2011-10-15 12:32:41

Bischof Hinder: „Phantom“ Arabischer Frühling


RealAudioMP3 Der Apostolische Vikar von Arabien-Süd, Bischof Paul Hinder, warnt davor, auf die Umbrüche in der arabischen Welt europäisches Wunschdenken zu projizieren. „Wir sollten versuchen, die Vorgänge auch von der Innenseite her zu interpretieren: Wie sie die arabischen Männer und Frauen selbst sehen und wie sie ihnen jäh vor Augen stehen. Und da wird man sehr unterschiedliche Antworten bekommen, je nachdem, ob man in Ägypten, im Jemen, in Oman oder in Bahrein nachfragt“, sagte der Schweizer Bischof im Interview mit Radio Vatikan in Rom. Niemand habe bisher genau definiert, was der so genannte „Arabische Frühling“ überhaupt sei. Gemeinsamer Nenner der aktuellen Protestbewegungen in der arabischen Welt sei zweifelsfrei der Ruf nach „mehr Freiheit, mehr Mitsprache, mehr Sicherheit, nach transparenten Verhältnissen und weniger Korruption“, räumte der Bischof ein. Allerdings müssten sich die Spitzen der Oppositionsbewegungen letztlich daran messen lassen, ob sie den eigenen Prinzipien auch tatsächlich treu blieben, wenn sie an die Macht kämen.

Minderheitenschutz, nicht nur für Christen
Der Westen müsse seine Interventionsmöglichkeiten in den umbrechenden arabischen Ländern realistisch einschätzen, plädierte Bischof Hinder weiter. Man müsse in Betracht ziehen, „dass es auch kontraproduktiv sein kann, wenn man zu viel erwartet“, so der Bischof wörtlich. Zugleich dürfe man den „Blick für das Ganze“ nicht verlieren, mahnte er: Auch angesichts der wiederholten Gewalt gegen Christen müsse man ganz grundsätzlich für Minderheitenschutz in diesen Ländern eintreten: „Das können Christen sein oder bestimmte christliche Gruppen, es können aber sehr wohl auch andere Fraktionen der Bevölkerung sein.“

Tawakkul Karman: Beispielhafter Mut
Eine besondere Rolle für Demokratisierungsprozesse in der arabischen Welt schreibt der Apostolische Vikar von Arabien-Süd Frauen zu. Die Nominierung der jemenitischen Bürgerrechtlerin Tawakkul Karman für den Friedensnobelpreis 2011 bedeute eine grundsätzliche Stärkung der Opposition in dem Land, meinte Bischof Hinder. Zugleich setzte die Auszeichnung von Karmans gewaltlosem Einsatz für Bürgerrechte und eine Veränderung des Gesellschaftssystems ein Zeichen, das über den Jemen hinausweise: „Sie hat dafür erhebliche Risiken auf sich genommen. Sie war nicht nur längere Zeit im Gefängnis, sondern hat das eigene Leben aufs Spiel gesetzt“, erinnerte der Bischof.

Christen auf arabischer Halbinsel: „Solidarisch, aber ängstlich“
Hinder äußerte sich weiter zur Frage, wie die jüngste Gewalt gegen Christen in Ägypten in den christlichen Gemeinschaften auf der arabischen Halbinsel aufgenommen werde. Die römisch-katholischen Bischöfe des Nahen Ostens (CELRA) hatten sich auf ihrer Jahresversammlung im Vatikan in dieser Woche solidarisch mit den Christen in Ägypten erklärt. Bischof Hinder hatte an der Sitzung teilgenommen. In seinem Zuständigkeitsbereich – den Vereinigten Arabischen Emiraten, Oman und Jemen – sei Solidarität gegenüber den betroffenen Glaubensschwestern und -brüdern deutlich spürbar, bestätigte der Bischof im Interview mit Radio Vatikan. Allerdings täten sich die christlichen Diaspora-Gemeinden auf der arabischen Halbinsel schwer damit, klar Position zu beziehen. Als „Fremde“ und „Migranten“ in Ländern mit muslimischer Mehrheit sei es für sie nicht ungefährlich, sich zu „exponieren“: „Wer das tut, der kann am nächsten Tag das Land wieder verlassen. Wir sind also in einer sehr schwachen Position. Sei es im jeweiligen Land, wo wir wohnen, sei es auch im Blick auf Stellungnahme für Christen in anderen Ländern.“

(rv 14.10.2011 pr)








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