Der Heilige Stuhl ermuntert zur - ethisch unbedenklichen - Forschung an adulten Stammzellen.
Zu diesem Zweck debattieren ab diesem Mittwoch Ärzte, Theologen, Politiker, Unternehmer
und auch Patienten im Vatikan über die Perspektiven dieses Forschungszweiges. Das
sehr breite Spektrum an Teilnehmern ist Absicht, erklärt Kardinal Gianfranco Ravasi,
der Präsident des päpstlichen Kulturrates, an dem auch eine Abteilung „Forschung und
Glaube“ beheimatet ist.
„Wenn wir über medizinische Phänomene reden, handelt
es sich in Wirklichkeit nie um bloß medizinische, bloß biologische, bloß technische
Fragen. Es handelt sich vielmehr um symbolische Fragen, die über die einfache Physiologie
weit hinausgehen. Die Notwendigkeit einer umfassenderen kulturellen Sichtweise liegt
in der Natur der Sache selbst. Die große Wissenschaft schreitet heute voran, indem
sie mehrere Stimmen einbezieht und sich nicht auf die Technik beschränkt.“
Stammzellforschung
gibt es heute in zwei großen Strängen. Die Untersuchungen an embryonalen Stammzellen
sind aus kirchlicher Sicht ethisch bedenklich, weil dabei der Embryo als beginnendes
menschliches Leben zerstört wird. Anders bei adulten Stammzellen: Diese stammen beispielsweise
aus Nabelschnurblut, die Untersuchung an ihnen ist also nicht „verbrauchend“, wie
es heißt. Überdies scheinen die Ergebnisse an Forschungen an adulten Stammzellen
vielversprechender als jene an embryonalen Stammzellen. Allerdings wird die Studienlage
immer komplexer. Der Kongress im Vatikan will nicht zur Vertiefung und Verwirrung
beitragen, sondern hat im Gegenteil zum Ziel, die verschiedenen Disziplinen miteinander
ins Gespräch zu bringen, sagt Tomasz Trafny, der Verantwortliche für „Forschung und
Glaube“ am päpstlichen Kulturrat:
„Der Kongress ist ein Versuch, eine derart
komplexe Wissenschaft einem Publikum zugänglich zu machen, das den engen Kreis der
Fachleute übersteigt. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Ziel ist es, einen Kommunikationskanal
zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Fachkreisen und dem großen Publikum
zu öffnen.“
Als Mitveranstalter hat sich der Vatikan die Unterstützung
eines US-amerikanischen biopharmazeutischen Konzerns gesichert, NeoStem. Geschäftsführerin
ist Robin Smith, sie sagte bei der Vorstellung des Kongresses:
„Heute gibt
es mehr als zwölf Millionen Krebskranke auf der Welt, 346 Millionen Diabetiker und
583 Millionen Menschen mit Immunschwächen. Hinter diesen Statistiken sind reale Menschen
und viele Hoffnungen. In einer nicht zu fernen Zukunft werden wir dazu in der Lage
sein, mit adulten Stammzellen menschliche Gewebe herzustellen, um beschädigte Organe
zu reparieren. Und das, ohne einen Embryo zu zerstören.“
Dass der Vatikan
für den Kongress mit einem kommerziellen Unternehmen zusammenarbeitet, erläuterte
Trafny mit dem Hinweis, dass beide Seiten an der ethisch einwandfreien adulten Stammzellenforschung
interessiert sind. Die meisten Universitäten und Institute schieden als Kooperationspartner
aus, weil sie auch mit embryonalen Stammzellen arbeiten, hieß es. (rv 09.11.2011
gs)