Erzbischof zur Finanzkrise: „Anderer Lebensstil nötig“
„Das ist eine
ernste Krise“, sagt der griechisch-orthodoxe Erzbischof Demetrios in einem Interview
mit einem US-Informationsdienst. Demetrios ist jetzt zuständig für die Orthodoxen
in den USA, hat aber die Kontakte zur griechischen Heimat nie abreißen lassen. Dreißig
Jahre lang war er orthodoxer Weihbischof von Athen. „Ich bin stolz, sagen zu können:
Ich bin in Saloniki geboren. Das bedeutet, dass sich der heilige Paulus an meine Vorfahren
gewandt hat, mit seinem ersten und zweiten Thessalonicher-Brief.“ In diesen Briefen
– wahrscheinlich die ältesten Texte überhaupt des Neuen Testaments – hält Paulus für
die Griechen eine Menge Ratschläge parat; von Sparsamkeit ist da allerdings keine
Rede.
„Die Krise ist nicht nur eine Finanzkrise – sie geht tiefer,
zur Haltung und zu den Verhaltensweisen der Menschen. Wir haben die Philosophie des
Masshaltens erfunden und sind die ersten, die sich nicht daran halten! Wir haben uns
an den Exzess gewöhnt.“ Eine harte Diagnose aus dem Mund des Metropoliten. „Auf
der anderen Seite muss ich aber auch sagen: Griechenland ist im Lauf seiner jahrhundertealten
Geschichte durch viele Schwierigkeiten gegangen. Numerisch sind wir Griechen nicht
viele; wir waren immer nur eine kleine Zahl. Und ich weiß gar nicht, wieviele Armeen
durch unser Land gezogen sind und Verwüstungen angerichtet haben. Da gibt es aber
ein Phänomen, das ungefähr um 4.000 vor Christus begonnen hat und bis in unsere Zeit
gekommen ist: Ich spreche von einem Aufeinanderfolgen der Zivilisationen in Griechenland.“
Erzbischof Demetrios zählt sie auf: Kreta, Peleponnes, Ägäis, dann die homerische
Zeit, das klassische Griechenland mit Sokrates, Plato, Aristoteles, das hellenistische
Griechenland mit Alexander dem Großen, die griechisch-römische Periode, dann Byzanz...
„Das war eine Kette aufeinanderfolgender Zivilisationen, die sich gebildet haben,
obwohl die äußeren Umstände dem nicht günstig waren, die meiste Zeit sogar unter ausländischer
Besatzung! Das zeigt also eine Fähigkeit nicht nur zum Überleben – zum Überleben und
zur Produktivität. Wenn ich mich also heute frage: Was bedeutet diese Krise für uns?,
dann sage ich: Fast nichts! Es ist eine von vielen.“
Er selbst, so
der Erzbischof, erinnere sich noch an vier Jahre unter deutscher Besatzung während
des Zweiten Weltkriegs. „Ich sah Menschen auf der Straße sterben. Alle fragten
sich: Werden wir aus dieser Lage jemals wieder herauskommen? Und ja, es war möglich!
Auch jetzt erleben wir wieder eine extrem schwierige Lage. Sie ist auch deshalb schwierig,
weil sie mit einer internationalen Verwicklung einhergeht. Wenn sich das auf Griechenland
beschränken würde, dann könnte man sagen: Na ja, das ist eine lokale Frage, mal sehen
was wir da tun können.“ Aber er denke da positiv: Er hoffe, dass Griechenland
wie immer bisher aus dieser Krise herausfinden werde. „Das Schwierige ist, dass
das von einem Wechsel im Lebensstil begleitet werden muss. So etwas ist immer sehr
kompliziert. Doch ich glaube schon, dass angesichts der Schwere dieser Krise ein solches
Umdenken passieren wird: eine Rückkehr zum Masshalten, zur Balance, zur Kontrolle
von Exzessen. Und das wird dann finanziell helfen.“