Das Jahr des Glaubens und die deutsche Kirche: Erzbischof Zollitsch im Interview
Der Papst hat in der
Predigt am heutigen Sonntag und danach noch einmal beim Angelusgebet ein ‚Jahr des
Glaubens’ angekündigt, es wird eröffnet zum 50. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten
Vatikanischen Konzils und während der Bischofssynode zur Neuevangelisierung im Oktober
des nächsten Jahres. Nach der Messe haben wir den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch, zu diesem Projekt des Papstes und der Kirche befragt.
Zollitsch ist selber Mitglied im Rat zur Förderung der Neuevangelisierung und hat
an der Veranstaltung im Vatikan zu diesem Thema an diesem Wochenende teilgenommen.
Herr
Erzbischof, wozu brauchen wir dieses ‚Jahr des Glaubens’?
„Ich sehe das
so, dass es darum geht, uns auf die Grundlage dessen zu besinnen, wovon wir leben.
Wir sollen wissen, dass bei allem, was wir tun, was wir entscheiden, es auf die persönliche
Beziehung zu Jesus Christus und zu Gott ankommt; Gott ist das Ziel und die Mitte unseres
Lebens. Damit spüren wir eines der zentralen Anliegen Papst Benedikts. Ich verstehe
ihn so, dass er uns auf dieses Fundament hinweisen möchte und von dort auch dann das
Konzilsjubiläum begehen will.“
Über die Neuevangelisierung, das ‚Jahr
des Glaubens’ und den Gesprächsprozess Es gibt ja schon eine ganze Reihe
von Veranstaltungen; was hat das zum Beispiel mit dem Gesprächsprozess in Deutschland
zu tun, der dann auch noch laufen wird?
„Wir werden sehen, wie wir das intensiv
miteinander verbinden; aber sie wissen ja, dass es beim Gesprächsprozess sehr darum
geht, den Weg der Erneuerung der Kirche zu gehen, um die Besinnung auf das, wovon
wir leben, auf das, was trägt. Damit sind wir bei der zentralen Frage nach dem Glauben.
Ich sehe das so, dass die Frage nach dem Glauben die Folie ist, auf der wir den Gesprächsprozess
durchführen werden. Diese Folie erinnert uns immer daran: ‚Vergesst Gott bei alldem
nicht! Vergesst nicht, wovon ihr wirklich lebt! Vergesst nicht, worauf es entscheidend
ankommt.’ Insofern sehe ich eine gute Verbindung mit dem Dialogprozess in Deutschland.“
Es
ist also nicht zurückzuführen auf die Formulierung des Konfliktes: Wir haben ein Glaubensproblem,
kein Kirchenproblem?
„Es wäre schade, wenn wir hier Gegensätze formulieren
würden. Wir haben tatsächlich beides. Wir haben ein Glaubensproblem, nämlich die Gottesfrage.
Wir spüren, dass die Frage nach Gott weit in den Hintergrund getreten ist und dass
viele Menschen diese Frage gar nicht mehr stellen. Aber wir spüren zugleich, dass
es auch die ganz konkreten Fragen gibt, die damit eng verbunden sind. Es ist immer
schade, wenn wir Gegensätze machen. Ich glaube, das katholische ‚et et’ – das ‚sowohl
als auch’ – geboten ist, dass wir die Dinge verbinden und von der Wurzel angehen.“
Über
die Fähigkeit, offen über den eigenen Glauben zu sprechen Mit der Messe
ist das Treffen zur Neuevangelisierung zu Ende gegangen, bei dem sie dabei waren.
Was nehmen sie nach Deutschland mit?
„Es war für mich die Erfahrung, dass
es weltweit eine ganze Fülle von Initiativen gibt, denen es darum geht, das Evangelium
neu zum leuchten zu bringen. Das Schöne bei diesem Treffen war, dass eine ganze Bandbreite
aufgetaucht ist. Andererseits habe ich aber auch feststellen dürfen, dass vieles von
dem, was ich gestern gehört habe, tatsächlich bei uns in Deutschland schon angepackt
ist. Da ist vieles gewachsen, vieles am werden, und die vielen Initiativen
dürften nun in diesem Jahr und in der Bischofssynode näher zusammengeführt werden,
damit die Stoßkraft noch größer wird.“
Da möchte ich noch einmal nachfragen:
Sie persönlich tragen ja in Kopf und Seele viel von den Fragen, Problemen und Möglichkeiten
der deutschen Kirche herum. Was nehmen sie persönlich von diesem Treffen mit?
