2011-11-04 14:16:05

D: „Finanzspekulationen sind an sich nichts Böses“


RealAudioMP3 Beim G20-Gipfeltreffen in Cannes ging es nicht nur um die Eurokrise, die Staatsschulden oder Währungsreformen. Auf der Tagesordnung am zweiten und letzten Tag des G20-Treffen standen am Freitag unter anderem die Themen Energie und Klima. Die Energiekosten und die Umweltkatastrophen haben aber einen verheerenden Einfluss auf die Spekulationen von Nahrungsmittelpreise. Der Referent für Welthandel und Ernährung bei Misereor, Armin Paasch, erläutert im Gespräch mit dem Kölner Domradio, wie sich die Spekulationen in den armen Ländern auswirken:

„Wir haben zum Beispiel im Jahr 2008 Berichte aus Kamerun bekommen, dass die Reispreise so extrem angestiegen sind, dass die Armen sich nur noch eine statt zwei Mahlzeiten leisten konnten. Aus El Salvador haben wir Berichte bekommen, dass die Maispreise inzwischen so hoch liegen, dass der monatliche Nahrungsmittelbedarf dreimal höher liegt als der Mindestlohn. Dieses Verhältnis, das sowieso nicht im Lot war, hat sich noch zu Ungunsten der Armen verschärft.“

Spekulation ist nicht der einzige Faktor, auch Agrartreibstoffe spielen eine wichtige Rolle. Aber Spekulation verstärke die Wirkung und erhöhe die Preisspitzen - und das sei es, was sich am Ende massiv auswirke auf die Hungernden, so Paasch.

„Man muss zunächst sagen, dass Spekulation an sich nichts Böses ist. Termingeschäfte mit Agrarrohstoffen gibt es schon lange. Sie haben auch eine gewisse Berechtigung, zum Beispiel wenn Produzenten und Händler für die Zukunft einen Kauf vereinbaren zum Beispiel für eine Tonne Mais zu einem fixierten Preis. Sowohl die Produzenten als auch die Konsumenten sichern sich so gegen Preisschwankungen in der Zukunft ab. Das nennt man Hedging. Das ist überhaupt nicht zu kritisieren, da fordern wir auch keinerlei Einschränkung. Das Problem ist aber, dass ungefähr seit der Jahrtausendwende neue Akteure aus dem Finanzsektor in diese Termingeschäfte eingestiegen sind, beispielsweise Investmentbanken, Hedgefonds, Pensionsfonds. Sie haben diesen Terminhandel überflutet und eine künstliche Nachfrage geschaffen.“

Das Problem sei, dass diese Akteure immer dann auf Kauf setzen, wenn die Preise steigen, und die Preisdifferenz werde dann einfach „eingesackt“. Nur zwei Prozent dieser Kontrakte führen letztendlich zu einem physischen Handel, trotzdem haben diese Termingeschäfte einen enormen Einfluss auf die tatsächlichen Agrarpreise.

„Über das Ausmaß wird gestritten, das DIW (Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Anm. d. Red.) hat gesagt, dass zwanzig Prozent der Steigerungen im Jahr 2008 auf die Spekulationen zurückgegangen sind. Das hat natürlich gravierende Folgen für solche Entwicklungsländer, die stark abhängig sind von Importen.“

(domradio 04.11.2011 mg)







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