2011-10-16 15:34:00

Die Predigt des Papstes: „Uns ist das Bild Gottes eingeprägt, wir gehören ihm“


Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt Papst Benedikt XVI. bei der Messfeier zum Ende des Treffens zur Neuevangelisierung.

Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Schwestern und Brüder,

Mit Freude feiere ich heute die heilige Messe für euch, die ihr in allen Teilen der Welt für die Neuevangelisierung im Einsatz seid. Diese Feier bildet den Abschluss des Treffens, das euch gestern hierher zu Begegnungen mit verschiedenen Bereichen dieser Aufgabe zu gerufen hat. Ich selber konnte euch einige Gedanken vorlegen, während ich heute für euch das Brot des Wortes und der Eucharistie breche, in der Gewissheit - die ihr teilt - dass ohne Christus, Wort und Brot des Lebens, wir nichts tun können (Joh 15:5).


Ich bin froh, dass dieses Treffen im Monat Oktober stattfindet, dem Weltmissionsmonat: So werden wir an die richtige Ausrichtung der Neuevangelisierung erinnert, im Gleichklang mit der Sendung zu allen Völkern.

Ich richte einen herzlichen Gruß an euch alle, die ihr der Einladung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung gefolgt seid. Besonders grüße ich den Präsidenten dieses vor kurzem erst gegründeten Rates, Erzbischof Salvatore Fisichella, und seine Mitarbeiter.

Wenden wir uns den biblischen Lesungen zu, durch die der Herr heute zu uns spricht. Die erste Lesung aus dem Buch Jesaja sagt uns, dass Gott einzig ist, einer allein; es gibt keinen anderen als Ihn. Und sie sagt uns, das auch der mächtige Cyrus, der Herrscher der Perser, Teil eines größeren Planes ist, den nur Gott kennt und den nur Gott vorantreibt.

Diese Lesung gibt uns das theologische Verständnis von Geschichte: Die epochalen Umbrüche, die Abfolge der großen Mächte finden unter der Herrschaft Gottes statt; keine Macht kann sich an Gottes Stelle setzen. Die Theologie der Geschichte ist ein wichtiger Gesichtspunkt, wesentlich für die neue Evangelisierung, weil die Menschen unserer Zeit, nach der unheilvollen Zeit der totalitären Regime des 20- Jahrhunderts, einen umfassenden Blick auf die Welt und die Zeit brauchen, einen wirklich freien Blick, einen friedlichen Blick, einen Blick, den das zweite Vatikanische Konzil in seinen Dokumenten überliefert hat, und den meine Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI. und der selige Johannes Paul II. in ihrer Lehre gezeigt haben.

Die zweite Lesung ist der Beginn des ersten Briefes an die Tessalonicher, und allein das ist schon bedeutungsvoll, denn es handelt sich um den ältesten uns erhaltenen Briefe des größten Evangelisators aller Zeiten, des Apostels Paulus. Er sagt uns vor allem, dass man nicht alleine evangelisieren kann: auch er hatte in Silvanus und Timotheus Mitarbeiter, dazu viele weitere. Und er fügt sofort eine weitere wichtige Sache hinzu: Dass die Verkündung immer vom Gebet vorbereitet, begleitet und gefolgt werden muss. Er schreibt: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken.“ Der Apostel weiß wohl, dass nicht er die Mitglieder der Gemeinde ausgewählt hat, sondern Gott: „ihr seid von Gott erwählt“, bestätigt er. Jeder Verkünder des Evangeliums muss sich immer dieser Wahrheit bewusst sein: Es ist der Herr, der die Herzen durch sein Wort und seinen Geist berührt. Er ruft die Menschen zum Glauben und zur Gemeinschaft in der Kirche.

Abschließend hinterlässt uns Paulus eine besonders kostbare Lehre, aus seiner Erfahrung genommen. Er schreibt: „Wir haben euch das Evangelium nicht nur mit Worten verkündet, sondern auch mit Macht und mit dem Heiligen Geist und mit voller Gewissheit.“ Um wirkmächtig zu sein benötigt der Verkünder des Evangeliums die Kraft des Geistes, der die Verkündung belebt und ihr diese „Gewissheit“ verleiht, von der der Apostel spricht.

Das Wort „Gewissheit“ heißt im griechischen Original pleroforìa: Ein Wort, dass sowohl den subjektiven Aspekt ausdrückt, den psychologischen, wie auch die Fülle, die Treue, die Vollständigkeit - in diesem Fall der Verkündigung Christi. Eine Verkündigung, die - um treu zu sein - von Zeichen begleitet werden muss, von Gesten, wie die Predigt Jesu. Wort, Geist und Gewissheit - im Zusammenspiel - sind untrennbar und sorgen dafür, dass die frohe Botschaft wirksam verbreitet wird.

Verweilen wir einen Augenblick beim Evangelium. Es geht um die Legitimität der Steuern für Caesar, die Stelle enthält die berühmten Worte Jesu „gebt Caesar, was Caesars ist und Gott, was Gottes ist.“ Aber bevor wir zu diesem Punkt kommen, gibt es einen Vers, den wir auf die beziehen können, denen die Aufgabe der Verkündung gegeben ist. Die Gesprächspartner Jesu - die Anhänger der Pharisäer und des Herodes - nähern sich Jesu mit Bewunderung. Sie sagen: „Wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen.“ Es ist diese Aussage die, auch wenn sie geheuchelt ist, unsere Aufmerksamkeit fordert.

Die Anhänger der Pharisäer und die Herodianer glauben nicht, was sie sagen. Sie machen das, was man eine captatio benevolentiae nennt, um gehört zu werden, aber ihr Herz ist weit entfernt von der Wahrheit. Sie wollen Jesu in die Falle führen, um ihn anklagen zu können.

