2011-11-27 09:40:59

Adveniat wird 50: Gegenseitige Bereicherung


RealAudioMP3 Zum 50. Geburtstag des Hilfswerkes Adveniat wird die diesjährige Aktion zum ersten Mal nicht in Deutschland, sondern in Brasilien eröffnet. Ein zweisprachiger Festgottesdienst in Sao Paolo steht im Zentrum dieser Eröffnung, zuvor hat es aber auch einen Kongress zu 50 Jahren Hilfe im brasilianischen Aparecida gegeben. Die deutsche Kirche wird repräsentiert von Erzbischof Robert Zollitsch, von Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck und dem Leiter von Adveniat, Prälat Bernd Klaschka. Man wollte mit der Aktion an einen Ort gehen, wo ganz konkret geholfen werde. Das sagt im Interview mit Radio Vatikan der Leiter Öffentlichkeitsarbeit des Hilfswerkes, Christian Frevel, der ebenfalls in Sao Paolo ist. Man wolle den Ärmsten helfen, so Frevel im Interview,

“…und das heißt für Sao Paulo, für die Stadt, für die wir uns entschieden haben, in einer dieser Favelas, in einem dieser Armenviertel, mitten dort, wo die Menschen in ihren elenden Behausungen leben, und zwar dort, wo die Hilfe von Adveniat notwendig ist. Das heißt, wo es zum Beispiel auch keine Kappelle, keine Kirche, keine Infrastruktur der Kirche gibt. Und deshalb wird dieser Gottesdienst im Freien stattfinden. Und wir wollen zeigen: Normalerweise wäre das jetzt hier ein Ort, wo Adveniat so ein Projekt machen würde und zum Beispiel unterstützen würde, dass dort ein Multifunktionssaal gebaut wird, damit die Gemeinde am Wochenende dort auch feiern kann.“

Nun sind viele Länder Lateinamerikas nicht mehr wirklich arme Länder, sondern Schwellenländer: Chile etwa oder Brasilien, das in den Weltsicherheitsrat will. Diese Länder sind also deutlich auch ökonomisch besser gestellt. Warum braucht es noch solche Aktionen wie Adveniat?

„Wenn man die Makroökonomie, also den gesamten Überblick über Brasilien nimmt, dann scheint es so, als ob Brasilien ein Land wäre, das für alle prosperiert. Aber schaut man sich die genauen Zahlen, wie es die Soziologen mit dem sogenannten Gene-Index machen, zeigt sich, wie groß die Schere ist zwischen Arm und Reich ist. Und da liegt Brasilien weltweit an der Spitze, das heißt die Unterschiede zwischen den wirklich Großreichen und den ganz bitter Armen sind hier am größten. Und das heißt der Reichtum, den das Land ohne Zweifel besitzt und den es auch weiter anhäufen wird, ist nicht gerecht verteilt.“

Das klingt ein wenig so: Die Reichen bleiben reich und um die Armen kümmern sich die Ausländer.

„Das muss ja nicht sein. Aber ich glaube, wenn wir der Kirche helfen sich für die Armen einzusetzen, heißt das nicht, dass die Reichen aus dem Blick geraten sollen und dass man die agieren lässt, so wie es ist. Sondern es muss dazu führen, dass auch ein Prozess in der Gesellschaft, auch von der Kirche her angestoßen wird, der zu mehr Beteiligung aller kommt und der vor allen Dingen – und das war auch Teil unseres Kongresses – zu Bildung führt und dass die Armen in die Lage versetzt werden, überhaupt sich an der bürgerlichen Gesellschaft in der Art und Weise zu beteiligen, dass sie gehört werden und dass sie ein politisches Gewicht bekommen. Nur dann ist eine gerechte Verteilung auch möglich.“

Sie haben diesen Kongress angesprochen. Es sollte da um diese 50 Jahre „Adveniat hilft Lateinamerika“ gehen. Was waren greifbare Ergebnisse dieser zwei Tage?

„Wir haben diesen Kongress mit den Lateinamerikanischen Bischofsratzählern gemeinsam veranstaltet. Und wir haben uns über die Frage unterhalten, was ist fünf Jahre nach der großen Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas in Aparecida aus der Pastoral geworden, welche Herausforderungen stellen ich, welche Lösungen gibt es. Und da war es ganz klar, dass die Herausforderungen sind zum Beispiel die wachsenden evangelikalen Sekten sind. Das heißt wir können gar nicht mehr von dem katholischen Kontinent Lateinamerika sprechen. Hier in Brasilien wachsenden die evangelikalen Kirchen rasant und das ist eine große Herausforderung für die Kirche. Das war ein ganz wichtiger Punkt hier: Wie gehe ich mit diesen um und wie und mit wem kann überhaupt ökumenisches Gespräch passieren.“

Mit dabei in Brasilien ist auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch. Der hat gestern gesagt, dass Deutschland, die deutschen Kirche etwas von Lateinamerika lernen kann. Was wäre das, was haben Sie vor Ort gesehen, was Sie gerne mit nach Deutschland mitnehmen würden?

„Das weltkirchliche Lernen ist wirklich ein ganz wichtiger Punkt, den Erzbischof Zollitsch mehrfach hier hervorgehoben hat. Wir haben hier zum Beispiel gelernt, wie wichtig der Einsatz der Laien auch in der Pastoral ist und zum Beispiel mit sogenannten ‚delegados de la palabra’ gesprochen. Das sind vor allen Dingen in Mittelamerika tätige Laien, die Wortgottesfeiern leiten, die kleinen Gemeinden vorstehen, die Katechese und die Liturgie dort leiten, weil es einfach wenig Priester gibt. Stellen Sie sich vor, einer der Delegados, der hier im Kongress sprach, sagte, dass es in Honduras 444 Priester aber 17.000 Delegados gibt, die dort die Pastoral leiten. Das scheint auch eine Anregung zu sein, wie man in den heutigen Zeiten mit den Herausforderungen, die sich auch für die Kirche in Deutschland stellt, noch einmal schauen kann, was es denn für Modelle in der Welt gibt und – ohne sie kopieren zu wollen – um aber Anregungen zu holen. Jede Ortskirche muss sicherlich dort ihren eigenen Weg gehen.“

(rv 27.11.2011 ord)







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