„Ich
nehme mit, dass die Frage der Weitergabe des Glaubens nicht nur ein Problem in Deutschland
ist, sondern ein weltweites Problem. Und ich nehme mit – und das ist etwas Entscheidendes,
was wir Deutsche lernen müssen – dass es in der Frage der Weitergabe des Glaubens
auf das persönliche Zeugnis ankommt. Wenn ich in Amerika bin, ob das die USA oder
Lateinamerika ist, da kann man mit einer großen Selbstverständlichkeit über den Glauben
sprechen und darüber, was er mir bedeutet. Wir Deutschen halten das mehr im Herzen
verborgen. Wir müssen lernen, von dem zu sprechen, was uns belebt, wovon wir leben
und dann auch ganz persönlich Zeugnis zu geben. Das nehme ich mit, denn das haben
viele in einer ganz spontanen Weise bei dem Treffen gezeigt; da können wir Deutschen
wirklich davon lernen. Warum verstecken wir das, was uns Gott bedeutet, das, was wir
glauben, das wovon wir wirklich leben? Warum ist das nur eine Frage des Herzens? Es
muss eine Frage im ganz normalen Gespräch werden.“
Über die Jugendarbeit,
die sich früher hätte rühren müssen Eine der Anfragen an das Treffen war,
dass es nicht repräsentativ genug gewesen sei. Diese Anfrage kam vor allem aus den
Jugendverbänden, aus dem BDKJ. Es seien vor allem neue geistliche Bewegungen versammelt,
das würde gar nicht die Kirche in Deutschland repräsentieren. Wie bewerten sie das?
„Man
muss es vom Ausgangspunkt her sehen. Es war offen eingeladen worden: Die, die im Bereich
der Neuevangelisierung schon etwas machen, sollen sich melden. Da haben sich vor allem
viele geistliche Gemeinschaften gemeldet, viele Initiativen. Unser BDKJ hat sich erst
gemeldet, als sie merkten, dass sie nicht eingeladen waren. Sie haben vielleicht etwas
spät entdeckt, dass da eine Aufgabe ist. Das, was wir in der Jugendarbeit
tun, ist natürlich eine Form der Evangelisierung, vielleicht hätte man hier etwas
früher schalten dürfen. Aber ich habe die Frage hier selbstverständlich bei den Verantwortlichen
angesprochen.“
Über Wiederverheiratete Geschiedene und andere Konflikte Vor
dem Papstbesuch – und dann etwas vom Papstbesuch verdeckt – gab es ja auch noch andere
Themen, sie hatten selber die Frage nach den Wiederverheirateten Geschiedenen angesprochen.
Dann war die Frage nach der Spaltung in der katholischen Kirche, die in der Öffentlichkeit
diskutiert wurde. Bleibt das jetzt vom Papstbesuch und den neuen Initiativen verdeckt
oder wie gehen sie da weiter vor?
„Wir haben jetzt bei der Herbstvollversammlung
der Bischöfe darüber beraten, was der Papstbesuch für uns bedeutet und haben das in
der ganzen Breite angesprochen. Wir werden dann bei der nächsten Sitzung des ständigen
Rates schauen, wie wir konkret diese Themen angehen, die für uns wichtig sind. Etwa,
wie wir in der Pastoral mit denen umgehen, die geschieden und wieder verheiratet sind.
Wie schaffen wir das unter ganz klarer Respektierung und Anerkennung der Unauflöslichkeit
der Ehe. Wie gehen wir damit um? Oder auch die Frage nach der Stellung der Laien oder
der Frauen in der Kirche. Diese Fragen werden wir in aller Sachlichkeit in nächster
Zeit angehen. Aber der Hintergrund ist die Frage, was der Glaube für uns heute bedeutet. Ich
erlebe immer wieder persönlich die Frage, ob es nicht die Alternative wäre, Neuevangelisierung
statt Dialogprozess. Da sage ich Nein, der Dialogprozess ist für uns ein Weg auch
im Rahmen dessen, wie wir den Glauben neu verkünden wollen. Denn das Katholische ist,
dass wir die Bandbreite dessen auszuhalten versuchen, was bei uns in der Kirche da
ist, und deswegen dürfen auch die verschiedenen Anliegen und die verschiedenen Probleme
auch zur Sprache kommen.“