Für uns ist diese Aussage aber wertvoll: Jesus ist wahrhaft und lehrt wahrheitsgemäß. Er selbst ist der „Weg Gottes“, den wir gerufen sind, zu gehen. Wir können uns die Worte Jesu aus dem Johannesevangelium in Erinnerung rufen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Ein Kommentar des heiligen Augustinus ist in diesem Zusammenhang erhellend: „Es war notwendig, dass Jesus sagte, ,ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben‘, denn wenn der Weg einmal bekannt ist, so kennen wir das Ziel. Der Weg führt zur Wahrheit, diese führt zum Leben ... Wohin sollen wir gehen, wenn nicht zu Ihm? Und welchen Weg sollen wir gehen, wenn nicht den seinen?“

Die neuen Evangelisatoren sind gerufen, vor allem diesen Weg zu gehen, der Christus ist, um dem Nächsten die Schönheit der frohen Botschaft zu zeigen, die Leben gibt. Und auf diesem Weg geht man nicht alleine, sondern in Gemeinschaft: Eine Erfahrung der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit, die sich ereignet, wenn wir uns begegnen, um unsere Erfahrungen Christi und seiner Kirche zu teilen.

So kann das das Zeugnis vereint mit der Verkündung die Herzen der Vielen öffnen, die die Wahrheit suchen, damit sie beim wirklichen Sinn ihres Lebens ankommen können.
Einige kurze Gedanken zur Frage der Steuern für Caesar. Jesus antwortet mit einem überraschenden politischen Realismus, verbunden mit dem Theozentrismus aus der Tradition der Propheten. Die Steuern müssen gezahlt werden, weil das Bild auf der Münze das seine ist; aber der Mensch, jeder Mensch, trägt in sich ein anderes Bild, das Bild Gottes, und deswegen schuldet jeder Ihm und Ihm allein seine Existenz. Die Kirchenväter, inspiriert durch die Tatsache, dass Jesus sich auf das eingeprägte Bild des Kaisers auf der Münze bezieht, haben diese Passage im Licht der Einsicht interpretiert, dass der Mensch Bild Gottes ist, wie es im ersten Kapitel des Buches Genesis beschrieben ist. Ein uns unbekannter Autor schreibt: „Das Bild Gottes ist nicht in Gold eingeprägt, sondern im Menschengeschlecht. Die Münze Caesars ist Gold, aber diejenige Gottes ist die Menschheit ... Deswegen gib deinen Reichtum dem Caesar, aber erhalte für Gott die Unschuld des Gewissens, in dem Gott geschaut wird ... Caesar dagegen hat sein Bild auf allen Geldstücken verlangt, aber Gott hat den Menschen auserwählt, ihn hat er erschaffen, um seine Herrlichkeit sichtbar zu machen.“

Der heilige Augustinus hat darauf in einigen Predigten Bezug genommen: „Wenn Caesar sein Bild, eingeprägt in Münzen, zurück verlangt, schulden wir dann nicht Gott das Abbild Gottes, das ihm eingeprägt ist?“ Und weiter: „Wie Caesar die Steuermünze gegeben wird, so wird Gott die die Seele - erleuchtet durch sein Antlitz - gegeben. Jesus Christus wohnt im Menschen.“

Diese Worte Jesu sind voller anthropologischer Bedeutung, und sie lassen sich nicht auf die politische Bedeutung beschränken. Die Kirche beschränkt sich nicht darauf, die Menschen an die rechte Trennung zwischen der Autorität Caesars und der Gottes zu erinnern, zwischen Politik und Religion. Die Sendung der Kirche, wie die Jesu, bedeutet vor allem, von Gott zu sprechen, an seine Hoheit zu erinnern, und alle - vor allem jene, die ihre Identität vergessen haben - an das Recht Gottes auf das Seine zu erinnern, das Recht auf unser Leben.

Um der Verkündung der ganzen Kirche einen erneuerten Impuls zu geben, dass sie die Menschen aus der Wüste, in der sie sich im Augenblick befinden, herauszuführen zum Ort des Lebens, der Freundschaft mit Christus, der uns das Leben in Fülle gibt, möchte ich in dieser eucharistischen Feier bekannt geben, dass ich entschieden habe, ein „Jahr des Glaubens“ zu verkünden, das ich in einem apostolischen Schreiben noch genauer erklären werde.

Es wird am 11. Oktober 2012 beginnen, am 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, und es wird am 24. November 2013, dem Christkönigsfest, enden.

Es wird eine Zeit der Gnade und einer immer engeren Verbindung mit Gott sein, um unseren Glauben an ihn zu stärken und ihn mit Freude den Menschen unserer Zeit zu verkünden.

Liebe Schwestern und Brüder, ihr seid die Protagonisten der Neuevangelisierung, die die Kirche begonnen hat - nicht ohne Schwierigkeiten - aber mit dem selben Enthusiasmus wie die frühe Kirche. Abschließend möchte ich mir den Worten des Apostels Paulus, die wir in den Lesungen gehört haben, anschließen: Ich danke Gott für euch alle, und ich versichere euch, dass ich eurer im Gebet gedenke, eurem Einsatz aus Nächstenliebe und euere Hoffnung in unseren Herrn Jesus Christus.

Die Jungfrau Maria, die keine Angst hatte, auf das Wort des Herrn mit „Ja“ zu antworten, hat sich nach der Empfängnis voll Freude und Hoffnung auf den Weg gemacht; sie sei immer euer Vorbild und leite euch. Lernt von der Mutter des Herrn gleichzeitig mutig und demütig zu sein; einfach und klug; sanft und stark, nicht mit der Macht der Welt, sondern mit der der Wahrheit. Amen.

(rv 16.10.2011 ord)







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