„König Abdullah“-Zentrum in Wien: „Schritt der Öffnung“
Die geplante Einrichtung
eines saudisch geförderten interreligiösen Zentrums in Wien erhitzt in Österreich
derzeit die Gemüter. Das „König-Abdullah“-Zentrum präsentiert sich als Plattform für
den Dialog der fünf Weltreligionen; der Gründungsvertrag wurde am vergangenen Donnerstag
von den Außenministern von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien in Wien unterzeichnet.
„Ausgerechnet ein König soll den internationalen interreligiösen Dialog fördern wollen,
in dessen Land auf Abfall vom Islam die Todesstrafe steht“, kritisierte die Menschenrechtssprecherin
der österreichischen Grünen, Alev Korun, die Unterzeichnung des Abkommens. Ein unauflösbarer
Widerspruch?
Vatikan hofft auf positive Wirkung
Andere
Beobachter sehen die Sache gelassener. Allen voran der Vatikan, der einen Beobachterstatus
bei dem interreligiösen Zentrum anstrebt. Für Kurienkardinal Jean-Louis Tauran ist
die Initiative, die den Status einer internationalen Organisation haben soll, ein
„mutiger Schritt“. Der Leiter des päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog nahm
am Donnerstag an der Unterzeichnung des Gründungsvertrages in der Wiener Albertina
teil. Der Vatikan will zunächst einmal beobachten, wie sich die Einrichtung entwickelt,
unterstreicht der Kardinal:
„Wir hoffen, dass sich die Einrichtung zu einer
Gesprächsplattform entwickelt, auf der Probleme von Religionsgemeinschaften in aller
Welt auf einem zivilisierten Weg gelöst werden können. Interreligiöser Dialog ist
eine religiöse Aktivität. Wir möchten schauen, wie sich die neue Einrichtung entwickelt
und ob sie religiöse Aspekte auch nicht mit politischen vermischt. Aber zunächst einmal
müssen wir uns ja für den Beobachterstatus bewerben.“
Das Gründungsabkommen
des „König-Abdullah“-Zentrums bezieht sich auch auf die Menschenrechtserklärung der
UNO und insbesondere auf die darin enthaltene Glaubensfreiheit. Das findet Kardinal
Tauran positiv. Er hofft, dass das interreligiöse Zentrum dazu beitragen kann, dass
Saudi-Arabien die eigenen Regelungen zur Religionsfreiheit an internationale Standards
anpasst.
„Jeder Schritt wurde vom Vatikan abgesegnet“
Und
wenn das nicht der Fall sein sollte? Was wäre, wenn mit dem „König-Abdullah“-Zentrum
in Wien tatsächlich ein wahabitisches Forum entstünde, das unter dem Deckmantel des
interreligiösen Dialoges Religionspolitik in Europa betreibt? Der Leiter der Wiener
Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung, Pfarrer Martin Rupprecht, gibt
angesichts dieser Befürchtungen Entwarnung. Schon die interreligiöse Zusammensetzung
des neunköpfigen Aufsichtsrates für die Organisation zeige „guten Willen“ und sei
für saudische Verhältnisse gar „eine kleine Revolution“, unterstreicht der katholische
Geistliche im Gespräch mit Kathpress:
„Von diesen neun Personen sind
nur drei Muslime, ein Schiit, zwei Sunniten, dann gibt es drei Christen, einen Vatikanvertreter,
einen Vertreter der Orthodoxie, einen Protestanten, einen Rabbi, ein Hindu und ein
Buddhist. Und diese Zusammensetzung zeigt schon wirklich auch den guten Willen. Dass
da ein Buddhist neben einem Christen und Moslem sitzt, ist für saudische Verhältnisse
schon etwas Besonderes.“
Mit dem Versuch einer politischen Einflussnahme
habe das König Abdullah-Zentrum also mitnichten zu tun, so der Pfarrer weiter.
„Dieses
Zentrum ist ganz anderer Art. Einerseits durch die persönliche Initiative des Königs
bei Papst Benedikt XVI.. Weiter war dem König in der Entstehungs- und Planungsphase
wichtig, das jeder Schritt vom Vatikan begleitet und abgesegnet wurde.“
Dies
spiegele sich auch in dem für das Zentrum gültigen, „sehr sachdienlichen“ Rechtskonstrukt
wider, an dem das österreichische Außenministerium mitgewirkt habe, fährt Rupprecht
fort.
Überraschend ist der Vorstoß des saudischen Königs Abdullah Al Saud
allemal – während sich Saudi-Arabien mit der Initiative interreligiösen und interkulturellen
Dialog auf die Fahnen schreibt, im Ausland wohlgemerkt, gibt es in dem absolutistischen
Staat auf der arabischen Halbinsel de facto keine Religionsfreiheit. So darf die christliche
Minderheit ihre Religion in Saudi-Arabien nicht öffentlich ausüben. Pfarrer Rupprecht
erklärt sich das mit einem Prozess des Umdenkens, der sich bei König Abdullah nach
dem „Schock von 9/11“ verstärkt habe. Bereits die erste von Abdullah initiierte Dialogkonferenz
2008 in Mekka, auf der Islamvertreter aus Ostasien, der Türkei und aus vielen anderen
Kulturen zugegen waren, habe andere Vorstellungen von Islam und von islamischer Theologie
zutage gefördert. Das habe sich bei den saudischen Religionsgelehrten Spuren hinterlassen,
meint der Leiter der Wiener Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung.
