„Humanismus und Spiritualität
– Ist ein Dialog über Transzendenz möglich?” Das ist das Thema einer Konferenz der
Vatikan-Stiftung „Vorhof der Völker“ in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. An diesem
Dienstag und Mittwoch sucht die Vatikan-Initiative dort das Gespräch mit Intellektuellen
über die Gottesfrage. Kardinal Gianfranco Ravasi, der den Päpstlichen Kulturrat und
den „Vorhof der Völker“ leitet, nimmt an den Debatten teil und wird außerdem zum Ehrendoktor
der Bukarester Universität ernannt. Er hat den „Vorhof der Völker“ im Frühjahr dieses
Jahres eröffnet und vorgegeben, dass beim Dialog mit Nichtglaubenden vor allem über
den Menschen gesprochen werden soll:
„Über das Mysterium des Seins. Nicht
nur der menschlichen Existenz, sondern über das Mysterium all dessen, was uns umgibt
und was auch in uns ist.“
Das zweite Ziel beim „Vorhof der Völker“, der
auf eine Anregung des Papstes zurückgeht, ist es, die gleiche Blickrichtung für Glaubende
wie für Nichtglaubende zu gewinnen. Das erklärt Ravasi mit einer kleinen Geschichte,
die er in einem Werk des Philosophen Ludwig Wittgenstein gefunden hat.
„In
seinem Traktatus logico-philosophicus, einem sehr schwierigen Werk, schreibt er folgende
Worte, die wiederum ausgesprochen einfach sind: Ich habe die Umrisse einer Insel untersucht
– ihren Strand, ihre Form. Aber ich entdeckte schließlich die Grenzen des Ozeans...
Wer an einem Strand entlanggeht und dabei immer nur landeinwärts schaut, sieht nur
Endliches, Beschränktes: die Insel eben. Aber an diesen selben Strand schlagen gleichzeitig
die Wellen des Ozeans – und auch dorthin soll ich blicken.“
Vor den Gesprächen
in Bukarest in diesen Tagen hat sich Kardinal Ravasi vor allem mit dem rumänischen
Denker Emil Cioran und dem Schriftsteller Eugène Ionesco beschäftigt. Beide sind aus
seiner Sicht „Idealfiguren von Agnostikern oder Atheisten, die doch zutiefst von der
Gottesfrage umgetrieben waren“. Ravasi zitiert zum Beleg einen Satz Ciorans: „Ich
bin immer um Gott herumgestrichen, ohne ihn anrufen zu können – wie ein Spion.“ Nächste
Haltestelle des „Vorhofs der Völker“ wird am 17. Oktober Florenz. Mitte November gibt
es bereits zum zweiten Mal eine Konferenz in der albanischen Hauptstadt Tirana.