“
Die
Tradition des Konzils Alles zu „legalistisch“, ja „vorkonziliar“? Was ist
denn, wenn eine Ehe sozusagen stirbt, weil „das personale Band der Liebe zwischen
den Ehegatten“ reißt? Der heutige Papst zeigt zunächst, dass das Konzil, an dem er
als theologischer Berater teilgenommen hat, keineswegs mit „der traditionellen Eheauffassung
gebrochen“ hat: Wenn es zum Beispiel statt von einem Ehevertrag von einem Bund spricht,
dann „darf dabei nicht vergessen werden, dass auch im Bund das Element des Vertrags
enthalten“ sei. „Ehe ohne rechtliche Normierung, die sie ins ganze Gefüge von Gesellschaft
und Kirche einordnet, gibt es nicht“, befindet der Präfekt der Glaubenskongregation.
Und „wenn die Kirche die Theorie annehmen würde, dass eine Ehe tot ist, wenn die beiden
Gatten sich nicht mehr lieben, dann würde sie damit die Ehescheidung gutheißen und
die Unauflöslichkeit der Ehe nur noch verbal, aber nicht mehr faktisch vertreten.“
Pastoral
und Praxis Der Essay geht fünftens auch auf den Vorwurf ein, die Haltung
der Kirche sei heutzutage schwer verständlich, „nicht pastoral“ und nicht barmherzig
genug. „Gewiss ist es schwierig, dem säkularisierten Menschen die Forderungen des
Evangeliums verständlich zu machen“, räumt Ratzinger ein. „Aber diese pastorale Schwierigkeit
darf nicht zu Kompromissen mit der Wahrheit führen.“ Immerhin bemühe sich die Kirche
doch in letzter Zeit deutlich darum, „die Forderungen der Wahrheit mit jenen der Liebe
(zu) verbinden“. „Wenn früher bei der Darlegung der Wahrheit vielleicht gelegentlich
die Liebe zu wenig aufleuchtete, so ist heute die Gefahr groß, im Namen der Liebe
die Wahrheit zu verschweigen oder zu kompromittieren.“ Letztlich könne doch „nur das
Wahre ... letzten Endes auch pastoral sein“.