2011-10-14 16:32:32

„König Abdullah“-Zentrum in Wien: „Schritt der Öffnung“


RealAudioMP3 Die geplante Einrichtung eines saudisch geförderten interreligiösen Zentrums in Wien erhitzt in Österreich derzeit die Gemüter. Das „König-Abdullah“-Zentrum präsentiert sich als Plattform für den Dialog der fünf Weltreligionen; der Gründungsvertrag wurde am vergangenen Donnerstag von den Außenministern von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien in Wien unterzeichnet. „Ausgerechnet ein König soll den internationalen interreligiösen Dialog fördern wollen, in dessen Land auf Abfall vom Islam die Todesstrafe steht“, kritisierte die Menschenrechtssprecherin der österreichischen Grünen, Alev Korun, die Unterzeichnung des Abkommens. Ein unauflösbarer Widerspruch?

Vatikan hofft auf positive Wirkung

Andere Beobachter sehen die Sache gelassener. Allen voran der Vatikan, der einen Beobachterstatus bei dem interreligiösen Zentrum anstrebt. Für Kurienkardinal Jean-Louis Tauran ist die Initiative, die den Status einer internationalen Organisation haben soll, ein „mutiger Schritt“. Der Leiter des päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog nahm am Donnerstag an der Unterzeichnung des Gründungsvertrages in der Wiener Albertina teil. Der Vatikan will zunächst einmal beobachten, wie sich die Einrichtung entwickelt, unterstreicht der Kardinal:

„Wir hoffen, dass sich die Einrichtung zu einer Gesprächsplattform entwickelt, auf der Probleme von Religionsgemeinschaften in aller Welt auf einem zivilisierten Weg gelöst werden können. Interreligiöser Dialog ist eine religiöse Aktivität. Wir möchten schauen, wie sich die neue Einrichtung entwickelt und ob sie religiöse Aspekte auch nicht mit politischen vermischt. Aber zunächst einmal müssen wir uns ja für den Beobachterstatus bewerben.“

Das Gründungsabkommen des „König-Abdullah“-Zentrums bezieht sich auch auf die Menschenrechtserklärung der UNO und insbesondere auf die darin enthaltene Glaubensfreiheit. Das findet Kardinal Tauran positiv. Er hofft, dass das interreligiöse Zentrum dazu beitragen kann, dass Saudi-Arabien die eigenen Regelungen zur Religionsfreiheit an internationale Standards anpasst.

„Jeder Schritt wurde vom Vatikan abgesegnet“

Und wenn das nicht der Fall sein sollte? Was wäre, wenn mit dem „König-Abdullah“-Zentrum in Wien tatsächlich ein wahabitisches Forum entstünde, das unter dem Deckmantel des interreligiösen Dialoges Religionspolitik in Europa betreibt? Der Leiter der Wiener Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung, Pfarrer Martin Rupprecht, gibt angesichts dieser Befürchtungen Entwarnung. Schon die interreligiöse Zusammensetzung des neunköpfigen Aufsichtsrates für die Organisation zeige „guten Willen“ und sei für saudische Verhältnisse gar „eine kleine Revolution“, unterstreicht der katholische Geistliche im Gespräch mit Kathpress:


„Von diesen neun Personen sind nur drei Muslime, ein Schiit, zwei Sunniten, dann gibt es drei Christen, einen Vatikanvertreter, einen Vertreter der Orthodoxie, einen Protestanten, einen Rabbi, ein Hindu und ein Buddhist. Und diese Zusammensetzung zeigt schon wirklich auch den guten Willen. Dass da ein Buddhist neben einem Christen und Moslem sitzt, ist für saudische Verhältnisse schon etwas Besonderes.“

Mit dem Versuch einer politischen Einflussnahme habe das König Abdullah-Zentrum also mitnichten zu tun, so der Pfarrer weiter.


„Dieses Zentrum ist ganz anderer Art. Einerseits durch die persönliche Initiative des Königs bei Papst Benedikt XVI.. Weiter war dem König in der Entstehungs- und Planungsphase wichtig, das jeder Schritt vom Vatikan begleitet und abgesegnet wurde.“


Dies spiegele sich auch in dem für das Zentrum gültigen, „sehr sachdienlichen“ Rechtskonstrukt wider, an dem das österreichische Außenministerium mitgewirkt habe, fährt Rupprecht fort.


Überraschend ist der Vorstoß des saudischen Königs Abdullah Al Saud allemal – während sich Saudi-Arabien mit der Initiative interreligiösen und interkulturellen Dialog auf die Fahnen schreibt, im Ausland wohlgemerkt, gibt es in dem absolutistischen Staat auf der arabischen Halbinsel de facto keine Religionsfreiheit. So darf die christliche Minderheit ihre Religion in Saudi-Arabien nicht öffentlich ausüben. Pfarrer Rupprecht erklärt sich das mit einem Prozess des Umdenkens, der sich bei König Abdullah nach dem „Schock von 9/11“ verstärkt habe. Bereits die erste von Abdullah initiierte Dialogkonferenz 2008 in Mekka, auf der Islamvertreter aus Ostasien, der Türkei und aus vielen anderen Kulturen zugegen waren, habe andere Vorstellungen von Islam und von islamischer Theologie zutage gefördert. Das habe sich bei den saudischen Religionsgelehrten Spuren hinterlassen, meint der Leiter der Wiener Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung.

