Die russisch-orthdoxe
Kirche plant einen neuen Katechismus. Das hat Metropolit Hilarion, die „Nummer Zwei“
des Moskauer Patriarchats, vor wenigen Tagen neuerlich bekräftigt. Hilarion ist Außenamtsleiter
seiner Kirche und sitzt seit vergangenem Jahr auch einer Kommission vor, die ein solches
Glaubenslehrbuch erarbeiten soll. Ein neuer Katechismus tut auch deshalb Not, so erklärte
der Metropolit, weil zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Kommunismus auch in Russland
starke Tendenzen zur Verweltlichung des Glaubens feststellbar seien. Der Orthodoxie-Fachmann
Nikolaus Wyrwoll, der in Regensburg das Institut für Ostkirchen-Studien leitet, denkt,
dass ein russisch-orthodoxer Katechismus auch aus ökumenischer Sicht höchst begrüßenswert
wäre.
„Gerade auch weil er ältere, überholte Darstellungen des Glaubens
ablöst. Auch falsche Darstellungen der evangelischen und katholischen Theologie. Hilarion
hat zu viel Übersicht, um da falsche Dinge zu sagen. Vor zwanzig Jahren sind ja (in
Russland) viele uralte Katechismen nachgedruckt worden, die teilweise natürlich richtig
darstellen, was die katholische Kirche vor hundert Jahren offiziell gesagt hat, was
sich aber teilweise erheblich von dem unterscheidet, was heute gesagt wird. Ich denke,
da könnte ein russisch-orthodoxer Katechismus, der eine gewisse Offizialität hat,
auch eine ökumenische Bedeutung haben und positiv Einfluss nehmen.“
Eine
der klassischen Streitfragen zwischen einerseits der katholischen Kirche und andererseits
allen anderen christlichen, ganz besonders aber den orthodoxen Kirchen, ist die Vorrangstellung
des römischen Bischofs. Gerade in diesem Punkt könnte ein russisch-orthodoxer Katechismus
bestehende Gräben überbrücken helfen, glaubt Wyrwoll.
„Der Primat des Papstes
gehörte auch im Bewusstsein vieler Gläubiger unbedingt zum Glauben. Nicht nur die
wahre Lehre muss man haben – die haben die orthodoxen auch, das war nie unklar durch
die Jahrhunderte -, sondern man muss auch gehorsam gegenüber dem Papst sein. Das hat
ja dazu geführt, dass die mit Rom unierten Christen in der Sowjetzeit viel gelitten
haben. Heute sagen aber das II. Vatikanische Konzil und auch Dominus Iesus, dass die
Anerkennung des Primats in seiner modernen Form nicht ein Kriterium für den wahren
Glauben und für die Zugehörigkeit zu einer wirklichen Kirche ist. Die Orthodoxen,
die vor hundert Jahren noch als Häretiker oder Schismatiker galten, sind jetzt echte
Teilkirchen wie jedes katholische Bistum.“
Die zunehmende Säkularisierung
der russischen Gesellschaft, auf die der geplante Katechismus reagiert, macht Hilarion
schon seit langem Sorge. Wyrwoll meint, dass sich der Metropolit beim Thema Neuevangelisierung
in gewisser Weise am Vorpreschen der katholischen Kirche inspiriert.
„Hilarion
ist ja oft in Rom, war vor kurzem auch beim Papst und hat sicherlich aufgegriffen,
dass jetzt sogar im Vatikan ein neues Dikasterium für die Neuevangelisierung eingerichtet
ist. Und er ist Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg.
Also gerade bei ihm vermute ich immer wieder, dass er sehr verfolgt, was im Westen
geschieht, gerade auch in der katholischen Kirche.“
(rv 20.10.2011 gs)
Unser
Foto zeigt Hilarion bei einer Begegnung mit Papst Benedikt XVI. in Rom.