Österreichs Muslime sind im „Modernisierungsstress". Zu dieser Diagnose kommt der
Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner im Blick auf den rasanten Wertewandel von der
ersten zur zweiten Generation muslimischer Zuwanderer: Hier geborene Muslime - und
da vor allem die jungen Frauen - sind laut Umfragedaten in einem solchen Ausmaß „moderner"
als ihre Elterngeneration, dass innerfamiliäre Zerreißproben unausweichlich sind.
Der katholische Theologe und Religionssoziologe Zulehner präsentierte Islam-bezogene
Umfrageergebnisse der Langzeitstudie „Religion im Leben der Österreicher 1970-2010"
am Donnerstagabend bei einer Tagung in Wien. Der Autoritarismus - also die „Unterwerfungsbereitschaft"
gegenüber „Führern" und Autoritäten aller Art - sei in der ersten Zuwanderergeneration
noch gang und gäbe gewesen, in der zweiten jedoch enorm geschwunden. 93 Prozent der
Männer aus der ersten Zuwanderergeneration bekundeten hier noch Übereinstimmung, aber
nur mehr 55 Prozent der Männer aus der zweiten Generation. Und bei den Frauen halbierte
sich die Zustimmung zum Autoritarismus gar von 61 auf 31 Prozent - das ist laut Zulehner
weniger als der Durchschnittswert aller österreichischen Frauen.