„König Abdullah unternimmt vorsichtige Schritte der Öffnung“

Auch für den apostolischen Vikar von Südarabien, Bischof Paul Hinder, ist Saudi-Arabiens Promotion von interreligiösem Dialog im Ausland und die andererseits mangelnde Religionsfreiheit im Inland kein unauflösbarer Widerspruch. Im Gespräch mit Radio Vatikan kennzeichnet der Schweizer Kapuziner Abdullah Al Saud als „vorsichtigen Modernisierer“ seines Landes. Die Anregung des interreligiösen Zentrums in Wien sei in dieser Perspektive zu sehen, erklärt Hinder:

„Warum das Zentrum gerade in Wien ist, nicht etwa in Dschidda oder an einem anderen Ort zeigt ja auch, dass es offenbar leichter ist, ein solches Zentrum außerhalb der unmittelbaren Einflusssphäre zu errichten als zu Hause, weil dort vermutlich erheblicher Widerstand entstünde. Aber ich begrüße das natürlich als einen gewaltigen Schritt und hoffe auch und bete dafür, dass diese sachten Schritte vorwärts, um die sich der König seit einigen Jahren bemüht, auch zu Erfolg führen. Ich wünsche das dem Volk, ich wünsche das dem König, ich wünsche das allen, die daran bemüht sind, hier eine maßvolle, aber effiziente Öffnung der Gesellschaft in Saudi-Arabien beizubringen.“

Zu den „sachten Schritten“ König Abdullahs innerhalb von Saudi-Arabien zähle auch seine jüngste Entscheidung, Frauen in absehbarer Zeit als Kandidaten bei den Lokalwahlen zuzulassen. In Abdullahs Amtszeit fanden in Saudi-Arabien die ersten Wahlen in Saudi-Arabien überhaupt statt; allerdings waren zu ihnen keine Parteien zugelassen. Positiv seien solche Schritte allemal, meint dazu Bischof Hinder. Der apostolische Vikar Südarabiens beklagt allerdings das „Schneckentempo“, in dem solche Entwicklungen in dem Land zugelassen werden.

„Ich denke, dass der König hier tatsächlich ehrlich bemüht ist, hier eine Öffnung sachte voranzutreiben. Inwieweit ihm das gelingt und inwieweit ihm die herrschenden Schichten im Volk ihm dann folgen, das ist natürlich eine andere Frage. Man muss sich einfach vor Augen halten, es geht schon arg langsam. Gerade das Stimmrecht für die Frauen, da braucht es noch einige Jahre, bis es dann wirklich in Kraft tritt. Warum eigentlich? Das offenbart doch auch eine Angst vor der Situation, wie der König sie vorfindet innerhalb des Machtverhältnisses der herrschenden Schichten Saudi-Arabiens.“

In der Tat soll das passive Wahlrecht für Frauen in Saudi-Arabien erst in vier Jahren Wirklichkeit werden; das heißt, Frauen dürften dann auch gewählt werden, nicht nur selber wählen. Und noch eine Einschränkung nach aktuellem Stand: Anders als männliche Anwärter, dürfen Politikerinnen nicht auf Wahlplakaten erscheinen.

Werte als gemeinsame Basis

Bischof Hinder geht weiter auf das historische Treffen zwischen König Abdullah und Papst Benedikt XVI. ein. Als erster saudischer König überhaupt war König Abdullah im November 2007 im Vatikan zu Besuch. Bei der Begegnung hatte Abdullah „gemeinsame Werte“ als Bindeglied zwischen Islam und Christentum benannt. Er verwies auf die Notwendigkeit, zusammenzuarbeiten, um einen „Zusammenstoß der Zivilisationen“ zu vermeiden. Dazu Bischof Hinder:

„Soweit ich informiert bin, ist König Abdullah ein sehr religiöser Mensch, ein überzeugter Muslim, der aber auch aus einer tiefen religiösen Haltung heraus Politik betreibt. Im positiven Sinne, also nicht im fundamentalistischen Sinne. Ihm ist es auch ein Anliegen, dass weltweit die Kräfte, die sich einigen können auf grundlegende Werte, auf die es ankommt in der Gesellschaft – ich denke, dass das auch damals einer der Gründe war, warum er den Besuch beim Heiligen Vater gemacht hat –, dass er aus diesem Bewusstsein heraus Alliierte finden will in einem gemeinsamen humanen Ethos. Wie auch immer man dann dazu im Einzelfall steht, ich denke, dass das etwas Positives ist.“

(rv/asianews/kap 14.10.2011 pr)








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