„König
Abdullah unternimmt vorsichtige Schritte der Öffnung“
Auch für den
apostolischen Vikar von Südarabien, Bischof Paul Hinder, ist Saudi-Arabiens Promotion
von interreligiösem Dialog im Ausland und die andererseits mangelnde Religionsfreiheit
im Inland kein unauflösbarer Widerspruch. Im Gespräch mit Radio Vatikan kennzeichnet
der Schweizer Kapuziner Abdullah Al Saud als „vorsichtigen Modernisierer“ seines Landes.
Die Anregung des interreligiösen Zentrums in Wien sei in dieser Perspektive zu sehen,
erklärt Hinder:
„Warum das Zentrum gerade in Wien ist, nicht etwa in Dschidda
oder an einem anderen Ort zeigt ja auch, dass es offenbar leichter ist, ein solches
Zentrum außerhalb der unmittelbaren Einflusssphäre zu errichten als zu Hause, weil
dort vermutlich erheblicher Widerstand entstünde. Aber ich begrüße das natürlich als
einen gewaltigen Schritt und hoffe auch und bete dafür, dass diese sachten Schritte
vorwärts, um die sich der König seit einigen Jahren bemüht, auch zu Erfolg führen.
Ich wünsche das dem Volk, ich wünsche das dem König, ich wünsche das allen, die daran
bemüht sind, hier eine maßvolle, aber effiziente Öffnung der Gesellschaft in Saudi-Arabien
beizubringen.“
Zu den „sachten Schritten“ König Abdullahs innerhalb von
Saudi-Arabien zähle auch seine jüngste Entscheidung, Frauen in absehbarer Zeit als
Kandidaten bei den Lokalwahlen zuzulassen. In Abdullahs Amtszeit fanden in Saudi-Arabien
die ersten Wahlen in Saudi-Arabien überhaupt statt; allerdings waren zu ihnen keine
Parteien zugelassen. Positiv seien solche Schritte allemal, meint dazu Bischof Hinder.
Der apostolische Vikar Südarabiens beklagt allerdings das „Schneckentempo“, in dem
solche Entwicklungen in dem Land zugelassen werden.
„Ich denke, dass der
König hier tatsächlich ehrlich bemüht ist, hier eine Öffnung sachte voranzutreiben.
Inwieweit ihm das gelingt und inwieweit ihm die herrschenden Schichten im Volk ihm
dann folgen, das ist natürlich eine andere Frage. Man muss sich einfach vor Augen
halten, es geht schon arg langsam. Gerade das Stimmrecht für die Frauen, da braucht
es noch einige Jahre, bis es dann wirklich in Kraft tritt. Warum eigentlich? Das offenbart
doch auch eine Angst vor der Situation, wie der König sie vorfindet innerhalb des
Machtverhältnisses der herrschenden Schichten Saudi-Arabiens.“
In der Tat
soll das passive Wahlrecht für Frauen in Saudi-Arabien erst in vier Jahren Wirklichkeit
werden; das heißt, Frauen dürften dann auch gewählt werden, nicht nur selber wählen.
Und noch eine Einschränkung nach aktuellem Stand: Anders als männliche Anwärter, dürfen
Politikerinnen nicht auf Wahlplakaten erscheinen.
Werte als gemeinsame
Basis
Bischof Hinder geht weiter auf das historische Treffen zwischen
König Abdullah und Papst Benedikt XVI. ein. Als erster saudischer König überhaupt
war König Abdullah im November 2007 im Vatikan zu Besuch. Bei der Begegnung hatte
Abdullah „gemeinsame Werte“ als Bindeglied zwischen Islam und Christentum benannt.
Er verwies auf die Notwendigkeit, zusammenzuarbeiten, um einen „Zusammenstoß der Zivilisationen“
zu vermeiden. Dazu Bischof Hinder:
„Soweit ich informiert bin, ist König
Abdullah ein sehr religiöser Mensch, ein überzeugter Muslim, der aber auch aus einer
tiefen religiösen Haltung heraus Politik betreibt. Im positiven Sinne, also nicht
im fundamentalistischen Sinne. Ihm ist es auch ein Anliegen, dass weltweit die Kräfte,
die sich einigen können auf grundlegende Werte, auf die es ankommt in der Gesellschaft
– ich denke, dass das auch damals einer der Gründe war, warum er den Besuch beim Heiligen
Vater gemacht hat –, dass er aus diesem Bewusstsein heraus Alliierte finden will in
einem gemeinsamen humanen Ethos. Wie auch immer man dann dazu im Einzelfall steht,
ich denke, dass das etwas Positives ist.“