Ägypten: „Jeder, der geht, hinterlässt ein riesiges Loch“
Haben wirklich 100.000 Christen seit März Ägypten verlassen? Die Zahl stammt vom Dachverband
ägyptischer Menschenrechtsverbände; sie hat gleich nach Bekanntwerden diese Woche
Bestürzung ausgelöst, aber auch Zweifel. Antonios Aziz Mina ist katholischer Bischof
von Giza bei Kairo; er bezweifelt die Zahl von 100.000 flüchtenden Kopten:
„Wir
haben gar keine sicheren Daten, es gibt da überhaupt keine Statistik. Und die Motive
für dieses Phänomen sind zahlreich. Natürlich ist das wichtigste Motiv die Unsicherheit,
aber nicht nur Christen leiden darunter, sondern alle Ägypter, auch die Muslime. Wenn
man sieht, dass die Christen unter denen, die das Land verlassen, überproportional
vertreten sind, dann liegt das daran, dass sie mehr Anknüpfungspunkte im Ausland haben.
Jeder Kopte, der Ägypten verläßt, hinterläßt wegen der geringen Zahl von Christen
eine riesige Leere – größer, als wenn ein Muslim geht.“
Immerhin ist nicht
zu leugnen, dass es in jüngster Zeit immer wieder Anschläge und Drohungen von radikalen
Muslimen, den so genannten Salafiten, gegen Christen gibt. Frage an Bischof Antonios
Aziz Mina: Droht in Ägypten eine Machtübernahme durch fundamentalistische Gruppen
wie zum Beispiel die Salafiten?
„Das könnte natürlich sein... Wir wählen
im November, und wie vorbereitet sind wir auf die Demokratie? Demokratie heißt ja
nicht nur Stimme abgeben, dazu gehört auch eine demokratische Gesinnung. Wir ermutigen
unsere Gläubigen, am politischen Leben teilzunehmen; dazu organisieren wir Kurse.
Die Katholiken sollten sich überall engagieren, nicht nur in der Politik, sondern
generell beim Aufbau dieses Landes!“
Hören Sie hier ein
Dossier über Ägypten und seine erst halbfertige Revolution, von Stefan Kempis.