Syrien: „Christen sollen sich am friedlichen Umbruch beteiligen“
Die Gewalt in Syrien
nimmt zu, die Wege des Dialoges drohen sich zu schließen. Das beobachtet der in Syrien
wirkende italienische Jesuitenpater Paolo Dall’Oglio. Am Wochenende griffen die Sicherheitskräfte
des al-Assad-Regimes abermals hart gegen Regimegegner durch. Der UNO-Weltsicherheitsrat
stimmt an diesem Dienstag über eine Resolution ab, die das gewaltsame Vorgehen gegen
die Demonstranten verurteilen soll. Dall’Oglio leitet das syrische Kloster Deir Mar
Musa al-Habashi, das hundert Kilometer nördlich von Damaskus liegt. Er hat die Hoffnung
auf internationale Vermittlung zwischen den Konfliktparteien noch nicht aufgegeben.
Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt der Pater:
„Die Gewalt nimmt ganz klar
zu. Was an Verhandlungen durch die Hilfe internationaler Vermittler in den letzten
Monaten möglich war, ist heute schwieriger, auch wenn wir uns da weiter Unterstützung
wünschen. Es gibt derzeit starke Polarisierungen durch Gruppen, die versuchen, von
außen für Syrien eine Art neue Regierung zu organisieren, die dann nach der Revolution
an die Macht käme. Aber so weit sind wir noch lange nicht: Viele Leute halten hier
zur Regierung und zum Präsidenten, es gibt nicht diesen überwältigenden Willen nach
Veränderung. Deshalb haben wir große Angst vor einem Bürgerkrieg.“ Der
syrisch-melkitische Patriarch Gregorius III. Laham hatte den Westen zur Zurückhaltung
aufgerufen. Anders als Dall’Oglio meint er, Reformen in Syrien seien schon in Sicht,
man solle das Land jetzt seinen eigenen Weg finden lassen. Der höchste katholische
Würdenträger im Nahen Osten wandte sich im Gespräch mit Radio Vatikan damit gegen
jede Form der Einmischung, von den Forderungen der Aufständischen hatte er sich abgegrenzt.
Auch Dall’Oglio wendet sich gegen militärische Interventionen von außen in Syrien.
Allerdings wünscht sich der Jesuit neben internationaler Dialoghilfe auch mehr Beteiligung
der syrischen Christen am Prozess einer friedlichen Veränderung. Mit dem arabischen
Frühling sei auch in Syrien ein Umbruch nicht mehr abzuwenden, meint Dall'Oglio:
„Ich
denke, die Christen sollten mit dieser neuen Realität klar kommen und ihre Beteiligung
dafür anbieten. Sie sollten eine Art Meniskus im Knie des Landes sein und ihre Fähigkeiten
zur Vermittlung in den verschiedenen Bereichen einbringen. Wir arbeiten mit der Idee
einer Demokratie des Konsenses, es soll hier nicht um eine Diktatur der strikten Mehrheit
gegenüber einer Minderheit gehen. Wir müssen an einer Alternative dazu arbeiten.“
Potential
sieht der Geistliche in der jungen Generation des Landes. Im Rahmen einer Gebetswoche,
die gerade im Kloster Mar Musa zu Ende ging, seien Jugendliche aus allen Landesteilen
gekommen, die sich für einen friedlichen Umbruch stark gemacht hätten. Voraussetzung
für einen solchen Prozess sei aber die Garantie von Meinungs- und Pressefreiheit.
Diese sei in der aktuellen Lage mitnichten gegeben, so Dall’Oglio. Auch deshalb sei
eine „kohärente Beschreibung“ der Situation nahezu unmöglich.