Wenn das Christentum
im Nahen Osten eine Zukunft haben will, muss es lernen, mit einer Stimme zu sprechen.
Denn die Ökumene der Kirchen im Nahen Osten ist eine Frage des Überlebens der Christen
in dieser Region: Auf diesen Nenner bringt der Salzburger Nahost-Kirchenexperte Dietmar
Winkler das Problem, mit dem sich in diesen Tagen hochrangige christliche Vertreter
des gesamten Nahen Ostens in Wien befassen.
Bereits zum dritten Mal hat die
Stiftung „Pro Oriente“ zum „Colloquium Syriacum“ geladen – diesmal zur Frage der neuen
Herausforderungen für die Christen im Nahen Osten nach der Nahost-Synode, die im letzten
Herbst im Vatikan stattfand, aber vor allem auch im Horizont des „Arabischen Frühlings“.
Im Gespräch mit Kathpress sagte Winkler:
„Beide Themen – die Nacharbeit
zur Nahost-Synode und die Frage nach der christlichen Einschätzung der Umbrüche in
der arabischen Welt – gehören letztlich zusammen, insofern die Nahost-Synode zu einer
intensiveren Kooperation der Christen im Nahen Osten aufgefordert hat; diese wiederum
ist dringend nötig, um angesichts der Umbrüche in der arabischen Welt und der vielerorts
bedrohlichen Situation für die Christen laut und deutlich mit einer Stimme zu sprechen.“
Gerade
diese ökumenische Einigkeit sei leider alles andere als selbstverständlich, so Winkler
zu Beginn der Tagung. So sei der Nahost-Kirchenrat derzeit durch interne Streitigkeiten
„paralysiert“, auch sonst sei die ökumenische Zusammenarbeit noch eher die Ausnahme.
Winkler verweist etwa auf die irakischen Christen, die – obwohl alle unter schwierigsten
Bedingungen leidend – nicht in der Lage seien, mit einer Stimme zu sprechen, um so
in ihrer Situation auch international stärker wahrgenommen zu werden.
Die Stiftung
„Pro Oriente“ will Kirchenführern ein Forum bieten, um die bestehenden Probleme anzusprechen
und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Beim derzeitigen „Colloquium Syriacum“ geschieht
dies in vier Themenkreisen: Erörterung des Staat-Kirche-Verhältnisses in den Ländern
des Nahen Ostens, Erörterung des christlich-jüdischen Verhältnisses, Erörterung des
christlich-muslimischen Verhältnisses sowie Bilanzierung der Kooperation ein Jahr
nach der Nahost-Synode im Vatikan.“
Dem „Arabischen Frühling“ begegnen die
meisten Christen im Nahen Osten eher mit Sorgen denn mit Hoffnungen, beobachtet Winkler.
So überwiege die Angst vor einem Verlust an Stabilität und Sicherheit, selbst wenn
diese um den Preis eines autoritären Regimes erkauft sei. Es brauche dringend eine
vom Westen unterstützte „Post-Spring-Strategy“, d.h. eine externe Unterstützung bei
den Reformprozessen.
Hintergrund Am „Colloquium Syriacum“
nehmen Vertreter aller Kirchen der syrischen Tradition teil, an der Spitze der im
Libanon residierende syrisch-katholische Patriarch von Antiochien, Ignatios Youssif
III., der auch Präsident der Nahost-Synode im Vatikan im vergangenen Oktober war.
Außerdem beteiligen sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen aus Österreich,
Großbritannien, den USA, Israel und den Niederlanden.