An diesem Freitag
vor genau dreißig Jahren kam Joseph Ratzinger nach Rom: Der Münchener Kardinal wurde
Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation. Ein entscheidender Wendepunkt in seinem
Leben. Ratzinger war damals 54 Jahre alt und erst seit ein paar Jahren Erzbischof.
Den neuen Papst Johannes Paul II. hatte er erst im Konklave 1978 richtig kennengelernt,
wie er mal im Gespräch mit dem Journalisten Peter Seewald erzählte:
„Ich
habe mich spontan mit ihm sehr gut verstehen können, aber dass er da an mich denken
würde, das ist mir nicht durch den Sinn gegangen.“
Wohl auch deshalb,
weil die vatikanische Glaubenskongregation über Jahrhunderte hinweg eine Domäne der
Italiener gewesen war. Erst Papst Paul VI. hatte damit angefangen, der Kurie ein internationaleres
Gesicht zu geben. Deutsche verirrten sich allerdings so gut wie nie in ein kuriales
Spitzenamt. Ratzinger vermutete denn auch, dass sein Ruf nach Rom ein einsamer Entschluss
des polnischen Papstes war:
„Das nehme ich an. Ich habe ihn nie danach
gefragt… aber ich nehme schon an, dass das seine sehr persönliche Entscheidung war.“
Wie
das genau ablief mit seinem Sprung von der Isar an den Tiber, das stellte Kardinal
Ratzinger im Interview mit Seewald für das Gesprächsbuch „Salz der Erde“ folgendermaßen
dar:
„Der Papst hat mir dann einmal gesagt, dass er diese Absicht hat,
mich nach Rom zu rufen. Ich hab` ihm die Gegengründe dargestellt, und er hat dann
gesagt: Überlegen wir das alles noch einmal. Dann haben wir nach dem Attentat noch
einmal gesprochen, und er hat gesagt: Ich möchte dabei bleiben. Ich habe gesagt: Ich
fühle mich aber doch so sehr der Theologie verpflichtet, dass ich auch weiterhin das
Recht haben möchte, auch eigene private Werke herauszubringen – und ich weiß nicht,
ob das kompatibel ist mit dieser Aufgabe. Da hat er gesagt: Da will ich mich auch
noch einmal beraten lassen… Dann ergab sich aber, dass auch andere vor mir das schon
getan hatten, und er hat dann gesagt: Nein, das ist kein Hindernis, das können wir
machen.“
Am 25. November 1981 also wird Joseph Ratzinger zum neuen
Präfekten der Glaubenskongregation ernannt. Bis er in Rom ankommt, ist es März 1982:
Da liegt eine feierliche Verabschiedung auf dem Münchener Marienplatz hinter ihm.
Der Abschied von Deutschland fällt ihm nicht leicht. Ratzinger lässt sich in die Pflicht
nehmen, aber angesichts des Streits um den Theologen Hans Küng in den zurückliegenden
Jahren und angesichts der sich abzeichnenden Auseinandersetzung mit Befreiungstheologen
ist ihm klar, dass er im neuen Amt als Chef-Theologe so manche Pfeile auf sich ziehen
wird.
„Es gibt eben die bekannten Vorstellungen davon, wie die Deutschen
sind, und insofern liegt es nahe, dann Entscheidungen, die Missfallen erregen, dann
auch der deutschen Sturheit zuzuschreiben und diesem Prinzipien-Fanatismus, dieser
mangelnden Flexibilität – das alles doch auch als Ausdruck deutschen Wesens anzusehen.
Als das Wort Panzerkardinal erfunden wurde, war da sicher eine solche Anspielung auf
das Deutschtum mit verbunden…“
Hat sich Ratzinger, der einstmals fortschrittliche
Theologe, im römischen Amt verhärtet, ist er dort konservativ geworden? Nein, das
sah er selbst im Gespräch mit Seewald nicht so. Nicht er habe sich geändert, sondern
nur sein Amt.
„Insofern geben die Umstände dem, was einer tut und sagt,
wirklich einen anderen Stellenwert. Ich bestreite also nicht, dass es in meinem Leben
Entwicklung und Wandel gibt; was ich aber festhalte ist, dass es Entwicklung und Wandel
in einer grundlegenden Identität ist und dass ich gerade mich wandelnd versucht habe,
dem treu zu bleiben, worum es mir immer gegangen ist.“
Obwohl er viele
kontroverse Entscheidungen getroffen hat, bemühte sich Joseph Ratzinger an der Spitze
der Glaubenskongregation immer um Kollegialität. In kuriale Seilschaften ließ er sich
nicht hineinziehen, stattdessen machte er mit seinen klaren Analysen von sich reden.
Was er denn gelernt habe in seiner Zeit in Rom, fragte ihn Radio Vatikan vor ein paar
Jahren, als er noch Kardinal war. Ratzingers Antwort:
„Ja, ich habe
in diesen 25 Jahren vor allem gelernt, mir nichts zu fest vorzunehmen. Was mir aber
besonders am Herzen läge, wäre, noch ein Buch über Jesus Christus zu schreiben.“
Das
hat er dann auch geschafft – aber da war aus dem Kurienkardinal längst Papst Benedikt
geworden. Seit 30 Jahren ist er in Rom, seit sechs Jahren Papst. Die Geschichte geht
weiter.