Zum 50. Geburtstag
des Hilfswerkes Adveniat wird die diesjährige Aktion zum ersten Mal nicht in Deutschland,
sondern in Brasilien eröffnet. Ein zweisprachiger Festgottesdienst in Sao Paolo steht
im Zentrum dieser Eröffnung, zuvor hat es aber auch einen Kongress zu 50 Jahren Hilfe
im brasilianischen Aparecida gegeben. Die deutsche Kirche wird repräsentiert von Erzbischof
Robert Zollitsch, von Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck und dem Leiter von Adveniat,
Prälat Bernd Klaschka. Man wollte mit der Aktion an einen Ort gehen, wo ganz konkret
geholfen werde. Das sagt im Interview mit Radio Vatikan der Leiter Öffentlichkeitsarbeit
des Hilfswerkes, Christian Frevel, der ebenfalls in Sao Paolo ist. Man wolle den Ärmsten
helfen, so Frevel im Interview,
“…und das heißt für Sao Paulo, für die Stadt,
für die wir uns entschieden haben, in einer dieser Favelas, in einem dieser Armenviertel,
mitten dort, wo die Menschen in ihren elenden Behausungen leben, und zwar dort, wo
die Hilfe von Adveniat notwendig ist. Das heißt, wo es zum Beispiel auch keine Kappelle,
keine Kirche, keine Infrastruktur der Kirche gibt. Und deshalb wird dieser Gottesdienst
im Freien stattfinden. Und wir wollen zeigen: Normalerweise wäre das jetzt hier ein
Ort, wo Adveniat so ein Projekt machen würde und zum Beispiel unterstützen würde,
dass dort ein Multifunktionssaal gebaut wird, damit die Gemeinde am Wochenende dort
auch feiern kann.“
Nun sind viele Länder Lateinamerikas nicht mehr wirklich
arme Länder, sondern Schwellenländer: Chile etwa oder Brasilien, das in den Weltsicherheitsrat
will. Diese Länder sind also deutlich auch ökonomisch besser gestellt. Warum braucht
es noch solche Aktionen wie Adveniat?
„Wenn man die Makroökonomie, also
den gesamten Überblick über Brasilien nimmt, dann scheint es so, als ob Brasilien
ein Land wäre, das für alle prosperiert. Aber schaut man sich die genauen Zahlen,
wie es die Soziologen mit dem sogenannten Gene-Index machen, zeigt sich, wie groß
die Schere ist zwischen Arm und Reich ist. Und da liegt Brasilien weltweit an der
Spitze, das heißt die Unterschiede zwischen den wirklich Großreichen und den ganz
bitter Armen sind hier am größten. Und das heißt der Reichtum, den das Land ohne Zweifel
besitzt und den es auch weiter anhäufen wird, ist nicht gerecht verteilt.“
Das
klingt ein wenig so: Die Reichen bleiben reich und um die Armen kümmern sich die Ausländer.
„Das
muss ja nicht sein. Aber ich glaube, wenn wir der Kirche helfen sich für die Armen
einzusetzen, heißt das nicht, dass die Reichen aus dem Blick geraten sollen und dass
man die agieren lässt, so wie es ist. Sondern es muss dazu führen, dass auch ein Prozess
in der Gesellschaft, auch von der Kirche her angestoßen wird, der zu mehr Beteiligung
aller kommt und der vor allen Dingen – und das war auch Teil unseres Kongresses –
zu Bildung führt und dass die Armen in die Lage versetzt werden, überhaupt sich an
der bürgerlichen Gesellschaft in der Art und Weise zu beteiligen, dass sie gehört
werden und dass sie ein politisches Gewicht bekommen. Nur dann ist eine gerechte Verteilung
auch möglich.“
Sie haben diesen Kongress angesprochen. Es sollte da um
diese 50 Jahre „Adveniat hilft Lateinamerika“ gehen. Was waren greifbare Ergebnisse
dieser zwei Tage?
„Wir haben diesen Kongress mit den Lateinamerikanischen
Bischofsratzählern gemeinsam veranstaltet. Und wir haben uns über die Frage unterhalten,
was ist fünf Jahre nach der großen Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas
in Aparecida aus der Pastoral geworden, welche Herausforderungen stellen ich, welche
Lösungen gibt es. Und da war es ganz klar, dass die Herausforderungen sind zum Beispiel
die wachsenden evangelikalen Sekten sind. Das heißt wir können gar nicht mehr von
dem katholischen Kontinent Lateinamerika sprechen. Hier in Brasilien wachsenden die
evangelikalen Kirchen rasant und das ist eine große Herausforderung für die Kirche.
Das war ein ganz wichtiger Punkt hier: Wie gehe ich mit diesen um und wie und mit
wem kann überhaupt ökumenisches Gespräch passieren.“
Mit dabei in Brasilien
ist auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch. Der
hat gestern gesagt, dass Deutschland, die deutschen Kirche etwas von Lateinamerika
lernen kann. Was wäre das, was haben Sie vor Ort gesehen, was Sie gerne mit nach Deutschland
mitnehmen würden?
„Das weltkirchliche Lernen ist wirklich ein ganz wichtiger
Punkt, den Erzbischof Zollitsch mehrfach hier hervorgehoben hat. Wir haben hier zum
Beispiel gelernt, wie wichtig der Einsatz der Laien auch in der Pastoral ist und zum
Beispiel mit sogenannten ‚delegados de la palabra’ gesprochen. Das sind vor allen
Dingen in Mittelamerika tätige Laien, die Wortgottesfeiern leiten, die kleinen Gemeinden
vorstehen, die Katechese und die Liturgie dort leiten, weil es einfach wenig Priester
gibt. Stellen Sie sich vor, einer der Delegados, der hier im Kongress sprach, sagte,
dass es in Honduras 444 Priester aber 17.000 Delegados gibt, die dort die Pastoral
leiten. Das scheint auch eine Anregung zu sein, wie man in den heutigen Zeiten mit
den Herausforderungen, die sich auch für die Kirche in Deutschland stellt, noch einmal
schauen kann, was es denn für Modelle in der Welt gibt und – ohne sie kopieren zu
wollen – um aber Anregungen zu holen. Jede Ortskirche muss sicherlich dort ihren eigenen
Weg gehen.“